Bangkok/Berlin. Die Lage in Thailand spitzt sich zu: Gegen Oppositionsführer Suthep Thaugsuban ist Haftbefehl erlassen worden - wegen Aufruhrs. Auf das Vergehen steht die Todesstrafe. Touristen warnt Deutschlands Auswärtiges Amt dringend, Menschenmassen und Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt Bangkok zu meiden.

Für seine Anhänger ist Suthep Thaugsuban nichts weniger als der Retter Thailands, doch seine Gegner sehen in ihm eine Gefahr für die Demokratie. Einen Monat lang hat der grauhaarige 64-Jährige Abend für Abend seine Anhänger in feurigen Reden auf den Kampf gegen die Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra eingeschworen.

Am Sonntag setzte der ebenso ehrgeizige wie gerissene Politiker der Regierungschefin ein zweitägiges Ultimatum, um die Macht an einen ungewählten "Volksrat" abzugeben. Nun wird er von der Polizei wegen "Aufruhrs" gesucht.

Touristen sollen Sehenswürdigkeiten meiden

Angesichts der Krawalle in Bangkok müssen Touristen sich auf immer mehr Einschränkungen einstellen. Urlauber sollten jegliche Demonstrationen und Menschenansammlungen meiden, so der "dringende" Rat des Auswärtigen Amtes in Berlin. Das gelte auch für touristische Sehenswürdigkeiten oder die Zufahrt dorthin. Die Proteste konzentrieren sich auf das Regierungsviertel. Der Regierungssitz von Premierministerin Yingluck Shinawatra liegt in der Nähe beliebter Touristenattraktionen wie dem Königspalast, Wat Po mit dem liegenden Buddha und Wat Phra Kaeo mit dem Smaragdbuddha.

Eine weitere Eskalation der Lage könne nicht ausgeschlossen werden, warnt das Auswärtige Amt. Reisende sollten die Medienberichterstattung verfolgen und dem Rat von Sicherheitsorganen und Reiseveranstaltern Folge leisten. Am Wochenende waren einige beliebte Einkaufszentren in Bangkok vorsichtshalber geschlossen, dazu gehörten das Siam Center und der Central World Shopping Complex. Die thailändische Regierung hat der Bevölkerung in Bangkok empfohlen, zwischen 22 und 5 Uhr ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Eine formelle Ausgangssperre gibt es jedoch nicht.

Bangkok-Reisende können kostenlos stornieren

In den meisten anderen Teilen von Thailand ist die Lage ruhig, wenngleich es auch in den Touristengebieten im Süden wie Phuket oder Krabi Demonstrationen gibt. Der Flugverkehr über den Flughafen Suvarnabhumi in Bangkok läuft derzeit nach Angaben der Tourism Authority normal. Lediglich bei der Fahrt dorthin und der Abfahrt von dort müssten sich Urlauber auf Verzögerungen einstellen.

Etliche Reiseveranstalter haben aufgrund der Unruhen mittlerweile Ausflüge und Touren in Bangkok abgesagt oder umgeroutet. "Wie sie genau reagieren, hängt davon ab, was genau geplant war", sagte Sibylle Zeuch, Sprecherin des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Wer in den kommenden Tagen eine Städtereise nach Bangkok gebucht hat, kann wegen der aktuellen Krawalle eine kostenlose Stornierung verlangen.

"Ich kann davon ausgehen, dass die Reise nicht wie geplant durchgeführt werden kann", sagte Reiserechtler Paul Degott. Kunden sollten sich deshalb an ihren Veranstalter wenden. Wird ein Ausflug abgesagt, muss der Veranstalter lediglich den Preis dafür zurückzahlen. Wer einen Strandurlaub zum Beispiel in Phuket gebucht hat, hat nach Degotts Einschätzung dagegen schlechte Karten für eine kostenlose Stornierung. "Dort dürfte der Urlaub nach jetzigem Stand nicht beeinträchtigt sein."

"Thailands demokratisches System zerstört"

Der Konflikt zwischen dem Oppositionsführer und der Ministerpräsidentin schwelt in Thailand schon länger. "Ich habe Yingluck gesagt, dass ich sie nicht mehr treffen werde, bis sie die Macht an das Volk abgegeben hat", sagte Suthep nach einem Treffen mit Yingluck. Der frühere Abgeordnete wirft der Ministerpräsidentin vor, den Anweisungen ihres Bruders zu folgen, des vor sieben Jahren gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra. Als Yinglucks Regierung im Oktober eine Amnestie vorschlug, bezichtigte die Opposition sie, damit dem wegen Korruption verurteilten Thaksin die Rückkehr aus dem Exil ebnen zu wollen.

"Ich hasse ihn nicht. Es ist nichts Persönliches, aber Thaksin hat Thailands demokratisches System zerstört, die Werte und die Ethik des Volkes", sagte Suthep am Rande einer Kundgebung. Der konservative Politiker, der aus einer prominenten Familie in der südlichen Provinz Surat Thani stammt, versichert, sich ganz dem Dienst des "Volkes" verschrieben zu haben. Doch wie er dafür die Legitimation erhalten will, bleibt unklar. Neuwahlen schließt er zunächst aus und fordert stattdessen die Einsetzung eine ungewählten "Volksrats".

Yingluck, die weiter auf breite Unterstützung in der Bevölkerung zählen kann, hat dies wenig überraschend als verfassungswidrig abgelehnt. Manche Beobachter fürchten, dass der 64-Jährige, der sich vom Dorfvorsteher bis zum stellvertretenden Ministerpräsidenten in der königstreuen Regierung von 2008 bis 2011 hochgearbeitet hat, einen Militärputsch provozieren will. Die zunächst friedlichen Proteste sind unter Sutheps Ägide zunehmend eskaliert. Am Wochenende gab es erstmals Tote in Bangkok.

Gegen Suthep wird bereits wegen Mordes ermittelt

Für Suthep ist es der Wandel zum Protestführer bemerkenswert, war er als Vize-Regierungschef doch maßgeblich verantwortlich für die Niederschlagung der Proteste der Thaksin-Anhänger 2010. Wegen des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte damals wird ohnehin schon wegen Mordes gegen ihn ermittelt. Doch die Ereignisse der vergangenen Tage könnten für ihn noch ärgere Konsequenzen haben: Die Polizei teilte am Montag mit, sie habe einen Haftbefehl wegen "Aufruhrs" gegen Suthep ausgestellt. Darauf steht lebenslange Haft oder sogar der Tod.

Für den früheren Diplomaten Pavin Chachavalpongum suchte Suthep bei den jetzigen Protesten "sein Image aufzupolieren". Obwohl ihm selbst Korruption vorgeworfen wird, geriere Suthep sich als Vorkämpfer für Ehrlichkeit und Transparenz. Indem er Thaksin als Gefahr für die Nation darstelle, könne er sich selbst zum Retter stilisieren, sagte Pavin. "Er ist der Mann der Stunde und er sendet die Botschaft: Kämpfen oder Sterben." Mit den aktuellen Protesten dürfte sich sein Schicksal entscheiden. (afp/dpa)