Bad Waldsee.. Ein Stück Zuhause ist immer dabei, wenn Camper mit ihrem Reisemobil in den Urlaub fahren. Das neue Erwin-Hymer-Museum zeigt den Wandel der Technik – und die Liebe zu einem Hobby zwischen Fern- und Heimweh.
Man hätte ja wieder nicht geahnt, welche Glanzleistungen menschlichen Verstandes in Wohnwagen stecken. Da gab es Modelle mit ausfahrbarem Erker und solche mit Dachterrasse, manche machten sich im Frieden („Autozelt“) ebenso nützlich wie gleich darauf im Krieg („Blitz-Zelt“), und andere verloren ganz die Bodenhaftung: „Heli-Home“ war genau die Art Fahrzeug, die in dem Namen durchschimmert (indes blieb es bei dem Prototyp). Ja, es gelang einem Hersteller 1938, die ganze Faszination des Reisens mit Caravan in den Namen eines Modells zu pressen: des Modells „Hausdabei“.
Doch das neue Erwin-Hymer-Museum im schwäbischen Bad Waldsee präsentiert weit mehr als lustige Wohnwagen und kuriose Autos – die natürlich auch. Es porträtiert die Deutschen seit den 1930er-Jahren als rastlos fahrendes Volk, aber mit dem eigenen Bett im buchstäblichen Schlepptau. In die Sonne, ins Grüne, ins Blaue, nur weg. Und damit ist dem Wohnmobil-Unternehmer Erwin Hymer ein richtiges Gute-Laune-Museum gelungen: „In 80 Wagen um die Welt.“ Auf der anderen Seite dieser Robert-Bosch-Straße liegt das Hymer-Werksgelände, und zu dem Museum gegenüber lässt der 81-Jährige sich sehr schwäbisch so zitieren: „Wenn es sich trägt, dann ist es gut.“
Die Leute von Zirkus und Kirchweih hatten schon immer Wohnwagen, auch die Planwagen der nordamerikanischen Pioniere waren eigentlich nichts anderes – nur war das kein Spaß. Das Freizeitvergnügen, mit Wohnung zu verreisen, fiel als erstes den Briten ein, wo die 1880er-Jahre als geradezu Goldenes Zeitalter des Pferde-Caravaning gelten. Doch nach Deutschland sprang das erst über, als ihr Hobby Fahren lernte. Der Peitschenfabrikant Arist Dethleffs baute 1931 den ersten motorisierten Wohnwagen in Deutschland, weil ihn seine Fernbeziehung so nett darum bat, die Malerin Friedel Edelmann: „So etwas Ähnliches wie ein Zigeunerwagen, in dem wir zusammen fahren könnten, wäre das Richtige für uns.“ Für ein unverheiratetes Paar in den 30ern hatte so ein Wohnwagen Vorteile, die auf der Hand liegen; und angesichts des staunenden Interesses auf den Straßen erkannte der Kaufmann Dethleffs zügig, dass Wohnwagen eventuell sogar ein noch besseres Geschäft wären als Peitschen.
Schon in diesem Jahrzehnt hob die Reisewelle ab, wurde aber brutal unterbrochen im Krieg: In den 40er-Jahren kamen die Deutschen überwiegend in Kampfpanzern und Kübelwagen zu ihren Nachbarn. Die späten 50er- schließlich waren die neuen 30er-Jahre: Nun gab es kein Halten mehr. Auf alten Schwarz-Weiß-Fotos ziehen schwachbrüstige Kleinwagen entschlossen Hänger das Gebirge hoch, und man fragt sich, wie das ging, wenn man sie dann im Original hier stehen sieht: den Fiat 500, den Käfer natürlich, das Goggomobil gar. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Gebüsch. Quatsch: ist auch ein Weg.
Die beliebten Reiseziele – Alpen und Adria
Man sieht es schon, dies ist keine Technik-Schau, kein historisierender Caravan-Salon, keine Messe für den Hubraum. „Berg heil!“, schreiben Besucher ins Gästebuch oder: „Jugenderinnerungen werden wach.“ Denn die Museumsmacher stellen interaktiv auch typische Ziele der Wohnmobilisten vor: die Alpen zum Beispiel, die Adria in den frühen 60er-Jahren, wo die Deutschen diese äußerst exotischen Nudeln entdeckten, Ravioli oder so, kann das sein? Indien, Skandinavien . . . oder die Ostsee als Traumziel der Ostdeutschen: Man erfährt, dass ein DDR-Bürger auf einen Wohnwagen ähnliche zehn Jahre warten musste wie auf ein Auto. Und dass das 1978 entwickelte Müller-Autozelt zwei Schlafplätze auf dem Dach eines Trabis anbot. Das werktätige Volk sagte dazu: „Villa Sachsenruh.“ Ein anderes Ziel, die USA, wo ein einheimischer Wohnmobil-Hersteller äußerst amerikanisch für sich wirbt: „Wir machen keine Veränderungen, nur Verbesserungen.“
Aus dem Dach wird ein Ruderboot
Ach, wundersame Welt des Wohnwagens. Vom Modell Falter konnte man das Dach abnehmen und sensationellerweise als Ruderboot verwenden. Kunden der Firma Sportberger mussten ihre Wagen im bayrischen Rothschwaige abholen und verbrachten dann häufig die erste Nacht auf dem werkseigenen Campingplatz. Die Wellblech-Wände der Westfalia-Wagen wurden durch eine Presse geschickt, die der frühere Motor eines Kampfpanzers „Tiger“ antrieb. Und ein Wohnwagenmodell „Knospe“ wurde beworben mit: „Breit beim Wohnen, schmal beim Fahren“. Denn es konnte mit einem Mechanismus am Ziel nicht etwa in die Höhe gekurbelt werden, das konnten viele, sondern in die Breite.
So braucht man seine zwei, drei Stunden für dieses freundliche Museum, wenn man nicht in jedes Detail einsteigt. Draußen haben sich am fortgeschrittenen Nachmittag die optimistisch großen Parkplätze geleert, und auch die Reisebusse und Wohnmobile sind verschwunden, die dem Hymer-Museum einen guten Tag bescherten. Wie man so sagt: Die Caravane ziehen weiter.
Das Erwin-Hymer-Museum liegt 40 Kilometer südlich von Ulm, in 88339 Bad Waldsee, Robert-Bosch-Str. 7. Geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr. Erwachsenen-Tageskarte: 9,50 Euro