Riva del Garda. Wer den Ort Riva del Garda am Gardasee besucht, kommt um einen Trip zur Kapelle Santa Barbara auf dem Roccheta nicht herum. Denn die Bastion auf dem 1620 Meter hohen Berg, die eine Hinterlassenschaft der Venezianer aus dem 16. Jahrhundert ist, bietet eine malerische Aussicht.
Es stehen zwei Monde am Himmel. So scheint es jedenfalls. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass einer der beiden Himmelskörper in Wahrheit ein funkelndes Juwel in den Bergen ist. Die Kapelle Santa Barbara hängt hoch oben zwischen den schroffen Felsen, die den Gardasee an seinem nördlichen Ende begrenzen. Als wir – nach Jakobsmuscheln, Hummer-Spaghetti und Rinderfilet – mit prall gefüllten Bäuchen auf der Terrasse des Lido Palace Hotels in Riva del Garda sitzen, reift in uns ein Entschluss: Wir wollen den 1620 Meter aufragenden Roccheta bezwingen, wenigstens bis zur Kapelle.
Bis zur Bastion, die eine malerische Hinterlassenschaft der Venezianer aus dem 16. Jahrhundert ist, führt eine schattige Straße, umhüllt von duftendem Yasmin. Dann steigt der Weg plötzlich steil an, wir klettern über Geröll und Felsbrocken, erklimmen mit Holz befestigte Stufen, während vor unseren Füßen Eidechsen über das grelle Weiß des Kalkgesteins huschen. Die Sonne brennt inzwischen unbarmherzig. Schon nach dem Frühstück waren die ersten Zweifel aufgekommen, der Entschluss vom Vorabend ins Wanken geraten. Santa Barbara schwebt hoch über unseren Köpfen, unweit einiger Wasserleitungen, die fast senkrecht die Voralpen hinaufzuführen scheinen. Die Kapelle wurde in den 30er Jahren zu Ehren der Schutzpatronin der Bergleute errichtet, nachdem beim Verlegen der Rohre „nur“ sieben Arbeiter ihr Leben verloren hatten.
Unscheinbare Rundbögen eines winzigen Gotteshauses
Auf drei Kilometern müssen wir 700 Höhenmeter überwinden. Wenn sich Lücken zwischen den Steineichen und Akazien auftun, eröffnet sich ein fantastischer Blick auf den einladend glitzernden See, seine weiß geränderten Buchten und die roten Ziegeldächer der herrschaftlichen Häuser von Riva. Eigentlich könnte man hier umkehren, doch das Macho-Gehabe der Einheimischen weckt den Ehrgeiz: Angeblich nur eine Stunde brauchen die Italiener hier hinauf.
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Bei uns dauert es fast zwei. Nassgeschwitzt und keuchend starren wir die unscheinbaren Rundbögen des winzigen Gotteshauses an. Zu unseren Füßen liegt ein gewaltiges Panorama. Der Blick schweift über das gesamte Tal mit seinen grünen Weinbergen und Olivenhainen und den ins Unendliche laufenden See. Die Olivenbäume haben die Römer vor 2000 Jahren hergebracht, in der Neustadt wurden beim Bau einer Tiefgarage gerade erst die Überreste einer antiken Therme gefunden. Mittlerweile kommt eines der besten Olivenöle des Landes aus der Region. Die übrigen Pflanzen, darunter auch die zahlreichen Zypressen, wurden erst um das Jahr 1870 gepflanzt, als der Tourismus in Riva del Garda begann. Damals wollte man den Besuchern mit der immergrünen Vegetation eine mediterrane Version der Region Trentino vermitteln. Schon Heinrich Heine, die Brüder Mann, Nietzsche und sogar Kaiserin Sisi und ihr Franz ließen sich so anlocken.
Hotels aus der Jahrhundertwende
Die meisten Gebäude in Riva, die in freundlichem Blau, Gelb oder Rosé um die alte Wasserburg angeordnet sind, stammen aus dem 18. Jahrhundert. Von den Venezianern, die nur etwa 50 Jahre in dem 16.000-Einwohner-Städtchen regierten, ist nur ein Verwaltungsgebäude geblieben. Eines der altehrwürdigen Hotels aus der Zeit der Habsburger ist das Lido Palace, das 1899 erstmals seine Türen öffnete und seit einer umfassenden Sanierung als Fünf-Sterne-Plus-Haus mit einem Mix aus altem Grand-Hotel und modernem Design, Gold-Anwendungen im Spa und Gourmet-Küche ebenso amerikanische Milliardäre wie die Fußball-Mannschaft von Bayern München verwöhnt.
Kurz nach uns erreicht ein sportliches Paar aus der Eifel die kleine weiße Kapelle am Berg. Sie tragen atmungsaktive Kleidung, um die Hüften Wasserflaschen und an den Füßen dicke Wanderschuhe. Für Aktivurlauber bietet das Trentino ein breites Angebot: Die Ponale, die schönste Mountainbike-Strecke der Welt, führt vom Gardasee zum Ledrotal. Im vergangenen Jahr hat Riva beachtliche 265 Segelregatta-Tage gezählt und der Nachbarort Torbole zählt zu einem der zehn bekanntesten Windsurfzentren der Welt. Doch auch der Wanderweg hinauf zu Santa Barbara hat seine Liebhaber gefunden: Das Paar aus der Eifel ist schon das vierte Mal hier oben – heute haben sie mit einer Stunde und zehn Minuten ihren persönlichen Rekord aufgestellt. „In jedem Urlaub müssen wir einmal hier hoch“, erzählt die Frau. „Und immer wieder ist die Aussicht atemberaubend.“