Amman. Weniger bekannt als Pompeji, die Pyramiden von Gizeh oder die Felsenstadt Petra, aber deshalb nicht weniger beeindruckend: Die Stadt Jerash lag Jahrtausende unter Sand begraben, doch seit ihrer Freilegung lockt sie mit ihrem antiken Flair Touristen an.

Klar, Jordanien hat eines der modernen sieben Weltwunder zu bieten: die Felsenstadt Petra, gebaut vom geheimnisvollen Volk der Nabatäer. Durch die engen Schluchten schlug sich Filmheld Indiana Jones bei seinem letzten Kreuzzug. Mehr Platz hatte Lawrence von Arabien im gleichnamigen Kinoklassiker, als er das Tal von Wadi Rum durchritt. Aber wo bleibt das filmische Denkmal für ein weiteres Kleinod Jordaniens: Jerash, die "Stadt der 1.000 Säulen", auch "Pompeji des Mittleren Ostens" genannt. Vielleicht raubt einem die riesige Ruinenstadt aus der Römerzeit gerade deshalb den Atem, weil sie nicht so bekannt ist wie Petra.

Jerash oder Gerasa, wie es zu Zeiten seines Glanzes in den ersten Jahrhunderten nach Christus hieß, ist uralt. 6.500 Jahre reicht die Siedlungsgeschichte zurück. Aber erst die Römer machen es zu einer Metropole von 20.000 Einwohnern, zu einem Teil des "Dekapolis" genannten Verbundes von zehn Städten. Auch Jordaniens Hauptstadt Amman, das damals noch Philadelphia hieß, gehörte dazu.

Übrig geblieben von damals sind in Jerash nicht nur Hunderte der Säulen, sondern unter anderem zwei kolossale Tempel, ein beeindruckendes Forum von 80 mal 90 Metern und ein Hippodrom. In diesem finden noch heute zweimal am Tag Wagenrennen, römisch-militärischer Drill und Gladiatorenkämpfe statt, von geübten Akteuren nachgestellt. Eine Attraktion ist auch das Jerash Festival, ein dreiwöchiges Programm mit Musik, Tanz und Theater im Sommer. Diese Veranstaltung sowie der Tourismus allgemein sind natürlich die Haupteinnahmequelle der Region. Hinzu kommt die Landwirtschaft, da rund um Jerash beeindruckende 1,25 Millionen Olivenbäume wachsen.

Im Sand der Wüste verborgen

Doch selbst diese Zahl verblasst angesichts der architektonischen Wunder von Jerash. So hat die Stadt gleich zwei Theater, von denen eines rund 800 Menschen Platz bot. Über 5.000 Zuschauer passten auf die 32 Ränge des zweiten Musentempels. Selbst Kaiser Hadrian besuchte 129 nach Christus die Stadt. Daran erinnert der imposante Triumphbogen vor den Toren von Jerash, der nach dem römischen Imperator benannt ist. Zeugnisse der großen christlichen Gemeinde sind mehr als zehn Kirchen, von denen viele beeindruckende Mosaik-Fußböden hatten.

Erhalten geblieben ist alles, weil es über Jahrhunderte vor den Augen der Menschen verborgen war - nicht wie in Pompeji von vulkanischer Asche, sondern vom Sand der Wüste. Seit 70 Jahren wird es nun schon ausgegraben. Bergab ging es mit Jerash erst nach der persischen Invasion im Jahr 614 sowie nach einem Erdbeben im Jahr 749, das die Stadt und ihre Umgebung zerstörte. Apropos bergab: Ein Besuch der Region wäre natürlich unvollständig ohne einen Abstecher ans Tote Meer, den tiefsten nicht von Wasser bedeckten Punkt der Erde.

Dies gilt umso mehr, weil das Tote Meer, das nichts anderes ist als ein abflussloser See am Ende des Jordans, langsam austrocknet. Weil die Anrainerstaaten dem Fluss das Wasser entnehmen, sinkt die Oberfläche des Toten Meeres am Ende immer mehr ab. 420 oder gar 430 Meter unter Normalnull sollen es mittlerweile sein - so genau kann man das nicht sagen. Denn jedes Jahr fehlt ein weiterer Meter. Und die Strände vor den Hotels am Toten Meer werden immer breiter beziehungsweise steiler, weil sich das Wasser weiter und tiefer zurückzieht.

Schwimmen im Toten Meer

Dabei ist es schon ein eigenartiges Erlebnis, im Toten Meer zu floaten, das eine ungefähr zehnfach höhere Salzkonzentration hat als die Ozeane der Erde. Sicher ist der ortsfremde Schwimmer nur, wenn er sich auf dem Wasser treiben lässt. Wer wie gewohnt die Beine nach unten sinken lassen will, gerät in Gefahr, dass sie vom Auftrieb nach oben gedrückt werden und der Kopf ins Wasser gerät. Das wäre jedoch extrem schlecht für die Augen, Schleimhäute und Atemorgane. Wer sich aber zusammennimmt, kann das Wunder der scheinbaren Schwerelosigkeit erleben.

Noch besser fühlen sich Patienten, die an Neurodermitis, Schuppenflechte oder ähnlichen Hautkrankheiten leiden. Hier entfalten die Salze und Mineralien des Toten Meeres ihre heilende Wirkung. Wen es danach wieder in höhere Gefilde zieht, der kann auf einer der steilen Straßen die schroffen und zerklüfteten Berge nach oben fahren, die sich Hunderte Meter über dem Jordangraben erheben. Im haschemitischen Königreich, das ein Viertel der Fläche Deutschlands hat, sind die Entfernungen nicht allzu groß.

Zumal viele der Sehenswürdigkeiten im Nordwesten des Landes rund um die Hauptstadt Amman zu finden sind. In der Millionenstadt liegt auf einem der 19 Hügel eine große Zitadelle mit einem interessanten Museum, das unter anderem Jahrtausende alte Skulpturen ausstellt. Ansonsten bietet die Metropole neben der guten jordanischen Küche, arabischen Märkten und langen Geschäftsstraßen auch Hotels jeder Preisklasse. Aus Sicherheitsgründen wird der Reisende hier genauer untersucht, als er es von Deutschland her gewohnt ist. Wird das Stadtleben zu quirlig, kann man sich zu einer weiteren Attraktion aufmachen: den Burgen des Landes, von denen viele aus der Kreuzfahrerzeit stammen.

Dabei kann es durchaus einmal eine andere Ruine als die Touristenattraktion Kerak sein. Viel ruhiger, aber nicht weniger interessant, ist die Bergfeste Ajlun, eine halbe Stunde von Jerash entfernt. Diese wurde im 12. Jahrhundert von einem General des Kreuzfahrer-Gegenspielers Saladin erbaut. Nicht nur das Gebäude selbst ist beeindruckend, sondern auch der Ausblick in die Umgebung: Auf der einen Seite erstreckt sich das Jordan-Tal mit dem Fluss, der in Richtung Totes Meer fließt. Und in der anderen Richtung liegt die Ruinenstadt Jerash.