Im südböhmischen Písek wird bis heute Gold gewaschen. Am ersten Samstag im August läuft sogar ein Wettbewerb
Schau mal her!”, ruft Jaromir. „Was ist das denn?” Sein Kollege Karel zuckt mit den Achseln, kickt derb gegen den Klotz und sagt: „Weiß nicht. Komm, mach weiter.” So trug es sich zu: Jaromir und Karel, zwei Straßenbauarbeiter, stießen bei Písek, nahe der heutigen Europastraße 49, auf einen zwei Kilogramm schweren Klumpen Gold, den sie aber nicht als solchen erkannten.
Info
Lage: Písek liegt rund 100 Kilometer südlich von Prag.
Anreise:Mit dem Auto: ab Prag über die Fernstraßen R4 und E49. Mit Lufthansa ( 01805/80 58 05, www.lufthansa.com ab Düsseldorf oder Germanwings ( 0900/19 19 100, www.germanwings.com ) ab Köln nach Prag.
Währung
Tschechische Krone (CZK): ein Euro ist rund 26 Kronen wert.
Veranstalter
Mit Ameropa (06172/10 97 77, www.ameropa.de )
eine Woche Prag im Vier-Sterne-Hotel ab 290 Euro – inklusive PKW-Stellplatz.
Mit BelVilla (0800/18 260 13, www.belvilla.de ) eine Woche im fünf Personen-Appartement ab 389 Euro.
Kontakt
Tschechische Zentrale für Tourismus: 030/20 44 770
Der Fund ereignete sich kurz vor dem Schwarzen Freitag am 13. Mai 1927, als der Kurssturz an der Berliner Börse schlechte Zeiten einläutete, die schließlich im Schwarzen Freitag des 25. Oktober 1929 ihren Höhepunkt fanden: Der Zusammenbruch der us-amerikanischen Börse löste die letzte große Weltwirtschaftskrise aus. Dieser Tage herrscht wieder Weltwirtschaftskrise. Man wähnt sich in ähnlich schlechten Zeiten, wie sie Jaromir und Karel erlebten. Banker zocken und Millionen spielen bei diesem Monopoly keine Rolle mehr. Wie menschlich wirkt dagegen eine Geschichte wie die von Jaromir und Karel: Einfache Leute finden Gold, viel Gold – erkennen es aber nicht.
Der Fluss Otava führt tatsächlich goldhaltigen Sand mit sich – Písek heißt auf tschechisch Sand. Schon im 8. Jahrhundert wuschen die Kelten dort Gold. Im Laufe der Jahrhunderte machte das Gold die ganze Gegend reich. Doch Jirí Fröhlich bremst die Hoffnung. Er ist Archäologe und weiß: „Seit dem Mittelalter sind die Goldadern ausgebeutet. Die Otava führt zwar weiterhin Gold mit sich, aber die Partikel sind minimal: Für ein einziges Gramm Gold werden 17 000 der winzigen Goldkörnchen benötigt, die man aus dem Flusssand waschen muss.”
Am besten ginge es noch am oberen Flusslauf und nach Hochwasser. Fröhlich spricht aus Erfahrung. Der 63-Jährige ist in dem 30 000-Einwohner-Städtchen Písek geboren und versuchte es seit seiner Kindheit immer wieder, kam aber nie über eine Gesamtmenge von einem halben Gramm pro Tag hinaus. „Ein schlechter Schnitt”, sagt er. „Aber wer seinen Spaß haben möchte, sollte am ersten August-Samstag zum Goldwaschen kommen.” Dann stelle man sich mit hochgekrempelten Hosen und dutzenden anderen Goldsuchern bei Kestrany, zwölf Kilometer von Písek entfernt, in die Otava, um am Goldwäscher-Wettbewerb teilzunehmen.
Spaß und Optimismus kann in Krisenzeiten ja nicht schaden. Eine Pfanne zum Waschen wird gegen eine kleine Gebühr ausgeliehen und der geborgene Goldertrag darf behalten werden. Die Touristenattraktion gibt es seit 1992, reich ist dabei noch keiner geworden: 17 000 mal ein Goldkörnchen finden – für ein Gramm Gold: Das lässt moderne Goldwäscher schnell vom Träumen abkommen und in die Realität eintreten: In Form der schweren Holztüre des Práchenské Muzeum von Písek, das sich seiner Goldausstellung rühmt. Wenn man kaum was findet, möchte man zumindest staunen – über Jaromir und Karels Goldklumpen.
Museumsdirektor Jirí Prásek erklärt zunächst, dass „Mitte der 1960er-Jahre Reste der einst für den Wohlstand so wichtigen Goldmühlen gefunden wurden, die an die 700 Jahre alt sein müssen.” Das sei einzigartig in Europa. Das Gold ermöglichte 1245 die Stadtgründung und den Bau der Münzprägeanstalt, schuf die Überwachung des Verkehrs auf dem Goldenen Steig; dem Handelsweg „Zlatá stezka” von Passau nach Prag, und just 1256 erhob der profitable Goldstatus das kleine Písek zur Königsstadt.
Práseks Geschichtsstunde mutet an wie die Beschreibung einer mitteralterlichen Hausse. Und anstatt im Bankensumpf zu versinken, würde man heute gerne an der Zeitmaschine drehen, um als Goldwäscher auf Flusssand zu stehen.
Der Zwei-Kilo-Brocken von Jaromir und Karel, den ihr Vorabeiter schließlich erkannte und pflichtbewusst meldete, wurde im Laufe der Zeit, besonders im Zweiten Weltkrieg, immer kleiner. Viele wollten etwas davon abhaben, Teile wurde abgebrochen, verschwanden. Drei Restbrocken sind heute im Prager Nationalmuseum und ein Stückchen in Písek zu bestaunen. Museumsdirektor Prásek kennt exakt die Daten: „46 mal 31 Millimeter groß, 17,2 Gramm schwer.” Der Wert heute: gerade mal rund zehn Euro. Jaromir und Karel hätten jeweils vier Pilsener dafür bekommen.