Heldrungen/Weimar. Im thüringischen Weimar dreht sich am Wochenende vom 11. bis 13. Oktober alles um die Zwiebel. Besondere Attraktion sind die rot-weißen-Zöpfe, die von Familien in wochenlanger Handarbeit gebunden werden. Zu dem bekanntesten Volkfest der Region werden rund 300.000 Besucher erwartet.
Norbert Enke, Bürgermeister von Heldrungen im Kyffhäuserkreis, hat seinen Thüringer Amtskollegen eine besondere Fingerfertigkeit voraus: Er kann Zwiebelzöpfe flechten. Bei Heldrungern gehört so etwas faktisch zur Grundausstattung. Die Stadt in Nordthüringen ist die Zwiebelmetropole des Freistaates, von hier kommen die rot-weißen Zwiebelrispen für Thüringens bekanntestes Volksfest: den Weimarer Zwiebelmarkt, der jährlich um die 300.000 Besucher anlockt. Er wird in diesem Jahr zum 360. Mal gefeiert. Vom 11. bis 13. Oktober dreht sich in Weimar wieder alles um das tränentreibende Gemüse.
Seit Generationen machen sich die Heldrunger Zwiebelbauern am zweiten Oktoberwochenende auf den Weg ins knapp 50 Kilometer entfernte Weimar. Der 48-jährige Heiko Pfau etwa ist in fünfter Generation dabei. "Mit sechs Jahren habe ich den ersten Zopf gewickelt." Pfau, dessen Familie seit 150 Jahren einen Gartenbaubetrieb betreibt, kann sich noch gut an die DDR-Zeiten erinnern, in denen Zwiebelzöpfe begehrte Bückware waren. "Die Leute haben uns fast die Stände umgeworfen, weil sie so verrückt danach waren", erzählt er. "Manche haben sich schon nachts angestellt, zur Marktöffnung morgens um 6 Uhr waren die Zöpfe dann schon alle."
Hinter den Kunstwerken steckt wochenlange Handarbeit
Bis aus den frisch geernteten Zwiebeln vom Feld kunstvolle Rispen entstehen, ist gehöriger Aufwand nötig. Die Knollen müssen wochenlang luftgetrocknet, die oberen der sieben Hautschichten entfernt werden. Anschließend werden die roten und weißen Zwiebeln zu einer spiralförmigen Rispe gebunden und mit kleinen Strohblumenbündeln dekoriert. "Alles Handarbeit", schildert Pfau. Wochenlang sitzen die Familien von morgens bis spät abends in Garagen, Scheunen oder Bauernküchen, um neben Zwiebelzöpfen auch Knoblauchrispen, Zwiebelpüppchen und Strohblumensträuße anzufertigen.
In diesem Jahr dürften in Weimar Rispen aus kleineren Zwiebeln dominieren - Folge eines eher schwierigen Landwirtschaftsjahres 2013, wie Pfau berichtet. "Aber die Qualität ist top." Bürgermeister Enke macht der fehlende Zopfflechter-Nachwuchs Sorgen. "In diesem Jahr fahren etwas mehr als 50 Zwiebelbauern nach Weimar, vergangenes Jahr waren es noch um die 90", berichtet er. "Wir finden keine jungen Leute mehr, das ist das Problem. Mit 55 Jahren zählt man mittlerweile zum Nachwuchs." Die Abwanderung der zurückliegenden zwei Jahrzehnte habe ihre Spuren hinterlassen.
Nicht so in Heiko Pfaus Familie. Seine Tochter Marie-Sophie ist amtierende Heldrunger Zwiebelprinzessin, auch Sohn Christopher hält die Zwiebelbauer-Tradition aufrecht. "Das ist dann die sechste Generation." (dpa)