Im Skigebiet „Powder Cowboy” geht es auf extrabreiten Skiern durch unberührten Tiefschnee

Das Rückfenster des kleinen Busses, der da vor uns über den Schotterweg ruckelt, ist völlig verdreckt. Irgendjemand hat mit dem Finger ein paar Buchstaben auf die Scheibe gemalt. „Powder Cowgirls on vertical tour.” Das klingt wie ein Filmtitel. Und kurz darauf, als wir den Wagen überholen, haben wir tatsächlich den Eindruck, schon die ersten Szenen des Streifens zu erleben. Wir sehen eine ganze Ladung ausgelassener Mädchen, die wild auf ihren Sitzen hüpfen und uns mit fröhlichen Fingerzeichen begrüßen. Willkommen, soll das wohl heißen, willkommen in den kanadischen Rockies. Freut euch auf eine super Zeit.

Mit der Snowcat - der
Mit der Snowcat - der "Schneekatze" - geht es 'rauf auf den Berg. © MSG

Mit unserem Fahrer, Kanada-Experte Bap Koller, sind wir auf dem Weg nach Powder Cowboy, einer Ranch, die eigens für Skifreaks gebaut wurde. Dorthin fahren auch unsere Cowgirls, die offenbar schon vom Skifahren kommen und am Ende ihres Tages den Glückshormonen freien Lauf lassen müssen. Sie freuen sich über den blauen Himmel, die trockenen Pulverpisten und die Schneeraupe, die sie immer wieder auf die Gipfel der Kootenay Rockies getragen hat. Dort oben im tiefen Schnee, das erfahren wir einen Tag später, müssen sie sogar laut gejuchzt haben. Das gehört zum Pflichtprogramm während man auf fetten Brettern bergab surft.

Doch soweit sind wir noch lange nicht. Erst einmal müssen wir das restliche Stück der 16 Kilometer langen Schotterpiste bewältigen, die vom Highway zur Ranch führt. Vor uns liegen noch einige Schlaglöcher bis Powder Cowboy, unserem Basislager, das aus sechs kleinen Blockhütten mit jeweils vier Betten und einem großen Haupthaus mit Sauna und zwei Outdoor-Whirlpools besteht. Hier checken wir ein, und hier stellen wir unsere europäischen Carving-Bretter in die Ecke, weil wir eine spezielle Skiausrüstung bekommen, die optimal ist für den unberührten Tiefschnee abseits der Lifte.

Im Keller finden wir eine halbe Armada breiter Fat-Skis, die offenbar nur darauf warten, im Gelände bewegt zu werden. Ein Anblick, der die Vorfreude noch einmal steigert. Wie wird es sein? Was erwartet uns? Christa Moffat, die für Powder Cowboy als Managerin arbeitet, antwortet mit einem Vergleich: „Catskiing ist genau so schön wie Heliskiing, aber es ist preiswerter und es geht gemütlicher zu.” Das bringt die Sache ziemlich auf den Punkt, wie wir bald bestätigen können. Denn die Schneekatzen von Powder Cowboy sind natürlich keine Helikopter, sondern eher Pistenraupenwohnmobile, die nur ganz gemächlich die Steilhänge erklimmen und pro Fahrt eine gute Viertelstunde brauchen.

Aber das ist sehr angenehm. Denn die Zeit, die wir hinten, in der mächtigen Kabine im Rücken des Fahrerhäuschens, verbringen, ist kurzweilig. Das liegt natürlich auch an Christa, die uns mit Wasser, Apfelsaft, Früchten, Möhren, Schokolade, Plätzchen und interessanten Informationen versorgt. Sie sagt, dass Powder Cowboy groß genug ist, um 24 Gäste aufnehmen und bewirten zu können.

Sie spricht über ein Skigebiet, das 2000 Quadratkilometer umfasst, und sie schwärmt davon, dass eigentlich bei jedem Wetter gefahren werden könne, weil die Baumhänge immer eine gute Sicht garantieren. Der Blick durch die Panoramafenster auf unberührte Hänge, auf Nadelwälder und Bergmassive, vor allem aber die Aussicht auf die Genussabfahrten, die gleich kommen sollen, sorgen zunehmend für eine fiebrige Unruhe.

