Nach ersten Angaben gilt ein Triebwerksausfall als mögliche Ursache für den Absturz von Madrid. Doch Triebwerksausfälle sind äußerst selten. Und wenn sie auftreten, führen sie nicht zwangsläufig zum Absturz.

Nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs am Mittwoch in Madrid, bei dem nach letzten Angaben voraussichtlich 153 Menschen getötet und 19 verletzt wurden, beginnt die Suche nach den Ursachen. Noch bevor erste Erkenntnisse vorliegen, kocht die Gerüchteküche bereits auf Hochtouren: das Flugzeug sei völlig überaltert - und der Flugzeugtyp, eine McDonnell Douglas MD-82, gelte ohnehin als besonders pannenanfällig.

Die MD-80: Arbeitspferd der Lüfte

Daten und Zahlen

Die McDonnell Douglas MD-80 ist ein zweistrahliges Kurz- und Mittelstreckenflugzeug des US-amerikanischen Herstellers McDonnell Douglas.

Sie ist eine verlängerte, weiterentwickelte Version der DC-9. Zwischen 1979 und 1999 wurden fast 1200 Exemplare gebaut. Konkurrenzprodukte waren damals die Boeing 737 und der Airbus A320. 1993 kam das Nachfolgemodell MD-90 heraus, welches nicht an die Erfolge der MD-80 anknüpfen konnte.

Entwickelt wurde die MD-80 als weitere Verlängerung der DC-9 unter dem Namen DC-9-80. Gegen Ende der Produktion, nach der Übernahme von McDonnell Douglas durch Boeing, wurde die Maschine als Boeing MD-80 vermarktet.

Die ursprüngliche Bezeichnung McDonnell Douglas MD-80 ist jedoch geläufiger.Es gibt fünf Versionen der MD-80, die sich vor allem durch ihre Triebwerke, Reichweite und Länge voneinander unterscheiden (MD-81,82,83,87,88).

Die MD-82 ist mit Pratt & Whitney JT8D-217 oder -219–Triebwerken ausgestalltet, 45 Meter lang und für bis zu 172 Passagiere zugelassen.

Fest steht - die Unglücksmaschine mit der Registriernummer EC-HFP (Bilder hier>) war lediglich 15 Jahre alt. Im November 1993 wurde sie zunächst an die Korean Air ausgeliefert, im Juli 1999 an die Spanair verkauft. Damit war das Flugzeug jünger als - zum Beispiel - die meisten Boeing 737, die jetzt noch täglich für die Lufthansa im Einsatz sind.

Davon abgesehen, dass nach einhelliger Meinung aller Luftfahrtexperten das Alter eines Flugzeuges bei entsprechender Wartung keinerlei Einfluss auf dessen Zuverlässigkeit hat, gelten die Flugzeuge der MD-80-Serie als ausgesprochen sichere Maschinen.

Während in Europa nur noch vergleichsweise wenig MD-80 im Einsatz sind - so etwa bei der SAS, die damit gelegentlich auch Düsseldorf anfliegt, Iberia, Alitalia, Spanair und einigen türkischen Gesellschaften -, werden Flugzeuge aus der MD-Familie in den USA nach wie vor als treue Arbeitspferde geschätzt. Allein American Airlines hat derzeit fast noch 300 MD-80 im Einsatz, viele davon sind 20 Jahre alt und älter.

Im April diesen Jahres allerdings mussten in den USA zugelassene MD-80 wegen einer von der US-amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA angeordneten Sicherheitsüberprüfung am Boden bleiben. Grund waren mögliche fehlerhafte Verkabelungen in den Fahrwerksschächten. Ähnliche Anordnungen haben in der Vergangenheit allerdings auch andere Flugzeugmuster betroffen.

Doch auch in den USA werden mehr und mehr MD-80 ausgemustert. Ihre direkten Konkurrenten - die Boeing 737NG (dazu zählen die Baureihen -600, -700, -800 und -900) sowie Flugzeuge der Airbusreihe A318-A321 - fliegen wirtschaftlicher und sind aufgrund ihrer geringeren Lärm- und Abgas-Emissionen weniger umweltschädigend als die MD-80.

Gefährlicher Start?

Der Start gehört zu den kritischen Phasen eines jeden Fluges: Die Arbeitsbelastung für die Piloten ist hier besonders hoch, die Triebwerke laufen kurzfristig mit sehr hoher Leistung, keinesfalls übrigens - wie immer gerne behauptet wird - mit „Vollschub”. Triebwerke sind so gebaut, dass sie enorme Leistungsreserven besitzen und entsprechend schonend geflogen werden können.

