Frankfurt/Main. Als hätten die Menschen drauf gewartet: Ein Jahr nach Freigabe hat sich die Zahl der Fernbusse vervielfacht. Die Nachfrage nach Mobilität unterhalb des Preisniveaus der Bahn ist sehr groß. Dabei ist der Konkurrenzkampf unter den Anbietern sehr hart. Schon werden Vermutungen über Lohndumping laut.

Ein Jahr nach der Marktöffnung können die Fernbusunternehmen in Deutschland auf ein starkes Wachstum verweisen. Ein dreifach vergrößertes Reiseangebot und doppelt so viele feste Linien wie ein Jahr zuvor - Kunden insbesondere in den großen und mittleren Städten haben die Wahl für ein neues Verkehrsmittel, das zwar in den meisten Fällen deutlich langsamer ist als die Bahn, aber eben auch preisgünstiger.

5100 innerdeutsche Fernbusfahrten finden mittlerweile pro Woche statt, hat die Berliner Wirtschaftsberatung IGES zusammengezählt. Das sind mehr als drei Mal so viele wie noch im Januar und sie werden von einer Vielzahl konkurrierender Unternehmen angeboten. Zum Jahresbeginn 2013 hatte die Bundesregierung das ursprünglich zum Schutz der Bahnverbindungen eingerichtete Fernbusverbot aufgehoben.

Angebot wächst weiter

Um den noch neuen Kuchen streiten sich neben dem bisherigen Platzhirschen Deutsche Bahn unter anderem das kapitalstarke Duo ADAC/Deutsche Post, der europäische Branchenriese National Express (city2city) sowie Start-Ups wie Flixbus, DeinBus und MeinFernbus. Die Berliner Firma mit den grünen Bussen hat ihr Angebot massiv ausgeweitet und bietet gemeinsam mit ihren mittelständischen Subunternehmern inzwischen mit Abstand die meisten Fahrtenpaare und Fahrplan-Kilometer an.

Nach einem Jahr stürmischen Wachstums könnten bald die ersten Härtetests anstehen. "Nach dem Boom im Weihnachtsgeschäft ist erfahrungsgemäß der Winter die schwächste Reisezeit", sagt Roderick Donker van Heel, Geschäftsführer der National Express Germany GmbH. Nach Meinung des Bundesverkehrsministeriums dürften nach 2014 kaum noch Linien hinzukommen. "Das Wachstum wird an Fahrt verlieren, denn das Netz wächst nicht unendlich", ist auch IGES-Experte Christoph Gipp überzeugt.

Strukturschwache Regionen profitieren erheblich

Wie viele Menschen das neue Angebot bislang schon nutzen, liegt statistisch im Nebel, da die neuen Unternehmen ihre Zahlen zunächst noch nicht an das Statistische Bundesamt weiterleiten mussten. Doch auch bei den alteingesessenen Anbietern war zur Jahreshälfte bereits ein Anstieg der Fahrgastzahlen um 12,5 Prozent registriert worden. Im Vergleich zum Bahnverkehr - allein die DB AG machte 2012 rund vier Milliarden Euro Umsatz im Fernverkehr - sind die Markterwartungen von 300 bis 600 Millionen Euro Jahresumsatz noch bescheiden.

Die pro Buskilometer vom Kunden zu zahlenden Preise stehen der IGES-Analyse zufolge unter Druck: Der Normalpreis pendelt um die 9 Cent nach 11 Cent im Jahr 2012, Lockangebote liegen meist um die 5 Cent. Vom ausgeweiteten Angebot profitieren nicht nur die Metropolen, sagt der Experte Gipp. Vor allem mittelgroße Städte im Süden aber auch strukturschwache Regionen beispielsweise im ländlichen Niedersachsen hätten neue Reisemöglichkeiten bekommen. Auch die Flughäfen sind in das Netz eingebunden: So halten am Leipziger Airport nicht weniger als 14 Fernbuslinien, am Drehkreuz Frankfurt sind es 10.

Sozialdumping bei den Busfahrern?

Wird der harte Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen? Die Vereinigung mobifair sucht im Auftrag der beteiligten Gewerkschaften Verdi und EVG derzeit nach Belegen für Sozialdumping und mögliche Umgehungen der Lenkvorschriften. Detaillierte Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch Tendenzen ließen sich erkennen, sagt mobifair-Geschäftsführer Helmut Diener. So seien bei den Lenkzeiten zu wenig die erwartbaren Staus berücksichtigt, in den Pausen müssten die Fahrer unzulässige Arbeiten verrichten.

Auch Unregelmäßigkeiten mit den Fahrerkarten für den Fahrtenschreiber seien beobachtet worden. Die angekündigten Kontrollen durch das Bundesamt für Güterverkehr hält mobifair für unzureichend. "Die allermeisten Fahrer berichten, sie seien noch nie kontrolliert worden." Immerhin werde nach bisherigen Kenntnissen auf den innerdeutschen Linien wohl nach Tarif gezahlt, während auf den internationalen Verbindungen die Masse der Fahrer für weit geringere Entgelte unterwegs sei.

Nicht immer pünktlich

Nicht immer kommen die bunten Busse pünktlich, denn auch sie stecken in den Staus des überlasteten Autobahnsystems. Der Betreiber Flixbus nennt 10 bis 20 Prozent verspätete Fahrten an verkehrsreichen Tagen, die Verspätungen betragen dann im Schnitt zwischen 30 und 45 Minuten, berichten die Münchner.

Auf einen Schwachpunkt weist der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) hin: Noch fehlen in vielen Städten angemessene Fernbus-Terminals mit guter Infrastruktur und Anbindung an die ÖPNV-Netze. Die Kosten dafür sollen die klammen Kommunen aufbringen. (dpa)