Als ich zum ersten Mal das nebenstehende Interview mit dem mexikanischen Staatssekretär gelesen habe, konnte ich es kaum glauben. Darin nimmt er so offen und unverblümt zu den derzeitigen Problemen seines Reiseziels Stellung, dass es schon überrascht. Dazu muss man wissen, dass die meisten Tourismusdirektoren bislang leider ein völlig anderes Verständnis von transparenter Öffentlichkeitsarbeit hatten. Wegducken, Probleme negieren, sogar dreiste Lügen waren die üblichen Reflexe, wenn sie mit Missständen in ihren Ländern konfrontiert wurden.
Doch offenbar scheint sich gerade so etwas wie ein neuer Trend zu mehr Offenheit durchzusetzen. Mitverantwortlich dafür sind zweifellos die neuen Medien, über die sich Meldungen über vorhandene Probleme viel schneller verbreiten und eben nicht mehr totschweigen lassen. Dies erkannte auch die Tourismusorganisation von Florida, die bei der jüngsten Ölpest jeden Tag Fotos der wichtigsten Strandabschnitte ins Internet stellte und zwar auch dann, wenn diese mit Öl verschmiert waren.
Seitdem ist zu beobachten, wie mehr und mehr Tourismusämter einen anderen Weg in der Kommunikationspolitik einschlagen. So wurden am Noordhoek Beach in Kapstadt gerade große Schilder aufgestellt, die Touristen klar und deutlich vor der dortigen Kriminalität warnen. Natürlich fördert das nicht das Image, aber es ist zumindest ehrlich. Ein weiteres Beispiel: Der Chef der US-Tourismusorganisation Brand USA äußerte kürzlich, ebenfalls im Interview mit dem Reise Journal, heftig Kritik an den eigenen Grenzbeamten, die die einreisenden Gäste viel zu unfreundlich behandeln würden. Auch das, völlig neue Töne. Sogar die Schweizer, denen man in der Vergangenheit nicht gerade eine große Kritikfähigkeit attestieren konnte, haben sich gewandelt. Angesichts der Währungskrise auf Grund des teuren Franken reden sie das vorhandene Problem nicht länger klein und bekennen: „Ja, wir sind kein Billigziel – und werden es auch nie werden.“ (Pascal Brückmann)