Greiz. Dank der Kleinstaaterei zu Zeiten des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nationen ist Thüringen heute noch übersät mit Schlössern und Parks: Die konkurrierenden Herrscher wollten sich gegenseitig mit Prunkbauten übertrumpfen. Das sind die schönsten Reiseziele für Schlösser-Fans.
Die Sonne taucht die Südfassade des Sommerpalais in Greiz in ein warmes Licht. Aus dem nahen Park weht der Duft der Blumen hinüber. "Maison de belle Retraite" steht unter dem Wappen der Herrscherfamilie Reuß im Giebel: "Ein Haus zum Entspannen. Schön ist es hier wirklich. Das frühklassizistische Palais und der ab 1800 gestaltete Garten betten sich malerisch ein in das Tal der Weißen Elster. Man kann Heinrich XI. aus dem Geschlecht der Reußen, der das Palais ab 1769 als Lustschloss erbauen ließ, gut verstehen, wenn er in seinem Tagebuch notierte, es sei das "schönste Vergnügen der Welt", hier den Sommer zu verbringen.
Dass das Sommerpalais wieder in jenem Glanz erstrahlt, den Heinrich XI. einst beschwor, ist der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten zu verdanken. Zwischen 2005 und 2011 sanierte sie das Sommerpalais für rund 4,3 Millionen Euro. Für 2013 hat die Stiftung es zum Schloss des Jahres ernannt. "Das Sommerpalais ist ein architektonisches Juwel", sagt Stiftungsdirektor Prof. Helmut-Eberhard Paulus.
Schlösserbau zur Machtdemonstration
Davon kann man sich beim Rundgang überzeugen. Durch den großen und ganz in Weiß gehaltenen Gartensaal geht es über die Treppe hinauf in die Beletage. Hier oben, im prunkvollen Festsaal, gab Heinrich XI. Empfänge und Konzerte. 1778 erhob Kaiser Joseph II. die ältere Linie der Grafen von Reuß in den Fürstenstand. Der Kleinstaat war fortan ein Fürstentum - wenn auch das kleinste im ganzen Reich.
Die Kleinstaaterei im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation: Nirgendwo sonst trieb sie solche Blüten wie im Gebiet des heutigen Thüringens. Und das ist positiv gemeint. Denn das Nebeneinander auf engem Raum in diesem Flickenteppich kleiner und kleinster Territorien stellte für die Herrscher eine besondere Konkurrenzsituation dar. Sie wollten ihren Machtanspruch demonstrieren und engagierten Künstler und Architekten, um einander im Bau prachtvoller Schlösser und Gärten zu übertreffen. So entstand ein engmaschiges Netz aus Schlössern, Burgen und Parks.
Wie engmaschig es war, kann der Besucher in Greiz wunderbar sehen. Die Kreisstadt liegt im Vogtland, im südöstlichsten Zipfel Thüringens. Gut 20.000 Einwohner hat Greiz heute - verfügt aber mit dem Sommerpalais, dem Oberen und dem Unteren Schloss über gleich drei Schlösser.
Paradies für Künstler und Denker
An den Höfen blühte das Geistesleben: Jede Residenz hatte ihre Bildungs- und Kultureinrichtungen - vom Theater bis zur Hofbibliothek. Womit wir wieder im Sommerpalais wären, wo Eva-Maria von Máriássy durch die Staatliche Bücher- und Kupferstichsammlung führt, deren Leiterin sie ist. Die Büchersammlung wurde von Heinrich XI. gegründet und umfasst rund 35.000 Bände: Wertvolle Gesamtausgaben des französischen Dichters Molière und des Philosophen Charles de Montesquieu sind ebenso darunter wie Werke der englischen Aufklärung. Die Kupferstichsammlung ist eine der bedeutendsten Europas.
Wer es lustiger mag, zieht vielleicht die dritte Sammlung vor. Seit 1975 ist im Sommerpalais auch das Satiricum beheimatet: eine Karikaturensammlung mit rund 12.000 Blättern.
Altenburg - Die Geburtsstätte des Skat-Spiels
Was die Karikatur für Greiz, ist das Skatspiel für die gut 50 Kilometer nördlich gelegene Residenzstadt Altenburg. Im Dreiländereck Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt soll das beliebteste Kartenspiel der Deutschen Anfang des 19. Jahrhunderts erfunden worden sein. Altenburger Bürger entwickelten es aus Elementen anderer Spiele wie Schafkopf. Zum ersten Mal tauchte das Wort "Scat" 1813 in der Spielekladde auf. Deswegen feiert Altenburg in diesem Jahr den 200. Geburtstag des Spiels.
Seit über 500 Jahren werden hier Spielkarten hergestellt. Daneben ist die Stadt Sitz des Skatgerichts und des Skatkongresses. Und auch im sehenswerten Altenburger Schloss auf dem Berg über der Stadt gibt es eine Sammlung mit mehr als 6000 historischen Kartenspielen. Reizvoll ist die Stadt, die in ihrer 1000-jährigen Geschichte nie zerstört wurde, aber auch in kultureller Hinsicht. Wer aus den engen Gassen der Altstadt auf den Markplatz mit seinen Bürger- und Patrizierhäusern tritt, dem stockt erst einmal der Atem. Der Anblick des Platzes ist überwältigend. Wegen seiner Größe und Eleganz gilt der Altenburger Marktplatz als einer der schönsten in Deutschland.
Wo Schiller und Goethe sich trafen
Das dritte Ziel in der Region ist das etwa 100 Kilometer südwestlich von Altenburg an der Saale gelegene Rudolstadt. Schon von weitem ist das Barockschloss Heidecksburg zu sehen, das majestätisch über der Stadt thront und seit 1571 ständige Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt war.
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Die Rudolstädter Fürsten konnten es wirtschaftlich und militärisch nicht mit den Mächtigen des Reiches aufnehmen. Aber was die höfische Kultur angeht, wollten sie ihnen nicht nachstehen. Der riesige Festsaal der Heidecksburg, Hofbibliothek oder die fürstliche Bildersammlung mit Werken bekannter Künstler wie Caspar David Friedrich bezeugen dieses Repräsentationsbedürfnis.
Fichte, Schopenhauer, Liszt - sie alle kamen gerne nach Rudolstadt. Und am 7. September 1788 wurde die Stadt zum Schauplatz einer denkwürdigen und folgenreichen Begegnung: Schiller und Goethe trafen hier zum ersten Mal aufeinander. Aber das ist eine andere Geschichte. (dpa)