Brüssel. . Mehr als 10 Millionen Touristen lockte das Kulturhauptstadt-Jahr Ruhr.2010 ins Revier - Zahlen, von denen andere Industrieregionen Europas nur träumen können. In Sachen Vermarktung orientieren sich immer mehr von ihnen am Positiv-Beispiel Ruhrgebiet.

Alte und moderne Industrie wird immer mehr zum Touristenmagnet. Ein erfolgreiches Beispiel dafür ist das Ruhrgebiet, an dem sich viele Industrieregionen Europas orientieren. Der Rausch des Kulturhauptstadtjahres 2010 wirkt noch nach. Wie das Ruhrgebiet sein industrielles Erbe vermarktet hat, beeindruckte jetzt auch Experten anderer EU-Länder auf einer Konferenz in Brüssel. Schließlich lockte „Ruhr.2010“ 10,5 Millionen. Gäste in die einstige Bergbauregion. Insgesamt 2,2 Mio. besuchten auch die Zeche Zollverein, die seit zehn Jahren UNESCO-Weltkulturerbe ist. Und der Trend hält an.

Von Touristenzahlen wie im Ruhrgebiet träumen andere Industriegegenden in Europa derzeit noch. So zum Beispiel die „Route der Technikdenkmäler“ in Schlesien/Polen. Dort gibt es insgesamt 36 Sehenswürdigkeiten zu bestaunen, besonders Bergwerke und Brauereien. Eigentlich, so erklärte Tourismuskoordinator Adam Hajduga, hätten die polnischen Organisatoren alles richtig gemacht. Die Schlesienstrecke ist weit vernetzt, als Teil einer europäischen Industriekulturroute, zu der auch das Ruhrgebiet gehört.

Schlesien ganz weit vorne

Beim Marketing liegen die Schlesier ganz weit vorne, halten einen interaktiven Internetauftritt und vielfältiges Info-Material für die Touristen bereit. An die Zahlen des Ruhrgebiets mit seiner langen Tradition und dem Plus als Kulturhauptstadt kommt die schlesische Route jedoch noch lange nicht heran. Hajdun: „Im Jahr 2010 hatten wir etwa 500 000 Besucher.“

Die Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen Industriestandorten sind Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Tourismus, stellten die Experten in Brüssel fest. Und auch da ist das Ruhrgebiet mit seiner „Route Industriekultur“ und dem Erfolg von „Ruhr.2010“ Spitze. Martina Tendick von der Stiftung Zollverein: „53 Städte haben 2010 zusammengearbeitet. Das ist für uns auch ein Teil der Nachhaltigkeit.“ Denn meistens haben Industriestädte, gerade wenn sie kleiner sind, allein nicht die Mittel und das Wissen, um Touristen rundum zu versorgen. Die Zusammenarbeit mit touristisch attraktiven Nachbarorten lohnt sich.

Es gibt auch Schattenseiten

Der Erfolg des Ruhrgebiets und speziell der Zeche Zollverein hat aber auch seine Schattenseiten. Denn der Titel „UNESCO Weltkulturerbe“ verträgt sich nicht immer mit den Bedürfnissen der Touristen, wie Tendick in Brüssel erklärte: „Es ist schwer, Tourismus auf einem Weltkulturerbe zu betreiben.“ Wobei der Titel prinzipiell noch mehr Gäste anlockt. Die erwarten allerdings von ihrem Ausflugsziel Angebote wie eine abwechslungsreiche Gastronomie und Shoppingmöglichkeiten.

