So ein Seetag ist ein ziemlich untrüglicher Rahmen, um ein neues Kreuzfahrt-Konzept eingehend und kritisch unter die Lupe zu nehmen. Alle Mann an Bord, alle Kabinen ausgebucht, Vollauslastung in allen öffentlichen Bereichen. Die „Mein Schiff“ ist Anfang Januar auf einwöchiger Kanaren-Kreuzfahrt, von der Route her also eine Reise ohne echte Überraschungen. Umso mehr richten sich die Blicke auf die Ergebnisse der jüngsten Konzeptänderung. Mitte Oktober 2010 hatte sich die junge Kreuzfahrtlinie aus dem Hause TUI Cruises einer elementaren Produkterweiterung unterworfen. „Premium Alles Inklusive“ lautet seitdem das Zauberwort, dem sich die Reederei voll und ganz verschrieben hat. Ein cleverer Schachzug von Firmenchef Richard Vogel, der so TUI Cruises eine Alleinstellung auf dem umkämpften deutschen Kreuzfahrtmarkt verschafft und gleichzeitig das Profil der „Mein Schiff“ als Wohlfühlschiff weiter schärft.
Zunächst aber muss die Definitionsfrage gestattet sein, was genau eigentlich „Premium Alles Inklusive“ bedeutet und, noch wichtiger, an Leistungen beinhaltet. Schließlich wurden die Preise der TUI-Cruises-Kreuzfahrten mit Einführung des Konzepts um durchschnittlich rund 5 Prozent erhöht.
Gleich in der ersten Ausgabe des täglichen Bordprogramms können es die Gäste sicherheitshalber schwarz auf weiß nachlesen: „In allen Restaurants, Bars und Lounges gilt prinzipiell: Finden Sie keinen Preis hinter dem gewünschten Produkt, ist das Getränk oder die Speise bereits im Preis inbegriffen. Ausgenommen von dieser Regel sind unsere Exklusiv-Restaurants, die Sushi Bar, das Steakhouse sowie Richards Feines Essen. Hier werden für alle Speisen und Getränke zusätzlich Preise berechnet.“
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So weit die Papierform. Der Besuch der Bars und Restaurants verdeutlicht dann, wie das Konzept in der Praxis umgesetzt wird. Ganz ohne lästiges Bändchen am Arm kann jeder Gast ungehemmt konsumieren, persönlicher Service durch das deutschsprachige Personal inklusive. Und zwar nicht nur irgendwelche undefinierten Mixgetränke wie in den Urlaubshotels an der türkischen Riviera, sondern alle gängigen Markenprodukte und Qualitätsgetränke, die man auf einem Premiumschiff auch erwartet. Sei es ein fabelhaft zubereiteter Milchcafe, Cocktails wie Pina Colada oder Caipirinha, Markenbiere wie Becks und Warsteiner, gute Weine, sowohl offen als auch aus der Flasche serviert.
Die beobachteten Effekte, die durch die Neuregelung erzielt werden, sind sehr vielfältig und beschränken sich keineswegs auf die Entlastung des Bordkontos. Zunächst fällt auf, dass die Gäste insgesamt sehr diszipliniert und maßvoll mit der neu gewonnenen Freiheit umgehen können. Natürlich wird deutlich mehr getrunken, Fälle von exzessivem Alkoholkonsum sind auf dieser Reise aber definitiv Fehlanzeige.
Dafür gibt es viele positive Begleiterscheinungen, die sich auf das gesamte Bordleben auswirken. Etwa, dass die Passagiere insgesamt wesentlich entspannter wirken. „Wir haben auf dem Schiff inzwischen einen sehr schönen Gästefluss, da sich die Passagiere nun viel besser verteilen“, berichtet General Manager Axel Sorger. Tatsächlich hatte man auf der „Mein Schiff“ nie das Problem in den Griff bekommen, dass das Selbstbedienungsrestaurant „Anckelmannsplatz“ chronisch überfüllt war, da viele Gäste vor der Konzeptänderung ob der inkludierten Tischgetränke nur ungern ihren Sitzplatz wieder räumen wollten. Auch das Theater war dem Gästeansturm teils nicht gewachsen.
„Der erwünschte Nebeneffekt der Entzerrung ist dank Premium Alles Inklusive eingetreten, die Ballung der Gäste auf wenige Bereiche des Schiffs gehört endgültig der Vergangenheit an“, freut sich Sorger. Stattdessen habe sich eine richtige Aperitif- und Digestif-Kultur entwickelt. „Die Gäste genießen vor dem Essen einen Martini an der „TUI-Bar“, nach dem Restaurantbesuch wird in der „Tapas y Mas Bar“ noch ein Espresso getrunken oder auch ein Cocktail in der „Himmel & Meer Lounge“, so der General Manager. Zudem hätten die Passagiere inzwischen die Vorteile eines servierten Essens erkannt. Das „Atlantik“ als Hauptrestaurant, „wird nun voll angenommen“.
Eigentlich erstaunlich, dass sich die Qualität des Restaurants, das über zwei Etagen reicht und am Heck des Schiffes mit großer Fensterfläche zum Wasser auch optisch überzeugt, so schleppend herumgesprochen hatte. Die „Atlantik“-Menüvariationen, oftmals eine Kombination aus neuer deutscher Küche mit einem Hauch weite Welt, sind schon länger eine Klasse für sich. Positiv fällt das eloquente Auftreten des „Atlantik“-Servicepersonals auf. Die Vielfahrer unter den Passagieren merken schnell, dass sich hier die Konversation mit den Kellnern nicht auf die gängigen Floskeln beschränken muss.
Verbesserungswürdig bleibt aber die Schnelligkeit beim Getränkeservice, auch in manchen Bars. Dies ist dann dem jeweils hohen Aufkommen und der großen Nachfrage der Gäste geschuldet. „Das neue Konzept beschert unseren Mitarbeitern natürlich eine ganze Menge zusätzliche Arbeit. Da ist es ganz normal, dass wir die Abläufe weiter optimieren müssen“, räumt Sorger ein. Was die Auswahl der kostenpflichtigen Getränke angeht, werde man wohl noch eine Weile experimentieren, bis man die finale Produktauswahl getroffen habe. In der Tat erschließt sich die aktuelle Aufpreispolitik nicht immer. So kostet ein „Cafe con leche“ 2,30 Euro, während der Latte Macchiato oder der Cappuccino inklusive sind.
Kurios ist auch, dass die Flasche Sekt mit 23,50 Euro auf der Karte steht, ein Glas Sekt aber kostenfrei ist. Feinheiten, die bald der Vergangenheit angehören dürften. Und nichts daran ändern, dass TUI Cruises mit seinem neuen Konzept bereits auf einem richtig guten Kurs ist.