Arosa. Bei Touristen ist der Ort Arosa vor allem für Pistenspaß im Winter bekannt. Aber auch im Sommer hat das ehemalige Walserdorf einiges zu bieten - zum Beispiel den höchstgelegenen Golfplatz Europas oder die Gondelbahn hoch aufs Weisshorn mit Blick auf etliche Bergriesen.
Arosa gehört zu den bekanntesten Tourismusorten Graubündens. Aber viele denken bei dem ehemaligen Walserdorf vor allem an Pistenspaß im Winter. Das ist auch kein Wunder, jahrzehntelang war es hauptsächlich ein Ziel für die schneereichen Monate - und auf Schnee ist in Arosa Verlass.
Aber es hat auch im Sommer einiges zu bieten: den Golfplatz mit einer der spektakulärsten Aussichten Graubündens, die Gondelbahn hoch aufs Weisshorn mit Blick auf etliche Bergriesen, zahllose Wanderwege, an denen Blumen blühen und Eichhörnchen durchs Gebüsch springen.
Anreise mit der Rhätischen Bahn
Schon die Anreise mit der Rhätischen Bahn ist ein Erlebnis. Die Lokomotive mit den roten Waggons startet auf Gleis zwei am Bahnhof von Chur, der Hauptstadt des Kantons. Bis Arosa sind es nicht einmal 30 Kilometer. Aber es geht fast permanent bergauf - über 1000 Höhenmeter. Die Fahrt dauert eine Stunde. Mit dem Auto ist man 15 Minuten schneller, aber man fährt durch so viel Kurven, wie das Jahr Tage hat. Und für größere Busse wird es ganz schwierig.
Die Zugpassagiere haben also viel Zeit, sich mit der Schweizer Alpenlandschaft vertraut zu machen: grüne Hänge, Fichten, Buchen und Birken gruppieren sich zu Wäldchen entlang der Strecke. Die Bahnhofshäuschen sind aus dunklem Holz wie aus der Zeit, als Heidi und Peter noch Ziegen hüteten. Hier ein Wasserfall, da eine Schlucht, durch die ein Bergbach rauscht. Ein Bauer wendet Heu mit einem Rechen, am Horizont sieht man die ersten schneebedeckten Berggipfel, von denen Arosa umgeben ist. Immer wieder legt sich der Zug in die Kurve, manchmal quietscht er ausdauernd.
Heilsamen Hochgebirgsklima
Ganz ruckelfrei fährt er selten, regelmäßig geht es durch Tunnel, und die Fahrgäste sitzen plötzlich im Dunkeln. Aber trotzdem gibt es keine bessere Alternative, sich durch Graubünden zu bewegen als die Rhätische Bahn, gerade auf dem Weg nach Arosa. In diesem Jahr steht ein doppeltes Jubiläum an: Die Rhätische Bahn selbst wird 125 Jahre alt, die Strecke Chur - Arosa genau ein Jahrhundert.
Als sie gebaut wurde, war das ein Kraftakt, aber mit enormen Folgen. Für manches Bergdorf brachte die Bahn den Anschluss an die Zivilisation, in andere spülte sie die Touristen. Nach Arosa kamen die Gäste zunächst vor allem wegen des heilsamen Hochgebirgsklimas: Das Dorf hatte - wie Davos - einen guten Ruf für seine Sanatorien, in denen Tuberkulosepatienten behandelt wurden.
Urdenbahn samt Designerkabinen mit großen Sichtfenstern
Die Zeiten sind vorbei. Heute gehört Arosa zu den Alpine Pearls, einem Verbund von Tourismusorten in den Alpen, die auf sanfte Mobilität setzen und die beispielsweise gut per Bahn zu erreichen sind. Arosa ist überschaubar, die Wege sind kurz, vom Rathaus bis zum Bergkirchlein sind es nur wenige Minuten. Autofrei ist der Ort aber nicht. Dafür ist der Bahnhof zentral gelegen - direkt neben dem Obersee, an dessen Promenade sich Bänke reihen und auf dem Touristen mit dem Ruderboot hin- und herfahren. Und direkt neben der Station der Weisshornbahn.