Was von Ruhr.2010 blieb

Die Kulturlinie 107 der Evag wurde eigens zum Kulturhauptstadtjahr ins Leben gerufen. Foto: Kerstin Kokoska
Die Kulturlinie 107 der Evag wurde eigens zum Kulturhauptstadtjahr ins Leben gerufen. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Blick auf Zollverein... Foto: Kerstin Kokoska
Blick auf Zollverein... Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
...wenn auch erst nur auf einem Plakat, wie diesem in Bredeney.  Foto: Kerstin Kokoska
...wenn auch erst nur auf einem Plakat, wie diesem in Bredeney. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Vom Fenster aus kann man den Essener Süden... Foto: Kerstin Kokoska
Vom Fenster aus kann man den Essener Süden... Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
... von seiner schönsten winterlichen Seite betrachten. Foto: Kerstin Kokoska
... von seiner schönsten winterlichen Seite betrachten. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Doch ein Großteil der Fahrt läuft unter Tage, wie hier am Rüttenscheider Stern. Foto: Kerstin Kokoska
Doch ein Großteil der Fahrt läuft unter Tage, wie hier am Rüttenscheider Stern. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Fahrzeugbegleiter Stergios Tsitsis freut sich vor allem über die Touristen, die zum Kulturhauptstadtjahr in den vergangenen Monaten Essen bevölkerten. Foto: Kerstin Kokoska
Fahrzeugbegleiter Stergios Tsitsis freut sich vor allem über die Touristen, die zum Kulturhauptstadtjahr in den vergangenen Monaten Essen bevölkerten. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Durch Ruhr.2010 kamen deutlich mehr Touristen - auch in Essens Bahnen. Foto: Kerstin Kokoska
Durch Ruhr.2010 kamen deutlich mehr Touristen - auch in Essens Bahnen. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Erst am Tag zuvor sei wieder eine ganze Gruppe Engländer dagewesen, erzählt Tsitsis. Foto: Kerstin Kokoska
Erst am Tag zuvor sei wieder eine ganze Gruppe Engländer dagewesen, erzählt Tsitsis. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Susanne Hoffmann hat das Kulturhauptstadtjahr genutzt, um Essen ganz neu zu entdecken. Foto: Kerstin Kokoska
Susanne Hoffmann hat das Kulturhauptstadtjahr genutzt, um Essen ganz neu zu entdecken. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Edgar Pell zog vor zwölf Jahren von Kasachstan nach Essen. Im Kullturhauptstadtjahr besuchte er gemeinsam mit seiner Frau die Zeche Zollverein. Foto: Kerstin Kokoska
Edgar Pell zog vor zwölf Jahren von Kasachstan nach Essen. Im Kullturhauptstadtjahr besuchte er gemeinsam mit seiner Frau die Zeche Zollverein. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Schönes Katernberg, findet Luise Sörensen. Vor einem Halbjahr kam sie aus Salzburg nach Essen, weil ihr Vater hier Schaupspieler am Grillo ist. Foto: Kerstin Kokoska
Schönes Katernberg, findet Luise Sörensen. Vor einem Halbjahr kam sie aus Salzburg nach Essen, weil ihr Vater hier Schaupspieler am Grillo ist. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Der Großvater von Furhan Uzun (rechts) war Bergmann auf Zollverein. Warum sich heute so viele Menschen das Weltkulturerbe anschauen, können er und sein Freund Erhan Ötztürk jedoch nicht verstehen Foto: Kerstin Kokoska
Der Großvater von Furhan Uzun (rechts) war Bergmann auf Zollverein. Warum sich heute so viele Menschen das Weltkulturerbe anschauen, können er und sein Freund Erhan Ötztürk jedoch nicht verstehen Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Ulrich Erberhard von der Linden steigt mit seiner Gitarre ein:
Ulrich Erberhard von der Linden steigt mit seiner Gitarre ein: "Hab' Weihnachtslieder einstudiert, vielleicht verdiene ich ein paar Euro", hofft er. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Chris Höfer und Stefanie Merse auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Foto: Kerstin Kokoska
Chris Höfer und Stefanie Merse auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Bei den oberirdischen Teilen der Fahrt... Foto: Kerstin Kokoska
Bei den oberirdischen Teilen der Fahrt... Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
...kann man den Wandel der Kulturhauptstadt entdecken... Foto: Kerstin Kokoska
...kann man den Wandel der Kulturhauptstadt entdecken... Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
...wenn man genau hinschaut. Foto: Kerstin Kokoska
...wenn man genau hinschaut. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
Auch im Winter übt Zollverein eine große Faszination aus. Foto: Kerstin Kokoska
Auch im Winter übt Zollverein eine große Faszination aus. Foto: Kerstin Kokoska © WAZ FotoPool
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Das kollidiert oft mit Auflagen der UNESCO, etwas für neue Gebäude rund um das Kulturerbe: .Zu hoch dürfen sie nicht sein, die Zeche muss immer gut sichtbar sein. Auch darf das Erscheinungsbild des Geländes nicht maßgeblich verändert werden. Viele Pommesbuden und Souvenirgeschäfte würden das aber tun. Einschränkungen gibt es auch bei der erlaubten Besuchermenge: Mehr als 400 Personen dürfen aus Sicherheitsgründen nicht gleichzeitig in der Zeche sein. Die Stiftung Zollverein muss folglich ständig eine Balance finden zwischen dem Respekt für das historische Gebäude und den Wünschen der Besucher. Schließlich will man den kostbaren Titel Weltkulturerbe nicht aufs Spiel setzen.