Hong Kong. Urlaub wie auf dem Olymp: Das “Ritz-Carlton Hong Kong“ im Stadtviertel Kowloon ist das höchste Hotel der Welt, mancher Urlauber residiert über den Wolken. Und im Outdoor-Whirlpool im 118. Stock wirkt der Himmel näher als die Stadt.

Die Skyline von Hong Kong Island wirkt von hier klein wie ein Modell. Menschen sind mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen. Die gigantischen Frachter und Kreuzfahrtschiffe im „duftenden Hafen“, wie Hong Kong übersetzt heißt, sehen winzig wie Wasserläufer aus. Sogar auf vorbeifliegende Hubschrauber und Greifvögel sieht man herab. In meinem Zimmer im 110. Stock, in 447 Metern Höhe, komme ich mir vor wie ein Riese im Olymp. Ziemlich einsam.

Gut, dass in der Sofaecke ein leistungsstarkes Fernglas auf einem Stativ bereit steht. Ob ich damit in die Zimmer der Wolkenkratzer gegenüber spionieren kann? Leider nicht. Ich bin zu weit oben. Ich nehme meine Kamera und schieße weitere 20 Fotos aus dem Panoramafenster. Wahrscheinlich verbringt jeder Gast die ersten zehn Minuten auf seinem Zimmer im neuen „Ritz-Carlton Hong Kong“ mit atemlosem Fotografieren. Die Aussicht ist phänomenal – wenn das Wetter denn mitspielt. „An Regentagen sieht man nichts, dann sind wir über den Wolken“, sagt Hotelsprecherin Bonnie Kwok – mit Stolz.

Höchstes Hotel der Welt

Seit der Eröffnung im Mai ist das „Ritz-Carlton Hong Kong“ das höchste Hotel der Welt. Zuvor hielt das „Park Hyatt Shanghai“ (79. bis 93. Stock) diesen Rekord. Das Ritz liegt zwar lediglich im vierthöchsten Wolkenkratzer der Erde, dem International Commerce Center (ICC). Aber es thront auf der Spitze des 490-Meter-Bürogebäudes.

Und so bricht es gleich mehrere Weltrekorde: das höchste Hotel, die höchste Hotellobby (im 103. Stock), der höchste Spa-Bereich (116. Etage), der höchste Pool, das höchste Fitnessstudio, die höchste Bar, die höchste Open-Air-Terrasse, letztere alle im 118. Stock.

Mega-Bahnhof für Schnellzüge geplant

Bis zum Zimmer ist es eine kleine Weltreise. Das Ritz liegt inmitten einer riesigen Baustelle im Stadtviertel Kowloon. Bis 2014 soll hier ein Mega-Bahnhof für Schnellzüge entstehen, der Hong Kong mit Chinas Großstädten verbindet. Mit U-Bahn oder Taxi gelangt man in die Hotel-Vorhalle auf Etage 9. In der eigentlichen Lobby im 103. Stock heißt es dann: Bitte umsteigen. Vier Hotel-Express-Lifte führen nach oben. „Normale Aufzüge schaffen zwei Meter die Sekunde. Unsere neun“, sagt Bonnie Kwok, während wir versuchen, den Druck auf den Ohren loszuwerden.

In der Ozone-Bar im 118. Stock schlürfen Hong Kongs Anzugträger Nachmittagscocktails, Touristen genießen die Aussicht bei einer Cola für umgerechnet 6,50 Euro. Der Boden schwankt leicht, kaum merklich, wie der Anflug einer Kreislaufschwäche. „Bis zu einem Meter bewegt sich die Spitze des Gebäudes im Wind. Dann muss aber schon ein richtiger Taifun herrschen“, beruhigt uns Peter Find, der Küchenchef.

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Mit seiner Körpergröße von 1,93 Meter passt der hünenhafte Oberhesse schon rein optisch perfekt in das Hotel. Möglich, dass hier noch ein weiterer Rekord gebrochen wurde – der höchste Küchenchef der Welt. Nach einer Metzgerlehre im 800 Seelen-Heimatdorf Bersrod und einer Kochlehre in Gießen arbeitete er in der Schweiz und schließlich in Asien, wo es von deutschen „Executive Chefs“ geradezu wimmelt. Warum eigentlich? „Vielleicht wegen der viel zitierten deutschen Tugenden. Als Küchenchef muss man vor allem gut organisieren können. Dazu kommt der gute Ruf der Ausbildung.“

Deutscher Einfluss

Natürlich bemerkt man den deutschen Einfluss in der Kulinarik des Ritz, betont der Küchenriese. „Vor allem am Frühstücksbuffet. Wir haben Schwarzwälder Schinken und Bienenstich. Joghurt und Quark lasse ich extra aus Deutschland kommen.“ 106 Mitarbeiter kümmern sich um das leibliche Wohl der Gäste, davon sind allein 18 in der hauseigenen Patisserie beschäftigt.

Im 103. Stock sitzen junge Asiaten beim Chocolate Afternoon Tea mit atemberaubendem Blick auf die Stadt. Das Café, das sich „Chocolate Library“ (Schokoladen-Bibliothek) nennt, soll Aug’ und Gaumen von Schoko-Fetischisten schmeicheln. Zu verschiedenen Trinkschokoladen-Variationen wird ein kleines Bücherregal auf den Tisch gestellt, in dem Schoko-Kuchen und weitere Kakaospezialitäten stehen. Nebenan in der Lounge & Bar sitzt Hong Kongs Schickeria beim traditionellen Fünf-Uhr-Tee. Eine Angewohnheit aus der Zeit vor 1997, als Hong Kong noch britische Kolonie war. Jazz-Klänge, live am Piano gespielt, klimpern durch die Lounge.

Einblick in die Küche

„Den Sonnenuntergang sieht man am besten in unserem kantonesischem Restaurant im 102. Stock. Der Name, Tin Lung Heen, bedeutet ,Der Drache im Himmel’“, sagt Bonnie Kwok. Die Tische, bereits Wochen im Voraus reserviert, stehen an gigantischen Fenstern. Die Küche ist quasi offen: durch eine Wand aus lose aneinandergefügten Holzornamenten kann man hineinspähen. Ein hübscher voyeuristischer Gag.

Wo man hintritt, glitzert es. Moderne Formen, hohe Decken, sehr viel Glas, Licht und Raum. Berühmte asiatische Designer durften sich so richtig austoben. Der absolute Höhepunkt in jedem erdenklichen Sinne aber ist der 20 mal sieben Meter große Infinity Pool im 118. Stock. Vom 30 Grad warmen Wasser aus kann man direkt auf Hong Kongs Skyline blicken. An der anderen Wand schwimmen große bunte Fische umher – eine Projektion auf den 144 LED-Screens vor und über dem Pool. An der Decke ziehen Wolken vorbei, ebenfalls eine Bildschirm-Illusion. Den wirklichen Himmel sieht man, wenn man im heißen Outdoor-Whirlpool ein paar Schritte weiter liegt. Er wirkt näher als die Stadt unter mir.