Düsseldorf/Hamburg/Sankt Augustin (dapd). Gesundheit ist ein teures Gut. So teuer, dass Jahr für Jahr zwischen 150.000 und 300.000 Deutsche gezielt ins Ausland reisen, um sich dort günstiger als hierzulande behandeln zu lassen - Tendenz steigend, berichtet Jens Juszczak, der an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg das Thema erforscht. Eine Studie des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Hochschule belege, dass polnische Kurkliniken ihre Leistungen bis zu sieben Mal billiger anbieten als deutsche. "Unsere osteuropäischen Nachbarstaaten haben ein deutlich niedrigeres Lohnniveau, und auch die steuerlichen Abgaben für Arztpraxen und Kliniken sind geringer", erläutert Juszczak, der diese und andere Studien zum Thema betreut hat.

Vor allem Ostdeutsche, denen die östlichen Nachbarstaaten durch frühere Besuche vertraut seien, verbänden immer öfter ihren Urlaub mit einem Kur- oder Klinikaufenthalt dort. "Dabei geht es in der Regel um Leistungen, die nicht von der Krankenkasse ersetzt werden, zum Beispiel im Bereich Zahnersatz", sagt der Experte. Vor allem in Polen und Ungarn, aber auch in Bulgarien hätten sich zahlreiche Kliniken auf die Behandlung deutscher Patienten spezialisiert. "In der ungarischen 31.000-Einwohner-Gemeinde Mosonmagyaróvár ist die Zahnarztdichte sieben Mal so hoch wie in Köln." Tschechien wiederum locke mit günstigen Wellnessangeboten, klassischen Heilkuren sowie plastischer und ästhetischer Chirurgie.

Auch für die in Deutschland nicht erlaubte Präimplantationsdiagnostik (PID) reisten zunehmend Paare über die tschechische Grenze. In der Türkei würben zahlreiche Kliniken damit, per Pauschalangebot konkurrenzlos günstig Augen zu lasern.

Nicht nur Selbstzahler, auch Kassenpatienten reisen zuweilen über die Grenze, um sich im Ausland behandeln zu lassen. Denn in der Regel erstattet die Krankenkasse den Betrag, der bei einer entsprechenden Behandlung in Deutschland fällig gewesen wäre. "Je nach Höhe des zu leistenden Eigenanteils kann sich das lohnen", weiß Medizinsoziologe Kai Vogel von der Verbraucherzentrale NRW.

Für Zahnersatz etwa erhalte jeder Versicherte grundsätzlich einen festgelegten Zuschuss, unabhängig davon, ob man zum Beispiel eine Brücke oder ein Implantat wähle. Dieser Zuschuss werde auch für Auslandsbehandlungen gezahlt.

"Patientinnen und Patienten, die ihre Zähne in einem Nachbarland richten lassen möchten, sollten sich zunächst von einem deutschen Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan erstellen lassen", meint Vogel. Den sollten sie dann einem ebenso ausführlichen Heil- und Kostenplan der ausländischen Arztpraxis gegenüber stellen. "Beziehen Sie in Ihre Rechnung aber tatsächlich alle im Ausland fälligen Kosten mit ein", rät Vogel, "einschließlich Fahrt- und Unterkunft."

Zudem sei der ausländische Arzt bei auftretenden Problemen weiterhin der Ansprechpartner. "Neben dem Problem der räumlichen Entfernung ist es deshalb ratsam, vorab einen privaten Behandlungsvertrag mit dem ausländischen Arzt abzuschließen - die Gewährleistung etwa bei Komplikationen sollte schriftlich vor der Behandlung möglichst nach deutschem Recht festgelegt werden."

Um welche Behandlung es auch geht: "Man sollte immer bedenken, dass möglicherweise mehrere Termine in verschiedenen Zeitabständen vor Ort nötig sind", mahnt Vogel. Am ehesten könnten deshalb grenznah Wohnende oder Langzeiturlauber profitieren. Wer sich ernsthaft für eine Auslandsbehandlung interessiere, sollte sich außerdem über die im konkreten Fall zu erwartende Qualität erkundigen, zum Beispiel bei der eigenen Krankenkasse oder auch bei Qualitätsprüfern wie der Organisation TEMOS, die europaweit medizinische Dienstleistungen zertifiziert.

Laut einer aktuellen Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen (WINEG) der Techniker Krankenkasse waren über 95 Prozent der befragten Patienten, die sich bei ausländischen Vertragspartnern der Kasse behandeln ließen, mit Sauberkeit, Mitarbeiterqualifikation, Ablauforganisation, technischer Ausstattung, Mitarbeiterkapazität, Wartezeiten und Behandlungsergebnis vor Ort zufrieden. Auch die Verständigung habe geklappt: Neun von zehn Patienten konnten mit dem Auslandsarzt deutsch sprechen. Weniger zufrieden waren die Versicherten allerdings mit den Kosten. Der Eigenanteil lag alles in allem meist höher als ursprünglich kalkuliert.

dapd