INFO

Powder Cowboy

Lage: Powder Cowboy liegt in den südlichen kanadischen Rockies in der Provinz British Columbia, rund 400 Kilometer südwestlich von Calgary. British Columbia ist die erste Provinz Kanadas, die ihren Besuchern Catskiing bietet. Angeboten wird Catskiing zumeist im Zusammenhang mit Aufenthalten in komfortablen bis luxuriösen Lodges, die als Basisstation für die täglichen Skiausflüge bzw. Snowboardausflüge dienen.

Veranstalter: Skisafaris (nach Wunsch mit ein- oder mehrtägigen Catskiing- und/oder Heliskiing-Ausflügen) bietet: Outdoor-Adventures in Bodenmais, 09924/90 24 30 www.outdoor-adventures.net

Kontakt: Canadian Tourism Commission, 0211/82 85 53 66, www.canada.travel

Aber nicht lange. Denn Jamie, unser Guide, entpuppt sich erst einmal als Partykiller. Oben am Gipfel, nach der ersten Bergauffahrt, erklärt er unmissverständlich, dass niemand ohne „ein ausreichendes Lawinentraining” auf die Skier darf. Also hören wir genau zu und arbeiten mit. Wir lernen mit einer langen Stange zu suchen, blitzschnell Schnee zu schaufeln und einen „Piepser” zu bedienen, der Signale aussenden und empfangen kann. Es dauert eine gute halbe Stunde, bis wir den Notfall geübt haben. „Aber keine Sorge,” beruhigt uns Jamie am Ende des Unterrichts. „Ein Unglück hat's in Powder Cowboy noch nicht gegeben.” Das ist gut zu wissen.

Schließlich sehen die Schneehänge hier im Südosten von British Columbia so aus, als seien sie für Übermut wie geschaffen. Besonders heute, im gleißenden Sonnenlicht. Bap Koller ist begeistert. Er ist nicht nur unser Fahrer, er ist auch Skilehrer und Reiseanbieter, der für kleine Skigruppen massgeschneiderte Pakete schnürt. Er holt seine Filmkamera aus dem Rucksack, um später dokumentieren zu können, wie schön es hier in diesem ungespurten Gelände ist.

Schon während der Tour mit der Raupe, die täglich bis zu 14 Aufstiege schafft, hat er uns sein Mantra eingehämmert: Mit den Fat Skis, sagt der Bayer aus Bodenmais, kann jeder Tiefschneefahren lernen, der einen Parallelschwung sauber auf die Piste bringt.

Du musst über die Spitzen hinaus gucken, den Rhythmus halten, und du darfst nicht hinten absitzen.” Und noch etwas: „Konzentriere dich auf die Lücken, nicht auf die Bäume.” Dieser letzte ist vielleicht sogar der wichtigste Tipp. Denn wir gleiten zwar über offene Hänge, vor allem aber durch Wälder mit Bäumen, die oft genug extrem dicht beieinanderstehen. Das ist auch der Grund, warum man hier juchzen soll. So geht niemand verloren, so weiß die Gruppe, wo man gerade abfährt. Und obendrein lassen sich so sämtliche Adrenalinschübe ventilieren. Japaadaapadu...

Am Ende des Tages, exakt zehn Abfahrten und rund 3600 gefahrene Höhenmeter später, lächelt nicht nur Bap Koller. Die Sonne steht tief. Wir sitzen im Schnee. Mit einer Büchse Bier in der Hand sehen wir zu, wie die drei Pistenraupen von Powder Cowboy geparkt werden. Sie haben Feierabend. Auf uns wartet ein kleiner verdreckter Bus.

Die letzte Fahrt des Tages führt zurück zur Ranch. Wir sind glücklich, zufrieden und zu kaputt, um noch auf den Sitzen zu hüpfen. Wären da nicht die Schlaglöcher in der Straße, wir würden uns keinen Millimeter mehr bewegen.