Seit Mitte Januar ist außerdem die neue Urdenbahn samt Designerkabinen mit großen Sichtfenstern in Betrieb, die die beiden Skigebiete Arosa und Lenzerheide verbindet. Dadurch ist das größte Skigebiet Graubündens entstanden. Die Verantwortlichen bejubelten das als "Jahrhundertprojekt" mit dem Slogan "Die Schweiz hat ein neues Traumpaar". Die Wintersaison dauert von Dezember bis Ostern. Danach ist tote Hose. Die Sommersaison beginnt spät, exakt mit dem kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni. Anfang Juni liegt in dem Bergdorf auf fast 1800 Metern Höhe oft noch Schnee. Vergangenes Jahr gab es um die Zeit sogar noch eine Lawinensprengung.
Wandern ist traditionell eine der Hauptaktivitäten
Aber bald danach blüht es kräftig - Klee und Löwenzahn zum Beispiel schon auf dem Weg durchs Dorf, als Vroni mit ihrer Wandergruppe zu einer Halbtagestour aufbricht. Wandern ist traditionell eine der Hauptaktivitäten der Sommergäste, und Gelegenheit dazu gibt es mehr als genug.
Arosa ist von einem Netz von Wanderwegen jeder Schwierigkeitsstufe umgeben von leicht bis richtig heftig. Die schweren Touren führen rauf bis aufs Weisshorn in fast 2700 Metern Höhe. Aber das sollten sich ungeübte Wanderer besser zweimal überlegen.
Etliche Häuser der gehobenen Hotellerie
Schon in Arosa selbst sind manche Wege steil. Wer nicht im Training ist, merkt den erhöhten Pulsschlag schon, bevor der Dorfrand erreicht ist. Vom etwas höher gelegenen Teil Arosas lässt sich fast der ganze Ort gut überblicken. Der Untere See erscheint als unscheinbarer dunkelblau-grüner Kreis. "Man kann darin auch baden", erzählt Vroni. "So Mitte Juni hat's 18 Grad."
Über der Straße wehen Fahnen, neben dem Wappen von Graubünden auch das von Arosa: eine leuchtende Sonne über der Doppelspitze des Erzhorns unweit des Ortes. Nicht zu übersehen sind die zahlreichen Ferienhäuser: Die gesamte Gemeinde Arosa hat etwas mehr als 3300 Einwohner. Und deutlich mehr Betten. Etliche Häuser der gehobenen Hotellerie gibt es auch.
Vroni lotst die Gruppe auf den Eichhörnliweg, der zwischen dichtem Tannenwald hindurch Richtung Bergwelt führt, ohne allzu große Anforderungen an die Kondition zu stellen. Am Wegesrand blühen Butterblumen und Löwenzahn. Und hier und da auch Enzian. "Der blaue, nicht der, aus dem Schnaps gemacht wird", sagt Vroni.
Höchstgelegener Golfplatz Europas
Von den Touristen ist aber kaum noch etwas zu merken, sobald der Eichhörnliweg erreicht ist. Und dass der Weg seinen Namen zu Recht trägt, ist bald zu sehen: Eichhörnchen tummeln sich hier etliche. Eins hat sich aufgerichtet und guckt neugierig zu den Wanderern rüber, ein anderes lässt hinter einem Baumstamm versteckt nur den Kopf sehen, und nur ein Stück weiter springen gleich zwei durch den Wald. "Die roten sind die einheimischen, die grauen stammen eigentlich aus Nordamerika", sagt Vroni. "Murmeltiere haben wir hier auch, man hört sie oft, aber man sieht sie selten."
Auch von dem Bach ist lange nichts zu sehen, den man schon von weitem rauschen hört. Und als man ihn erreicht hat, stürzt er sich sogar effektvoll in einem kleinen Wasserfall bergab. Rauschende Bäche gibt es am Eichhörnliweg gleich mehrfach. Und außerdem einen 18-Loch-Golfplatz, der als der höchstgelegene Europas gilt und einen ungewöhnlichen Blick auf das Bergpanorama rund um Arosa zu bieten hat.
