Essen. Das Münsterland gilt als Pferderegion schlechthin, 80.000 Vierbeiner tummeln sich auf den Weiden und in den Ställen. Ende April wurde eine neue Reitroute fertiggestellt, die auf rund 1000 Kilometern durch das Münsterland führt - vorbei an Denkmälern, Schlössern und alten Gutshöfen.

Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde – vor allem, wenn man nicht herunterfällt. Zu verdanken habe ich das Reittrainerin Angelika Uekötter, die mich auf dem Islandschimmel Biallas kilometerweit geduldig am Gängelband führt. Nun, nachdem der mehrstündige Ausritt entlang eines Teilstücks der neuen Münsterland-Reitroute beendet ist, macht sich tatsächlich wohliges Empfinden breit. Man ist verschwitzt und staubig, die Hände sind vom vielen Pferdchenklopfen schmutzig und an den Innenseiten der Oberschenkel knarzen die zu kurz geratenen Sehnen. Aber – man hat was geschafft. Und kaum bin ich sie los, vermisse ich meine kleine Stute auch schon.

Für den Münsterlander ist sowas normal. Das Münsterland ist eine Pferderegion, um nicht zu sagen DIE Pferderegion Deutschlands. Auf den Weiden und in den Ställen tummeln sich 80.000 Vierbeiner, knapp 60.000 Pferdesportler gibt es: Unzählige Freizeitreiter, Profis, Pferdebesitzer zieht ein einmaliges Angebot an Betrieben, Zucht- und Ausbildungsstätten und Wettkämpfen in die Region.

Mit Pferden groß geworden

Wer hier reitet, ist in der Regel bereits mit Pferden groß geworden, wie Marion Pleie, die auf einem Hof aufgewachsen ist und eine versierte Turnierreiterin ist. Pleie ist für den Tourismusverband Münsterland e.V. mitverantwortlich für die neue Reitroute, deren letzter Abschnitt Ende April fertig gestellt wurde und die auf 1000 Kilometern die Kreise Borken, Warendorf, Steinfurt, Recklinghausen und die Stadt Münster miteinander verbindet, die durch Park- und Kulturlandschaften, Wälder und Naturschutzgebiete führt, vorbei an Schlössern, Herrenhäusern, Denkmalen und altehrwürdigen Münsterländer Höfen, deren Besitzer und Bewohner allesamt eines eint: die Liebe zum Pferd. Die ausgeschilderten Wege führen über hufschonende Naturwege, 150 Anlein-Balken laden Ross und Reiter ein, Rast einzulegen, unzählige Stationen und Ställe gibt es zum Verpflegen und Übernachten.

„Tölten“ können nur die Isländer

Ein kleines Stück davon gilt es zu testen. Wir starten auf dem Islandpferdehof Vertherland in Münster-Handorf, den Angelika Uekötter gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. Die studierte Biologin hat ihr Hobby zum Beruf gemacht und unterrichtet Anfänger und „Ängstliche“ oder auch erwachsene Einsteigerinnen. Ich bin von allem etwas, und angesichts der vielen versierten Reiterinnen in der Gruppe, bin ich geradezu dankbar, dass Angelika Uekötter auf Aragorn mich mit Biallas an die Leine nimmt.

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Die Islandpferde Glodis, Hjurvar oder Saga jedenfalls scharren mit den Hufen und prusten. Sie scheinen große Lust auf den Ausflug zu haben, und kaum sitzt man im Sattel, da geht es auch schon los, in Richtung der Rieselfelder von Münster, die ein bedeutendes Vogelschutzgebiet darstellen.

Von dem ich aber nicht wirklich viel sehe. Biallas ist ein liebes Pferd, und doch klebt mein Blick an ihrer Mähne. Meine Reitlehrerin ist die Ruhe selbst, auch als mein Pferd stolpert: „Keine hektischen Bewegungen. Isis – also Isländer – sind wirklich super Pferde, cool, gelassen und haben immer Lust freudig voranzugehen. Auch wenn sie sich mal erschrecken, gehen sie längst nicht so schnell durch wie andere Pferde“, sagt sie und erzählt, das Islandpferde quasi aus einem bunten Genpool von Wikingern geraubter Pferde wie Araber, Shetländer oder Fjordpferde entstanden sind, dass sie genügsam, unempfindlich und freundlich gezüchtet wurden. Und ich lerne, derweil wir gemütlich entlang des Ems-Kanals und an wunderschönen Naturwiesen vorbeireiten, dass nur Isis „tölten“. Der Tölt ist eine vierte Pferde-Gangart, eine Art schneller Schritt, der ein enormes Tempo aufnehmen kann. Toll.

Stimme sollte möglichst tief und ruhig sein

Wir bleiben beim Schritt. Ist auch so schon spannend genug. Ich lerne, dass mein Pferd tatsächlich darauf reagiert, wie man die Zügel führt, dass „Schschsch“ nicht zur Beruhigung dient, sondern antreibt, dass die Stimme möglichst tief und ruhig sein soll und dass manche Pferde nicht gerne hinter manchen Pferden bleiben wollen. Während der Rast mitten im Feld schaffe ich es sogar, mich mit Biallas, die lieber den frischen Rasen mähen will, fotografieren zu lassen, auch wenn sie mich danach unwirsch in den Arm zwickt, weil ich kein Leckerchen mehr in der Tasche habe.

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Reiten ist wirklich schön. Aber nach rund 15 Kilometern steige ich an einem historischen Gutshof ab – und aus. Die Gruppe brennt darauf, das Tempo anzuziehen, zu „tölten“, und da sich alle nach der schwächsten Reiterin zu richten haben, will ich kein Bremsklotz sein. Aber ich überlege ernsthaft, ob ich nicht Reitstunden nehmen soll...