Essen. Seit Jahren steigen die Passagierzahlen bei Kreuzfahrten an, dabei ist das Klischee des älteren und gebildeten Kreuzfahrers längst überholt. Individuelle Angebote und ein erbitterter Preiskampf haben den Markt geöffnet und für Passagiere aller Schichten zugänglich gemacht.

Auf einer Kreuzfahrt ist man unterwegs und logiert trotzdem komfortabel in der immer gleichen Unterkunft. Diese Einzigartigkeit ist ein Grund für den anhaltenden Erfolg. Seit 1990 ist die weltweite Passagierrate jährlich um 7,2 Prozent gestiegen. Im Jahr 2010 reisten Marktforschungsstudien zufolge insgesamt 18,4 Millionen Menschen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes.

In Deutschland lag die Gästezahl 2010 bei über 1,2 Millionen, wie der Deutsche Reiseverband ermittelt hat. Das ist ein Plus von 18,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In zwei Jahren, so prognostizieren viele Experten, könnte die Grenze von zwei Millionen deutschen Kreuzfahrern pro Jahr durchbrochen werden. Das Angebot reicht von einfachen Schnupperreisen bis hin zur exklusiven 158-tägigen Weltreise auf dem Luxusliner. Auf dem Mega-Markt tobt ein erbitterter Preiskampf, Kreuzfahrten sind inzwischen Standard in den Prospekten der Lebensmitteldiscounter. Neben immer günstigeren Angeboten suchen die Reedereien das Individuelle – sie wollen sich positionieren und von den Mitbewerbern abgrenzen. Dabei spielt ihnen in die Hand, dass das Publikum immer heterogener wird.

Vier verschiedene Typen von Seereisenden

Wissenschaftler Bernhard Jans von der Arbeitsgruppe Kreuzfahrt-Forschung der Technischen Universität Dresden teilt die Kreuzfahrer in vier große Typenbereiche ein: Den ersten nennt er „Fun, Erlebnis, Freizeit“. Schiffsurlauber dieser Gattung seien im Wesentlichen auf den Megaschiffen zu finden.

Jans’ zweiter Bereich lautet „Club und Unterhaltung“. Dazu passen die mittelgroßen und älteren Aida-Schiffe. Ein dritter Typus ist „Erleben und Genießen“. Das sind Menschen, die sich auf Schiffen mit einer großen Restaurantauswahl und einem guten Unterhaltungsprogramm wohlfühlen. Eine Bootsklasse kann hier nicht definiert werden: Solche Passagiere seien auf Schiffen aller Größen zu finden. Als vierten Bereich schließlich hat der Experte „Komfort und Luxus“ definiert. Hier ist die Zuordnung einfach: Kunden, die die teuren Fünf-Sterne-Angebote von Hapag-Lloyd auf den vergleichsweise kleinen 400-Passagiere-Schiffen wie MS Europa oder MS Columbus buchen.

Große Preisspanne

Früher galt: Der Kreuzfahrer ist leicht älter, gebildet und bucht übers Reisebüro. Die Klischees stimmen nur noch teilweise. Vor allem: Der Kreuzfahrer wird immer jünger. Im Bereich der Hochseekreuzfahrten liegt der Altersdurchschnitt bei 48 Jahren. Natürlich gibt es noch Reedereien, die ihre Angebote speziell auf älteres Publikum ausrichten, etwa im Bereich der Flusskreuzfahrten (Altersdurchschnitt: 58 Jahre). Auf den anderen Schiffen geht es hingegen immer jünger zu: Vor allem in den Ferienzeiten ist das Durchschnittsalter der Passagiere an Bord niedrig, wohingegen der Schnitt im Winter locker mal 20 Jahre höher liegt.

Das Spektrum der Schiffsreisenden ist auch angesichts der großen Preisspanne breiter geworden. „Die Vermutung, dass die meisten Kreuzfahrt-Passagiere eine höhere Ausbildung haben, muss vorsichtig zurückgewiesen werden“, bilanzierte die Touristik-Wissenschaftlerin Insa Stanke 2011 in ihrer Studie über das Konsumverhalten deutscher Kreuzfahrtpassagiere. „In nicht allzu ferner Zukunft wird der Kreuzfahrer das Abbild der Gesellschaft sein“, vermutet Bernhard Jans sogar. Auch der Buchungsweg ändert sich: Generell werde die Rolle des Reiseagenten weniger wichtig, stellt Insa Stanke fest. Sie werde zunehmend ergänzt von Online-Buchungen, Informationsplattformen und Blogs im Internet.