Tefía. . Im Inneren Fuerteventuras, 20 Kilometer von der Küste entfernt, liegt das Dorf Tefía. Wer sich dorthin verirrt, taucht ein in die Vergangenheit der Insel und ihrer Bewohner. Im Freilichtmuseum und beim Dorfschmied, der nach alter Tradition Eisenwaren herstellt, können Urlauber Geschichte erleben.

Ein Hund bellt zwischen den in der kahlen Landschaft verstreuten Häusern. Die flachen Bauten scheinen sich in den sanften hellbraunen Hügeln verstecken zu wollen. Tefía heißt das Dorf im Inneren der Insel, 20 Kilometer sind es von dort zur Küste. Die Bauernhäuser im traditionellen Stil – einstöckiges Trockenmauerwerk, weiß getüncht – bilden ein Museumsdorf. Der Hund ist ein Podenco Canario, ein kanarischer Jagdhund. „Er geht auf Kaninchen“, sagt Ramón, der heute an der Kasse des Ecomuseo La Algocida sitzt. Im Haus und mit Menschen sei die Rasse friedlich, auf der Jagd aber „nicht zu bremsen“. Gut für Touristen: Das Kaninchenfleisch wandert auch in die Kochtöpfe der großen Hotels an der Küste. Auf dem weitläufigen Gelände des Freilichtmuseums stehen noch eine Handvoll Kamele und eine Herde Ziegen, „unsere typischen Haustiere“.

Ramón ist der Dorfschmied, für die Besucher stellt er traditionelle Eisenwaren her. „Wir halten hier altes Handwerk am Leben“, ergänzt Juan stolz. 30 Jahre hat der Mittsechziger im Ausland auf dem Bau gearbeitet, meist in Australien. Jetzt ist er zurück in der Heimat und flechtet in seiner kleinen Werkstatt Körbe in allen Größen. Gleich nebenan greift Salome in einen dicken Packen Ton und formt mit geschickten Händen einen purrón. In dem Tonkrug bleibt das Wasser durch die Verdunstungskälte angenehm kühl. Gearbeitet wird freihändig: Die Töpferscheibe ist unbekannt.

Traditionelle Handwerkskunst erleben

Im Museumsdorf wird die traditionelle Handwerkskunst der Insel bewahrt, von der EU gefördert und selbst in der Hauptsaison von den Touristenmassen verschont. Die Kunsthandwerker haben meist Zeit für ein Schwätzchen, erklären geduldig die Finessen der kanarischen Hohlsaumstickerei – calado – für feine Tischwäsche und dass jede Käserei ihre Produkte mit einem anderen handgeschnitzten tellergroßen Holzstempel prägt.

Einblick in die noch gar nicht so alte Vergangenheit Fuerteventuras bieten eine ganze Reihe kleiner, aber feiner Museen, untergebracht in historischen Gebäuden. Das Museo de la Pesca Tradicional etwa ist im Faro de Tostón im äußersten Norden untergebracht. Gezeigt wird das karge und gefahrvolle Leben der kanarischen Fischer. Sehenswert sind auch die drei Leuchttürme aus drei Jahrhunderten. Küstenfischerei wird rund um die Insel noch heute betrieben, der Fang ganz frisch serviert – etwa im „Cava Azul“ am kleinen Hafen im nahe gelegenen El Coltillo. Die Strände rund um den Leuchtturm lohnen zu einem Badestopp: Feiner Sand, kindertaugliche flache Lagunen, kaum ein Mensch zu sehen und ein schöner Blick auf die Nachbarinsel Lanzarote.

Von Lanzarote aus startete 1402 der Normanne Jean de Béthencourt für die Spanier den Eroberungsfeldzug gegen die Ureinwohner, die Majoreros. Nach deren Unterwerfung gründete er im geografischen Zentrum eine erste Stadt, die nach ihm Betancuría genannt wurde und bis 1834 Inselhauptstadt war.

Auch Fuerteventura hat seine Marienstatue 

Heute schmiegen sich gepflegte Häuschen um die Kirche Santa Maria de Betancuría. Palmen spenden Schatten und üppig blühende Bougainvillea und Weihnachtssterne setzen Farbkleckse an Hausmauern. Im Museo Arqueológico lebt die Zeit der Eroberer in vielen Fundstücken noch einmal auf.

Komplett wird der Gang in die Inselgeschichte aber erst mit einem Besuch der Virgen de la Peña, einer Marienstatue die in der Kirche Nuestra Señora de la Peña in Vega de Río Palmas zu sehen ist. Der Legende nach ging die nur 23 Zentimeter große Figur im Gepäck der Eroberer verloren und wurde 200 Jahre später auf wundersame Weise wiedergefunden. Am Fundort im Barranco de las Peñitas, einer malerischen Schlucht, steht eine kleine Kapelle. Sie ist jedes Jahr im September Ziel einer Wallfahrt.

Windmühlen mit unterschiedlichen Geschlechtern

Der Wahlkanare macht auf eine weitere Besonderheit aufmerksam. „Hier haben Windmühlen unterschiedliche Geschlechter.“ Es gebe die „Molina“ und den „Molino“. Bei der weiblichen Variante sitzen die Flügel an einem hölzernen Gerüst über dem flachen Gebäude. Die Windkraft wird über eine Welle nach unten übertragen, wo das Getreide gemahlen wird. „Beim Männchen muss man die Säcke hoch schleppen“, sagt Jorge, Müller im Mühlenmuseum Los Molinos in Tiscamanita.

Der alte Mann mit dem fröhlichen Lachen steigt zwei Treppen hoch und zeigt das Mahlwerk unter der drehbaren Holzkuppel. Dort wird – heute nur noch zu Schauzwecken – das geröstete Getreide zu Gofio gemahlen, dem traditionellen Grundnahrungsmittel. In den großen Hotels hat die internationale und kontinentalspanische Küche Gofio zwar weitgehend verdrängt.

Aber in Spezialitäten-Restaurants wie dem „Don Antonio“ oder der Casa Santa Maria wird das vielseitige Produkt weiter serviert: Mit Honig als Nachtisch, als Beilage, im Ziegenkäse. Und wie ist nun die Geschlechtertrennung zu erklären? „Die weibliche Mühle ist praktischer“, sagt Jorge. „Aber ein Molino schöner und stattlicher.“