Essen. . Für Menschen mit Handicaps ist Reisen meist ein sehr umfangreiches Unterfangen, das zig Fragen aufwirft. Inzwischen gibt es jedoch Spezial-Veranstalter, die Reisen für behinderte Menschen anbieten. Denn für Menschen mit einem Handicap ist bei der Urlaubsauswahl entscheidend, welche Informationen sie vorab erhalten können.
Für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen bedeutet Reisen mehr als nur den Koffer zu packen. Vorher müssen zig Fragen geklärt sein: Ist das Haus über eine Rampe zugänglich? Sind die Türen ausreichend breit? Ist die Dusche rollstuhlgerecht? Es sind viele und oft ganz spezielle Ungewissheiten, deren Klärung schnell überfordern können. Inzwischen gibt es Spezial-Veranstalter, die Reisen für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen anbieten.
Beispielsweise das Paderborner Unternehmen YAT-Reisen, das seit mehr als zehn Jahren betreute Urlaubsreisen für Menschen mit Behinderung anbietet. Das mittelständische Unternehmen aus Ostwestfalen bezeichnet sich in diesem Bereich als marktführend. Mehr als 100 Reiseangebote in Deutschland und Europa sind verfügbar und werden von ehrenamtlichen Kräften des aus der Unternehmensstruktur entstandenen Vereins „Freizeit ohne Barrieren e.V.“ begleitet. Unterschieden wird nach Alter in Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie in rein körperliche Behinderung und geistige respektive mehrfache Behinderung. Pro Jahr fahren knapp 1000 Menschen mit YAT in den Urlaub – zu Zielen in Deutschland, nach Mallorca, an die Costa Brava oder in die Toskana. 2014 kommt Griechenland als neue Destination hinzu. Der Veranstalter ist bei den Krankenkassen anerkannt, so dass über die Budgets der Verhinderungspflege, der zusätzlichen Betreuungsleistungen und der Kurzzeitpflege oft bis zu 90 Prozent der Gesamtkosten einer Reise abgerechnet werden können.
Überschaubares Angebot
„Die Möglichkeiten der Kurzzeitpflege für unsere Reisen sind jetzt bis zum Alter von 25 Jahren gegeben“, teilen die Geschäftsführer Alexander und Dominik Nolte mit. Bei der Abstimmung mit den Kassen ist YAT-Reisen behilflich.
Noch ist das Angebot begrenzt. „Der Markt an Spezial-Reiseveranstaltern, die sich nur auf die Zielgruppe der Menschen mit Gehbehinderung konzentrieren, ist überschaubar“, sagt Benjamin Suthe von der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle in Düsseldorf (NatKo). „In Nordrhein-Westfalen gibt es ebenfalls wenig Angebote, die entsprechend vermarktet werden.“ Dafür gebe es mittlerweile zahlreiche große Anbieter, die in ihrem Portfolio auch Angebote für Menschen mit Gehbehinderung bereithalten, weiß der Experte. Noch sind also Spezialisten wie YAT-Reisen oder der Verein Ferien mit Pflege aus Mönchengladbach, der speziell innerdeutsche Busreisen für Senioren mit Mobilitätseinschränkungen und Rollstuhlfahrer anbietet, rar gesät.
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Über vergleichsweise viele barrierefreie Möglichkeiten verfügt der seit zehn Jahren mit der NatKo kooperierende Nationalpark Eifel. Ein herunterladbares Faltblatt listet alle von der NatKo geprüften Angebote und Gastgeber auf. Im Nationalpark Eifel werden für Gehörlose geführte Wanderungen mit Gebärdendolmetscher angeboten, integrative Wildnis-Camps auch für blinde Jugendliche in den Sommerferien oder Kutschfahrten für Menschen, die nicht gut zu Fuß sind. Auch auf Urlauber mit Lernschwächen hat sich der Nationalpark eingerichtet.
Etikettenschwindel
Die NatKo vergibt seit 2010 das Logo „Barrierefreiheit geprüft“, das zur Vermarktung von barrierefreien Angeboten genutzt werden kann. Vorteil für den Gast: „Er weiß somit, dass er sich auf diese Informationen verlassen kann, da sie durch qualifiziertes und geschultes Personal erhoben wurden und keine Selbstauskunft des Anbieters darstellen“, erklärt NatKo-Experte Benjamin Suthe. Denn Worte wie „behindertengerecht“ oder „barrierefrei“ würden inzwischen inflationär verwendet, um Gäste zu gewinnen. Immer mehr Anbieter locken mit solchen Angaben, formulieren jedoch oft falsch. „Eine Schwelle von zwei Zentimetern kann aber bereits zum Hindernis für Rollstuhlfahrer oder Senioren mit Rollatoren werden.“
Für Menschen mit einem Handicap ist bei der Urlaubsauswahl entscheidend, welche Informationen sie vorab erhalten können. Sie benötigen neben Auskünften zur An- und Abreise und zur Fortbewegung vor Ort auch Angaben zu weiteren Serviceleistungen. „Je mehr verlässliche Informationen vorliegen, desto eher kann eine Buchungsentscheidung getroffen werden“, sagt Benjamin Suthe. Im Sinne der Inklusion sei wichtig, dass sich touristische Einrichtungen nicht nur auf eine Zielgruppe beschränkten, „sondern Angebote schaffen, die von allen Gästen nutzbar sind.“ Schließlich freuen sich Senioren, Mütter und Väter mit Kinderwagen oder der Sportler mit Bänderriss ebenso über den stufenlosen Eingang am Urlaubsdomizil.