Katowice. Nein, schön ist Katowice nicht. Aber interessant. In dem oberschlesischen Industriegebiet haben die meisten Zechen dichtgemacht und sich in Museen und Galerien verwandelt. Immer mehr Touristen sehen sich in dem Ruhrgebiet Polens um. Rod Steward war auch schon da.

Aus zehn Metern Entfernung sieht der Typ am Tisch in der Ecke des Restaurants genau aus wie Rod Steward. Die schmächtige Figur stimmt und die Frisur auch. Aus der Nähe wirkt er allerdings zerknitterter als der Rocker aus England - vielleicht hat er zu wenig geschlafen. Dabei gilt Katowice nicht gerade als Polens Partyhochburg. Die Großstadt in Oberschlesien hat eher einen Ruf als Industriemoloch und ist mehr Duisburg als Hamburg.

Und so eine Art Ruhrgebiet war Oberschlesien im Süden Polens lange Zeit ja auch: Bergbau gab es hier schon ab 1750, Zeche um Zeche kam hinzu. Katowice war lange Zeit der Inbegriff der industriellen Moderne. Kumpel und Stahlwerker blieben auch in sozialistischen Zeiten eine große Nummer. Aber seit dem Ende des Kalten Krieges stehen die Zeichen auf Strukturwandel. Um 1990 gab es hier noch 4 Stahlhütten und 15 Bergwerke. Heute sind nur noch 3 Bergwerke übrig.

Welcome to the jungle

Aus vielen ehemaligen Zechen sind inzwischen Touristenattraktionen geworden. In der Grube Wieczorek zum Beispiel ist eine Galerie untergekommen. An einer der Wände hängt ein Lenin-Bild: Der Revolutionär trägt eine leicht verrutschte rote Mütze. Ein bunter Torso mit roten Haaren und roter Zunge steigt davor auf eine Leiter. "WELCOME TO THE JUNGLE" hat der Künstler dazu geschrieben - willkommen in Katowice.

Die ursprünglich deutsche Kohlengrube kam in den 1920er Jahren in amerikanischen Hände und hieß damals Szyb Wilson - und so heißt die Galerie heute wieder. "Es gibt hier auch Modeschauen und Gala-Dinner und jedes Jahr ein Festival für naive Kunst", sagt Krystian Gryglaszewski vom Convention Bureau der Stadt.

Neuer Boom

Was die Galeria Szyb Wilson im Kleinen ist, das ist Nikiszowiec im Großen. Die ehemalige Bergarbeitersiedlung im Südosten von Katowice steht unter Denkmalschutz. Bergleute sind hier heute die Ausnahme, umso mehr Touristen bummeln durch die Straßen. Nikiszowiec, 1908 gegründet, hieß damals Nikischschacht und war die größte Bergarbeitersiedlung der Region, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Deutschland gehörte. Die Entwürfe stammten von zwei Architekten aus Berlin. "Es war eine Art kleine Stadt für sich mit eigenem Marktplatz und eigener Kirche", erzählt Gryglaszewski.

Gebaut wird in Katowice seit kurzem wieder wie zu den alten Boomzeiten - nur keine Bergbausiedlungen mehr. Ein Neubau ist das Schlesische Museum auf dem Gelände einer früheren Steinkohlengrube: Das Museumsgebäude bietet 6000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und widmet sich unter anderem der Geschichte der Industrialisierung der Region. Die Eröffnung war für 2013 geplant, hat sich aber verschoben, voraussichtlich auf die zweite Hälfte dieses Jahres.

Über 110 Jahre altes Hotel

Natürlich verwandeln sich auch in Katowice alte Industriegelände nicht nur in Galerien oder Museen: Auf dem Gelände des früheren Steinkohlebergwerks Gottwald an der Ulica Chorzowska zum Beispiel geht es ums Geld: Teile der früheren Zechengebäude sind zwar stehengeblieben, aber der Rest ist neu: Das Silesia City Centre (SCC) ist ein riesiges Einkaufszentrum samt Restaurants, Kinos, rund 300 Geschäften und 3000 Parkplätzen. Jährlich kommen 15 Millionen Kunden.

"2012 wurde außerdem der Bahnhof renoviert", erzählt Krystian Gryglaszewski, "ebenfalls mit einem großem Einkaufszentrum und einem Busbahnhof. Rund 250 Millionen Euro sind dafür investiert worden." Nicht weit vom schicken neuen Bahnhof entfernt steht in der Ulica Dworcowa das "Hotel Monopol". Das mehr als 110 Jahre alte Fünf-Sterne-Haus hat seit langem den Ruf, das erste Haus am Platz zu sein. Anfang des 20. Jahrhunderts war es das bekannteste Hotel Oberschlesiens.

Heute checken hier Manager und Geschäftsleute ein und die Promis, die nach Katowice kommen. Englische Fußballer zum Beispiel oder Rockstars. Thomas Anders war erst kürzlich da. Und ja, stimmt, erzählt einer der Gäste abends an der Bar: Rod Steward auch. Der hatte ein Konzert in der Nähe, ist danach ins Hotel gekommen und ziemlich früh schlafen gegangen. (dpa)