Schon deshalb sind Triebwerksausfälle äußerst selten und selbst wenn sie auftreten, stellen sie keine unmittelbare Gefährdung dar. Auch nicht beim Start. Flugzeuge sind so konstruiert - und entsprechend zugelassen -, dass sie selbst beim Ausfall eines Triebwerks am Boden noch sicher abheben und - freilich mit verminderter Steigleistung - problemlos an Höhe gewinnen und fliegen können.

Entscheidend ist hierbei nun, wann genau der Triebwerksausfall auftritt. Piloten berechnen mithilfe von Tabellen und/oder Bordcomputern vor jedem Flug diverse Geschwindigkeiten, die beim und nach dem Start eingehalten werden müssen. Drei wichtige Geschwindigkeitswerte (es gibt noch mehr davon!) werden mit V1, Vr und V2 bezeichnet. Vr etwa bezeichnet etwa jene Geschwindigkeit, bei der die Nase des Flugzeugs angehoben wird, V2 die Geschwindigkeit, mit der das Flugzeug auch nach Ausfall eines Triebwerks bis zu einer bestimmten Höhe sicher weitersteigt.

Die Geschwindigkeiten ändern sich bei jedem Start, sie sind u.a. abhängig von der Beladung und dem Gewicht des Flugzeugs, aber auch vom örtlichen Luftdruck, der Höhe des Flughafens über dem Meer, der Temperatur, Windstärke und -richtung, der Länge der Startbahn und der Stellung der Auftriebshilfen (also der Landeklappen und Vorflügel, die sich an den Hinter- und Vorderkanten der Tragflächen befinden). Selbst ein etwaiger Neigungswinkel der Startbahn, oder das Vorhandensein von Wasser, Schnee oder Eis auf der Piste wird bei diesen komplizierten Berechnungen berücksichtigt.

Ein wichtiger Wert ist die sogenannte „V1” - die „Entscheidungsgeschwindigkeit”, die das Flugzeug beim Rollen am Boden erreicht. Bis zu dieser Geschwindigkeit kann, wenn ein Problem auftritt, der Start abgebrochen, das Flugzeug sicher abgebremst werden. Liegt die Geschwindigkeit aber über V1, dann muss in jedem Fall gestartet werden, auch wenn jetzt ein Triebwerk schlappmacht: Das verbleibende Stück Startbahn würde nämlich nun schlichtweg nicht mehr ausreichen, um die Maschine vor Ende der Piste zum Stillstand zu bringen.

Die Verfahren, die bei einem Triebwerksausfall von den Piloten ausgeführt werden, sind standardisiert und werden in Simulatorchecks immer und immer wieder überprüft und trainiert. So muss der Pilot etwa den plötzlich auftretenden asymmetrischen Schub, der nach dem Wegfall eines Antriebs autritt, durch verstärkten Einsatz des Seitenruders kompensieren.

Vieles übernimmt aber auch in diesem Fall die Automatik: Flugzeuge wie die MD-80 sind so konstruiert, dass alle wichtigen Systeme, die für den Betrieb notwendig sind, und die von den Triebwerken gespeist werden - also etwa Hydraulik, Pneumatik, Elektrik, mindestens doppelt, in einigen Fällen sogar dreifach, vorhanden sind: Fällt ein Triebwerk aus, übernimmt automatisch die „gesunde Seite” die Versorgung aller essentiellen Systeme.

Mit nur zwei Handgriffen wird in der MD-80 zudem das Feuerlöschsystem ausgelöst, das das brennende Triebwerk zusätzlich sofort automatisch abschaltet und von der Treibstoffzufuhr abklemmt.

Der Triebwerksausfall beim Start allein kann also die Katastrophe von Madrid nicht ausgelöst haben. Experten wie der Luftfahrtjournalist und Sachbuchautor Tim van Beveren („Runter kommen sie alle”) weisen immer wieder darauf hin, dass Flugzeugabstürze in der Regel die Folge einer Verkettungen einzelner Phänomene sind, die jedes für sich genommen noch keine fatalen Folgen haben, gemeinsam aber ein Unglück ausl��sen können.

Möglich etwa, dass durch eine Explosion eines Triebwerks andere Systeme - etwa Steuer- oder Ruderflächen - beschädigt wurden, aber das ist Spekulation. Hier bleibt abzuwarten, was die Auswertung der Black Box und des Voice Recorders ergibt.

Fotos der MD-80