Berlin. . Auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin setzt man trotz Horrormeldungen aus Japan auf Normalität. Statt aktueller Meldungen gibt’s nur Strandfilmchen. Soviel Zynismus war selten: Selbst Libyen darf sich noch als orientalisches Märchenland vermarkten.

Als sich am Freitag, um 6.00 Uhr in der Früh das Handy von Hannes Schleicher meldete, wusste der Krisenmanager des Reiseveranstalters und Asienspezialisten Gebeco sofort, was los ist: Tsunami-Alarm. Schleicher gehört zum Kreis der wenigen Menschen, die das Unheil schon begannen in seiner Wucht einzuordnen, als es offiziell noch nicht einmal existierte.

Es war der Moment, als sich für ihn der Lauf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) auf den Kopf stellte, „weil Informationen, die älter sind als 15 Minuten, schon kaum mehr Relevanz haben“ sagt Schleicher. Und wie immer gilt im Katastrophenfall: „Die Sicherheit unserer Gäste hat absoluten Vorrang“, so Schleicher, der jetzt permanent in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und dem Krisenausschluss des Deutschen Reise Verbandes (DRV) steht.

Dramatische Videos machen die Runde. Die Welle rollt: Japans Nordküste, die Fiji-Inseln, Tahiti, Taiwan, Hawaii, die Westküste der USA, Chile, Ecuador und Peru. Nicht zu vergessen der australische Bundesstaat Queensland, der nun binnen weniger Wochen erst von sintflutartigen Regenfällen, einem gigantischen Wirbelsturm und jetzt von einem Tsunami heimgesucht wurde.„Das hier hat Relevanz“ sagt Schleicher und erinnert an das schwere Erdbeben von Haiti. „Das“, so der Krisenmanager, „hatte keine touristische Relevanz.“

Größtmögliche Normalität

Umso verwunderlicher dann die Stimmung gestern auf der weltgrößten Tourismusmesse: Am Japan-Stand war man um größte Normalität bemüht. Während in der Heimat das Hab und Gut von Tausenden weggespült wurde, liefen auf dem großen Flachbildfernseher in Halle 26 weiter die Bilder traumhaft schöner Badeurlaube. Mehr als 700 Flüge ab Tokyo gestrichen, 23 000 Passagiere gestrandet - kein Kommentar. Die Delegation aus Nippon hatte sich einen Maulkorb verpasst. Nur Misae Akiyama, einer Verkaufs-Managerin aus Tokyo, war ein harmloses Statement zu entlocken: „Die Kinder in Japan lernen schon in der Schule, sich bei Erdbeben richtig zu verhalten“. Die Situation sei also für Japaner „nicht neu“.

Auch an den anderen Ständen wurde mehr beschwichtigt als informiert. Nach Aussage der Messe selbst fand nicht eine einzige spontane Pressekonferenz zu den aktuellen Geschehnissen statt. Tief betroffen zeigte man sich lediglich in einer Pressemeldung, darin heißt es: „Mit Trauer und Bestürzung hat die Internationale Tourismusbörse auf die Nachrichten aus Asien reagiert.“ Man sei in Gedanken bei den Opfern und deren Familien.

Ob man in Gedanken auch bei den Menschen in Libyen ist, deren Abgesandten man es auf der ITB gestattet, ihr Land als orientalisches Märchen zu präsentieren?

Die Tourismusindustrie zeigt dieser Tage auf der ITB in jedem Fall wieder einmal, worin sie besonders gut ist: im Wegsehen.