Hamburg (dapd). Es sind zwar noch über 100 Kilometer bis zur Nordsee, doch in Hamburg lebt man bereits an der Waterkant - an der Wasserkante, der Küste. Die Elbe ist eben nicht irgendein Fluss: Hier in Hamburg liegt nach Angaben der Hamburg Port Authority der drittgrößte Hafen Europas. Außerdem gibt es Ebbe und Flut mit einem ordentlichen Tidenhub und der Westwind bringt frische Seeluft. Irgendwie ist man schon am Meer. Doch nicht nur Hamburg, die gesamte Region ist von der Elbe geprägt. Mit Strand- und Naturperlen, technischen Errungenschaften und jahrhundertealter Geschichte. Zeit also, den Hamburger Hafen und die Landungsbrücken zu verlassen.

Die Hamburger lieben ihre Elbe heiß und innig, am besten ist das an einem sonnigen Wochenende zu erleben. Dann scheint es, als machten sich ganze Heerscharen auf an den breiten Elbstrand zwischen Övelgönne und Blankenese, zu einem Spaziergang oder für einen entspannenden Strandtag. Die anschließende laue Sommernacht verbringen viele an der Strandperle, wo niemanden die langen Schlangen vor der Getränkeausgabe stören. Warum auch: Von irgendwoher wehen Gitarrenklänge herüber, Menschen lümmeln im Sand herum, das Wasser plätschert leise - karibisches Lebensgefühl in der Hansestadt.

Wer in der Elbe baden möchte, sollte wegen der gefährlichen Strömung lieber ans südliche Elbufer wechseln und elbabwärts am Städtchen Stade vorbei ins Kehdinger Land fahren, eine ursprüngliche bäuerliche Kulturlandschaft. Dort, beim Ort Drochtersen, geht es rechts ab nach Krautsand. Nur ein kleiner Flusslauf macht es zur Insel. Idyllisch und ruhig, nur selten ist ein Auto zu hören, es gibt zwei Campingplätze und einige Ferienwohnungen. Sowie einen Sandstrand, der es mit denen an Nord- und Ostsee aufnehmen kann. Nur, dass viel weniger los ist und regelmäßig richtig große Pötte vorbeischippern. Weiden und Pappeln spenden Schatten, an zwei Buden gibt es Currywurst und Fischbrötchen, für Abkühlung das Wasser der Elbe. Kaum einer, der sich nicht hineintraut.

Wieder zurück nach Hamburg, für ein bisschen Naturerlebnis. Am westlichen Stadtrand sind die Wedeler und die Haseldorfer Marsch wahre Vogelparadiese. 80 Brutvogelarten wurden bisher gezählt. Zu sehen ist fast alles, was Rang und Namen hat. In den Feuchtwiesen gehen Kiebitz, Uferschnepfe, Bekassine, Rotschenkel und der seltene Wachtelkönig auf Nahrungssuche, im Süßwasserwatt flitzen Regenpfeifer und Strandläufer umher, in den Gräben versuchen Reiher ihr Glück. Und über allem kreist der Seeadler, denn auch er hat sich wieder angesiedelt. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) betreibt hier die Carl Zeiss Vogelstation mit vielen Informationen und einigen Beobachtungsständen - Ferngläser können ausgeliehen werden.

Doch auch innerhalb der Stadtgrenzen gibt es Natur - und manchmal ist sie einzigartig. Im Südosten Hamburgs teilt die Elbe sich in Norder- und Süderelbe, um mit Wilhelmsburg die größte bewohnte Flussinsel Europas zu bilden. Dort gibt es ein Naturschutzgebiet, dessen Landschaft einmalig in Europa ist: das Heuckenlock. Ein drei Kilometer langer Tideauwald am Ufer der Süderelbe, eine Wasser- und Sumpfwildnis, mit uralten Bäumen und bis zu fünf Meter hohem Schilf. An der Bunthäuser Spitze, wo sich die Elbe teilt, steht das Elbe-Tideauenzentrum, in dem es am Wochenende allerlei zum Naturschutzgebiet zu erfahren gibt. Man sollte anschließend dem kleinen Schild "Wanderweg" folgen. Dieser führt bis an die südöstliche Spitze der Elbinsel zu einem alten kleinen Leuchtturm. Nur das Rauschen des Schilfs und vorbeituckernde Kähne sind hier zu hören, die Stadt und ihr geschäftiger Hafen sind weit weg.

Der Blick geht dort stromaufwärts und man kann es zwar nicht sehen, doch nach einigen Kilometern wird es technisch. In Geesthacht kann man mit dem Fahrrad auf Techniktour gehen, eine Karte gibt es bei der Tourist-Info. Da wäre zunächst die Schleuse, in der vier große Binnenschiffe gleichzeitig Platz haben. Sie wurde notwendig, damit diese die Staustufe von 1960 überwinden können, die der Wasserstandsregulierung im Hamburger Hafen dient. Inzwischen können neben den Schiffen auch wandernde Fische wie Lachs, Meerforelle und hoffentlich bald wieder der Stör das Hindernis überwinden, denn im September 2010 wurde eine neue Fischtreppe eingeweiht, die größte Europas. Und auch eine der effektivsten: über 200.000 Fische haben sie schon passiert. Und von wegen plattes Land: Das Pumpspeicherkraftwerk von Geesthacht ist einmalig in Norddeutschland. Diese Kraftwerke gibt es normalerweise nur in Mittelgebirgen, doch der Geesthang bot genügend Höhendifferenz, um hier an der Elbe auch eines zu bauen. Auf der Tour wartet eine weitere Überraschung, denn wer weiß schon, dass Alfred Nobel, der Stifter der Nobelpreise, hier in seiner Sprengstofffabrik Krümmel das Dynamit erfunden hat.

Nur 18 Kilometer von Geesthacht entfernt wird es historisch. Das Städtchen Lauenburg ist 800 Jahre alt. Geprägt wird es jedoch von seinen Fachwerkhäusern in der Elbstraße aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die prachtvollen Giebel zeugen von der wirtschaftlichen Bedeutung der historischen Schifferstadt. Auf dem Hochufer steht ein Schloss an der Stelle, wo Lauenburg einst vor acht Jahrhunderten seinen Anfang nahm, als Burg der Askanierherzöge. Sie wurde mehrmals erobert, zerstört, wieder aufgebaut und endete schließlich als zierliches Schloss. Nur der wuchtige Turm ist aus den Burg-Zeiten übriggeblieben. Wer diese Askanier überhaupt waren, verrät eine kleine Ausstellung in der Grotte des Fürstengartens, der 1656 angelegt und in den vergangenen Jahren originalgetreu restauriert wurde. Über die Fährtreppe geht es wieder hinunter zur Promenade, wo sich die Elbe noch etwas träge auf Hamburg zubewegt, ohne zu ahnen, was sie dort erwartet: Container- und Kreuzfahrtriesen statt knuffiger Binnenkähne. Geschäftiges Treiben an den Kais und den Landungsbrücken statt der ruhigen Atmosphäre im Binnenland. Aber auch ganz viele Leute, die von ihr gar nicht genug bekommen können.

dapd/jh