Texel..
Lässig steht er vor seinem frisch angestrichenen Kahn, der „TX Emmie“, dreht sich eine Zigarette und grinst frech: „Na, willst’ auch mit uns raus?“ Tiefe Narben und Falten ziehen sich durch sein braun gebranntes Gesicht. Graublonder Dreitagebart, eine kleine goldene Kreole im Ohrläppchen. Ein Kauz, der eigentlich lieber für sich ist. Seit über 30 Jahren arbeitet Roland Hoijberg nun schon auf der Nordsee. Doch jetzt nimmt er im Sommer Touristen mit raus aufs Wattenmeer – zum Krabbenfischen.
Er muss. Die Fischerei ist auch auf Texel weniger geworden, noch rund 25 Berufsfischer gibt es hier. Wir tuckern langsam an der Küste der größten westfriesischen Insel entlang. Salzig-frische Nordseeluft weht um die Nase, Möwen kreisen ums Boot und hoffen auf Fischreste. In der Ferne liegen Seehunde auf den Sandbänken und faulenzen.
Garnelen werden an Bord gekocht
Mit riesigen Netzen holt Roland die Garnelen aus dem Wattenmeer und kocht sie noch frisch an Bord des Kutters – in einem uralten Ofen. Kinder drängeln sich um ihn, aber der 49-Jährige lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und erklärt gelassen das Pulen: „Erst zusammendrücken, dann geht’s ganz leicht, einfach Kopf und Schwanz abziehen.“
Zurück im urigen Hafen Oudeschild geht’s aufs alte Hollandrad und quer über die nordniederländische Insel. Sie überzeugt durch 30 Kilometer lange und sehr breite Strände mit grüngelben Dünen. Weit und breit sind kaum Menschen zu sehen, nur Dutzende Schafe, die langsam über die Deiche ziehen und grasen. Ruhe, Frieden, Massentourismus kennt man hier (noch) nicht. Vorbei geht’s an Windmühlen, Wiesen, Feldern, historischen Schafscheunen, dazwischen immer wieder Polder – riesige knallgrüne Marschlandgebiete – und blühende Heide. Viel Ursprünglichkeit und herber Charme, auch bei den gastfreundlichen Bewohnern.
In der Nähe von De Cocksdorp lebt Schafbauer Arno Langenfeld. Er zeigt auf seine Tiere: „Wir haben hier auf der Insel fast doppelt so viele Schafe wie Einwohner, ist das nicht schön?“, lacht er. Sein Hof ist umgeben von Wiesen und Wasserwegen. Das Bauernhaus baute sein Vater in den 70ern zum Hotel Texel um. Der Tourismus hielt Einzug. Mittlerweile hat Arno sogar einen Spa-Bereich: „Unsere Woolness-Behandlung mit Schafwolle ist weltweit einzigartig.“
Doch sein Herz schlägt für die Landwirtschaft: Er baut Saatkartoffeln, Zuckerrüben und Zwiebeln an. „Auf Texel sind noch knapp 150 Bauern übrig geblieben, ein Viertel davon hat schon Campingplätze auf dem Hof“, sagt Arno nachdenklich, fügt dann aber doch hinzu: „Was gut ist.“ Auch wenn 80 Prozent hier vom Tourismus leben, spielt die Landwirtschaft und Fischerei noch immer eine große Rolle für die Einheimischen. „5000 Tonnen meiner Kartoffeln exportiere ich“, sagt er stolz.
Austern im Wattenmeer
Am Deich von De Cocksdorp lebt noch einer von Meeresfrüchten, der Austernmann von Texel. Gummistiefel und Kettenhandschuhe an und schon geht es los mit Martin Zeeman quer durchs Wattenmeer. Wir suchen die edlen Muscheln direkt zwischen den Steinen an der Küste, unterhalb eines lang gezogenen Deichs. Wer hätte es gedacht: Nicht nur in Südafrika und Frankreich gibt es die leckere Delikatesse, auch bei uns um die Ecke graben sich die Austern in den Meeresboden ein.
Aus einer alten Texelaner Tradition entwickelte Zeeman vor fünf Jahren eine clevere Geschäftsidee. Jetzt wandert er mit Gästen durchs Watt. Wenn der Eimer voll genug ist, geht es hoch zum Deich. Ein leckeres Picknick wartet auf die Austernsammler. „Mit frischem Chablis, ein paar Dips und viel Weißbrot sind unsere Austern eine echte Spezialität“, sagt der Insulaner und grinst. Da bleibt Seekauz Roland doch lieber auf seinem Kutter und pult winzige Krabben mit seinen großen Pranken – in aller Seelenruhe.