Der Nebel, der morgens über Arosa lag, hat sich längst gelichtet. Rothorn, Erzhorn und Weisshorn sind nun allesamt zu sehen - und auch ein kleines Walserdorf, das zumindest im Sommer noch bewohnt wird. "Da hinten, da ist irgendwo Davos", sagt Vroni und zeigt Richtung Osten. Aber so weit wollen die Wanderer gar nicht. Ihr Ziel ist erst das Dorf Maran und dann die Mittelstation auf 2013 Metern Höhe.
Mit der Gondelbahn aufs Weishorn
Für eine Pause ist die Mittelstation geradezu ideal: Wer schon schwächelt, weil er ungewohnt viele Kalorien verbraucht hat, kann sich im Restaurant stärken. Wer nur Sonne tanken will, legt sich in die Liegestühle auf der Terrasse. Und danach kann jeder selbst entscheiden, ob er den Abstieg zu Fuß angehen will oder mit der Bahn runterfährt. Fürs Wandern spricht die Aussicht, Arosas Berglandschaft noch etwas intensiver zu erleben. Und das lohnt sich.
Wer in Arosa ganz hoch hinaus will, nimmt die Gondelbahn aufs Weisshorn, dem 2653 Meter hohen Gipfel, der das Dorf überragt. Die Kabine schwebt ziemlich ruhig nach oben und schwankt erst, als der Stopp an der Mittelstation, an der die Passagiere umsteigen müssen, unmittelbar bevorsteht.
Der Ausblick oben auf dem Weisshorn-Plateau ist an diesem frühen Abend eindrucksvoll, aber nicht überragend: Der Himmel, der sich über die Berge spannt, ist grau, die Sicht reicht nicht wie sonst manchmal bis ins Berner Oberland mit seinen Bergberühmtheiten wie Eiger, Mönch und Jungfrau, sondern nur bis zur nächsten Gipfelkette.
Der Blick von hier oben ist schwer zu toppen
Hoch auf das Weisshorn ging es lange Zeit nur zu Fuß. Die Arosa Bergbahnen fahren erst seit 1957 auf den Gipfel - nicht ganz so konditionsstarke Gäste haben es damit deutlich leichter. Damals wurde dort oben auch ein Bergrestaurant gebaut. Dessen Nachfolger hat erst im Juli vor zwei Jahren eröffnet - noch einmal ein echter Kraftakt: Für das Gebäude in Form einer Bergkappe mit Glasfenstern in alle Himmelsrichtungen mussten 1300 Kubikmeter Beton und 65 Tonnen Stahl mit der Bergbahn hoch aufs Plateau gebracht werden. Gut ein Jahr betrug die Bauzeit, elf Millionen Franken kostete das gesamte Bauprojekt, fast neun Millionen Euro.
Zugegeben: Der Blick von hier oben ist schwer zu toppen. Gerade ist die Abendsonne noch einmal hervorgekommen, der Schnee leuchtet auf den Gipfeln, die das Weisshorn umgeben - in fast 2700 Metern Höhe steht man klein und verloren in dieser gigantischen Bergwelt. Und wenn einem zu einsam wird oder auch nur kalt, geht man zurück ins Restaurant, das genau damit rechnet.
Drinnen kann man sich dann ausgiebig verwöhnen lassen, wenn man das Portemonnaie nicht vergessen hat. Als Spezialität des Hauses gilt die Nusstorte. Das Bergrestaurant rühmt sich, die höchstgelegene Bäckerei Europas zu haben. Das alles zusammen ist vielleicht ein bisschen dekadent, aber es schmeckt. Und wer beim Essen durch die riesigen Panoramafenster auf die Bergwelt über Arosa blickt, vergisst sogar, wie unglücklich sich der Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken in den vergangenen Jahren entwickelt hat. (dpa)