Bad Brückenau. Einmal aus dem Alltagsleben ausbrechen. Gerade in der heutigen Zeit ist das besonders wichtig. Ein Kuraufenthalt kann dabei wahre Wunder bewirken, weiß Dr. Jürgen Kleinhenz, Kurarzt des Staatbades in Bad Brückenau. Er warnt vor ständiger Erreichbarkeit durch Smartphone, Facebook und Co.

Die An- und Herausforderungen im Alltag nehmen immer weiter zu. Hinzu kommen dauerhafte Erreichbarkeit im Beruf, aber auch privater Druck, in den sozialen Netzwerken nichts verpassen zu wollen. Kostbar sind die Auszeiten, die man sich nehmen kann. Kuren bieten eine Möglichkeit, unter Anleitung von Ärzten Ideen und Konzepte zu entwickeln, ein „Bewusstsein zu schaffen“, wie es Dr. Jürgen Kleinhenz, Kurarzt des Staatsbades Bad Brückenau, formuliert. Ein Erstgespräch mit einer geplagten Seele auf der Suche nach dem inneren Gleichgewicht.

Herr Doktor, ich bin immer sehr müde, habe aber trotzdem Probleme, abends einzuschlafen. Das macht mir Kummer.

Dr. Jürgen Kleinhenz: Das ist verständlich. Waren Sie denn schon einmal beim Hausarzt, um Krankheiten auszuschließen? Immerhin können auch körperliche Dinge ursächlich sein.

Da war ich. Eigentlich bin ich ganz gesund. Können Sie mir nach einem Erstgespräch überhaupt schon sagen, wo der Schuh bei mir drückt?

Kleinhenz: Das ist grundsätzlich etwas schwierig. Deswegen ist es eben immer ratsam, mit Beschwerden zunächst einmal den Hausarzt aufzusuchen. Wenn Sie dann mit einem Problem zu mir kommen, körperlich wohl gesund, dann versuche ich in diesem Erstgespräch herauszufinden, wo mögliche Belastungsfaktoren sind. In der Familie oder im Beruf. Das wichtigste ist, bei Ihnen ein Bewusstsein zu schaffen, und das kann man oft auch in kurzen Gesprächen.

Ich glaube ja, ich habe einfach zu viel Stress.

Kleinhenz: Da können wir sicher Denkanstöße oder Konzepte mit auf den Weg geben, oder Entspannungstechniken vorstellen.

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Was machen Sie denn konkret mit mir während einer Kur? Massagen sind toll, aber wohl kein Patentrezept.

Kleinhenz: Das stimmt. Ich ermuntere Sie, die Zeit zu nutzen. Natürlich zu Wellness, das gehört dazu. Aber auch zu körperlicher Aktivität. Dazu, die Gegend zu erkunden, sich auf andere Gedanken zu bringen. Ich denke, die Grundvoraussetzung ist, in einer anderen Umgebung zu sein, wo man sich wohl fühlt. In der Natur Spaziergänge zu machen oder Fahrrad zu fahren. Abhängig von den Problemen und dem Körperbefinden kann man darüber hinaus dann physikalische Therapien verordnen.

Eigentlich sollte ja der Urlaub prädestiniert dafür sein, die Akkus wieder aufzuladen. Doch der Alltag lässt sich mit Telefon, Mail und Facebook einfach nicht abschütteln. Muss ich mein Telefon wirklich ausgeschaltet lassen, um mich zu erholen?

Kleinhenz: Das ist sicherlich eine Grundvoraussetzung, um auch wirklich runter zu fahren. Auch bei den Firmen findet diesbezüglich ein Umdenken statt, das ist zumindest mein Eindruck. Die Unternehmen versuchen immer mehr, ihre Mitarbeiter zu schützen. Das Telefon und die Erreichbarkeit sind es natürlich nicht allein, aber ich halte das schon für einen wesentlichen Punkt. Ein Telefon bedeutet immer auch unterschwelligen Stress. Ich merke das auch bei mir.

Wir können gerne auch über Ihre Probleme reden.

Kleinhenz: (Lacht) Wenn das Telefon eingeschaltet ist, muss man eben auch damit rechnen, dass es klingelt. Dafür ist es da und das ist wichtig. Aber es ist ein Stressfaktor, den darf man gerade im Urlaub nicht unterstützen. Ich versuche natürlich selbst das umzusetzen, was ich den Patienten rate. Ich weiß allerdings auch, wie schwer es ist, raus aus dem Hamsterrad zu kommen. Deswegen kann es eben auch sehr gut tun, sich bewusst in eine andere Umgebung, in eine Kur, zu begeben.

Das ist ja leider nicht immer möglich. Was kann ich denn zu Hause tun?

Kleinhenz: Man muss selbst ein Bewusstsein für die Situation entwickeln: Was belastet mich? Was stresst mich? Was macht mich dann doch körperlich krank? Dann kann man das gezielt angehen. Oft ist es so, dass auch gewisse Lebensstiländerungen notwendig sind. Ein gutes Verhältnis von körperlicher Aktivität und Ruhe und Entspannung ist ein Beispiel. Ausreichender Schlaf ist wichtig. Aber auch die Ernährung. Das muss man alles, wie die erlernten Entspannungstechniken, mit in den Alltag nehmen.