Immer öfter bläst den Kreuzfahrtgesellschaften in letzter Zeit der kalte Wind der Umweltschützer ins Gesicht. Die werfen den Reedereien vor, ihre Schiffe seien „Dreckschleudern“. Dabei hat sich bereits viel getan in Sachen Umweltschutz an Bord. Wir sprachen mit Franz Neumeier, Kreuzfahrtexperte und Betreiber des Portals Cruisetricks.de, über Schweröl, Kläranlagen und effizientes Schiffsmanagement.
Muss ich als Urlauber ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich eine Kreuzfahrt buche?
Nein. Auch bei einem Urlaub an Land verursachen Sie Schadstoffausstoß, ob Sie nun mit dem Auto oder dem Flugzeug ans Ziel kommen. Und verglichen mit der hochmodernen Technik an Bord von Kreuzfahrtschiffen sind beispielsweise Klimaanlagen oder Müllverbrennungsanlagen gerade in Billigurlaubsländern wie der Türkei hoffnungslos veraltet. Wer sich beim Thema Umwelt nur um Kreuzfahrtschiffe kümmert, denkt also zu kurz.
...aber die Debatte um umweltschonendes Reisen hat die Kreuzfahrtbranche erreicht, oder?
Ja, und das ist auch sehr vernünftig. Denn natürlich benötigen Kreuzfahrtschiffe große Mengen Energie und Verbesserungspotenzial gibt es immer. Hersteller von Antriebssystemen und Werften wie die Meyer Werft arbeiten sehr erfolgreich an immer neuen Ideen für energieeffizientere Schiffe mit weniger Schadstoffausstoß. Davon profitieren natürlich Reedereien wie AIDA, Celebrity Cruises, NCL und Disney Cruise Line, die ihre Schiffe dort bauen lassen.
...klingt erst einmal gut, aber...
...die ganze Debatte wird oberflächlich geführt. Dabei sind die Zusammenhänge komplex. Ein Beispiel: Seit Jahren wird diskutiert, Kreuzfahrtschiffe in den Häfen von Land aus mit Strom zu versorgen. Paradoxerweise ist das aber längst nicht immer die umweltfreundlichste Variante. Denn wird der Landstrom von Kohlekraftwerken erzeugt, dann haben die Generatoren an Bord tatsächlich einen geringeren Schadstoffausstoß.
AIDA-Chef Michael Thamm hat kürzlich gesagt: „Der beste Liter Schiffsöl ist der, den man nicht verbraucht.“ War das nicht schon immer so?
Natürlich war das schon immer so. Aber ich stimme Herrn Thamm vollkommen zu: Fossile Brennstoffe sollten wir sparsam einsetzen. Treibstoff hat einen ganz erheblichen Anteil an den Betriebskosten. Erfreulicherweise gehen Umweltschutz und Geschäftsinteressen da also in dieselbe Richtung.
Auch dank neuer Gesetze.
Ja, ab 2012 darf beispielsweise in ökologisch sensiblen Gewässern der Antarktis Schweröl nicht einmal mehr in den Tanks mitgeführt, geschweige denn als Treibstoff benutzt werden. Zahlreiche Häfen schreiben Schiffen bereits vor, dass sie ab einer gewissen Entfernung zum Land nur noch mit Diesel fahren dürfen. Fast alle Kreuzfahrtschiffe sind daher längst in der Lage, während der Fahrt auf den schwefelärmeren Schiffsdiesel umzustellen.
Was halten Sie von Portalen wie Shippingefficiency.org, das Schiffe auf ihre Umweltverträglichkeit hin einstuft?
Die Idee ist eigentlich hervorragend: Effizienz und damit Umweltfreundlichkeit von Schiffen vergleichen, um einen Anreiz für Verbesserungen zu schaffen. Höchst problematisch ist aber die Umsetzung: Zum einen basieren die Berechnungen überwiegend auf groben Schätzungen, nicht auf realen Verbrauchswerten. Zum anderen bezieht sich die Berechnungsmethodik auf Tanker, Container- und Frachtschiffe. Das Bewertungs-System ähnelt den Energieklassen bei Kühlschränken und ist total irreführend.
Geben Sie uns mal ein Beispiel.
Die 15 Jahre alte Celebrity Century bekommt zum Beispiel eine hervorragende A-Bewertung, während eines der modernsten und umweltfreundlichsten Kreuzfahrtschiffe überhaupt, die Celebrity Eclipse, nur ein C bekommt. Das ist einfach Unfug.
Was konkret haben die Reedereien und Schiffsbauer in den letzten Jahren getan, um die Schiffe effizienter zu machen?
Wir reden von Effizienzsteigerungen von rund einem Drittel innerhalb von wenigen Jahren. Veränderte Rumpfformen und eine spezielle Beschichtung lassen Schiffe heute leichter durchs Wasser gleiten. Spezialfolien auf den Außenscheiben halten die Sonnenwärme draußen und erhöhen die Effizienz der Klimaanlagen. Solarzellen sind in Kombination mit energiesparenden Lampen heutzutage in der Lage, fast den gesamten Strom zur Beleuchtung der öffentlichen Bereiche eines Kreuzfahrtschiffs zu erzeugen. Die Müllverbrennungsanlagen an Bord sind mit Wärmerückgewinnungssystemen ausgestattet. Und die Bordkläranlagen stehen heute denen an Land in nichts nach. Wie sehr die Umwelttechnik auf Kreuzfahrtschiffen ins Detail geht, zeigt ein Beispiel von Celebrity Cruises: Dort wird zum Kühlen von kalten Speisen nur noch selten Eis verwendet, sondern gekühlte Flusskieselsteine.
Wo sehen Sie denn noch Möglichkeiten?
Für sehr wichtig halte ich alles, was sich nachrüsten lässt, um ältere Schiffe umweltfreundlicher zu machen. Viel lässt sich bei den Treibstoffen machen: Es wird über Gasöl als Treibstoff diskutiert, was die Schwefelemissionen deutlich reduzieren würde. Aber auch Abgasfilter könnten Enormes bewirken. Royal Caribbean testet gerade auf der Independence of the Seas ein Filtersystem, das laut Hersteller 99 Prozent der Schwefeloxide, zwei Drittel der Stickoxide und rund drei Viertel des CO2 aus den Schiffsabgasen filtert. Letztlich sind es die vielen kleinen Details, die zusammengenommen sehr viel bewirken. Und nur zum Teil die großen Erfindungen.
Woran erkennt man, ob ein Schiff umweltschonend ist?
Als Faustregel kann man sagen: Neuere Schiffe fahren umweltschonender als ältere. Und größere Schiffe arbeiten effizienter als kleine. Einen Unterschied macht auch, welche Strecke das Schiff zurücklegt. Bei einer Route von Alexandria nach Malta ist klar, dass mehr Treibstoff verbraucht wird, als auf Kurzstrecken zwischen den Kanaren. Der Antrieb macht 50 Prozent des Energiebedarfs aus. Denken Sie bei einer Kreuzfahrt aber nicht nur an das Schiff selbst. Es macht einen großen Unterschied, ob Sie mit dem Flugzeug zur Karibik-Kreuzfahrt nach Miami fliegen, oder mit dem Zug nach Hamburg fahren und zu einer Nordlandkreuzfahrt aufbrechen.