Die Fähre tuckert am Anleger vorbei und nimmt stattdessen die Abzweigung zum kleinen Hafen von Hitzacker. Eben hatten wir zwei Frauen uns noch gewundert, wie weit das kleine Schiff ausholen muss, nun schauen wir ihm hilflos hinterher. Doch kein Grund zur Sorge, der Käptn hat nur ein paar Meter weiter einen eigenen Anlegeplatz: „Wenn ältere Leute oder Radfahrer mit viel Gepäck mitfahren, halte ich immer hier. Das ist zum Aussteigen viel bequemer”, sagt Dieter Gäde. Seit fünf Jahren bringt der pensionierte Berufsschiffer von April bis Oktober Fußgänger und Radfahrer zwischen Hitzacker in Niedersachsen und Herrenhof in Mecklenburg-Vorpommern über die Elbe.
Die Landschaft verwöhnt die Sinne mit sattem Grün
So ganz ohne Schifffahrt geht's eben doch nicht. Gäde ist mit viel Spaß bei der Sache: „Ja, ich mach’ das gerne. Und man trifft ja auch immer nette Leute.” Die wenigen mit einem langen Gesicht würde er am liebsten stehen lassen. Weil das nicht geht, werden Miesepeter an Bord einfach ignoriert.
Hier schlechte Laune zu bekommen ist recht schwierig. Die Menschen sind freundlich und offen. Und die Landschaft verwöhnt die Sinne mit dem satten Grün der Elbtalauen und schmucken, reetgedeckten Häusern.
Doch erst einmal hatte es einige Zeit gedauert, bevor wir uns von Hitzacker losreißen konnten. Die von dem Flüsschen Jeetzel umflossene Altstadt hat zwar nur ein paar Straßenzüge. Aber beim Radeln durch die Gassen wird man immer wieder durch das eine oder andere Kleinod zum Halten gebracht. Auf dem Marktplatz findet man eine wasserspeiende Bronzeskulptur, den Butt. Auf dem Schild steht: „Denk mal an die Elbe und die Fische.“ Eine Mahnung, Umwelt und Natur nicht aus den Augen zu verlieren. Das wollen wir auch nicht und so strampeln wir den Weinberg hinauf. Jedes Jahr werden dort rund 120 Liter Weißwein gekeltert. Von der Burg, die einmal hier oben stand, ist allerdings nichts mehr zu sehen. Geblieben ist die Sicht über Hitzacker und die Elbe.
Live-Übertragung aus dem benachbarten Storchennest
Nun stehen wir also bei Herrn Gäde auf der Fähre und setzen nach Mecklenburg-Vorpommern über. Der erste Teil unserer Radtour führt in Richtung Westen am rechten Ufer entlang. Wenn es in Hitzacker schon lauschig war, dann herrscht hier himmlische Ruhe. Es sei denn, man empfindet das Singen der Vögel als Lärm. Den ersten Kuckuck hören wir nach rund einem Kilometer, das aufgeregte Trällern der Lerchen und das Schnattern der Graugänse begleiten uns die gesamte Zeit.
Der Radweg ist perfekt ausgebaut. Mal fahren wir unten am Deich entlang und an Dörfern wie Rossau vorbei, in denen es mehr Hunde als Häuser gibt. Oder oben auf der Deichkrone, mit Blick auf die Elbe und die Auen mit ihren mäandernden Flutrinnen und den kleinen Bracks. Ein großes Feuchtgebiet, das sich auf der anderen Seite des Deiches fortsetzt. Fast jedes Dorf hat seine eigenen Weißstörche und man hat sich prima miteinander arrangiert: Während der Hausbesitzer auf seinem fahrbaren Rasenmäher herumkurvt, schreitet der Storch gemächlich hinterher und pickt auf, was sich ihm im nun kurzen Gras so bietet.
Wegen unserer vielen Fotostopps kommen wir nur langsam voran. Auch Konau hält uns auf, eines der wenigen typischen Marschhufendörfer, in denen die Häuser direkt hinter einem hufeisenförmigen Deich liegen. Dann ist es nicht mehr weit bis Stiepelse, wo wir uns im Gästehaus Lichtblick, das als Herberge für Radfahrer erst im vergangenen Jahr an den Start ging, ein Zimmer reserviert haben. Besitzer Klaus Karnatz versorgt uns noch mit einem „Strammen Max”. Am nächsten Morgen repariert er ungefragt noch schnell den Sattel am Fahrrad meiner Begleiterin: „Das ist so doch viel zu gefährlich.”
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In Neu-Bleckede setzen wir wieder nach Niedersachsen über. Wir steuern das Elbschloss Bleckede an, wo das Besucherzentrum für das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue untergebracht ist. Hier gibt es eine Live-Übertragung aus einem Storchennest, in dem dieses Jahr drei junge Störche flügge werden. Von hier sind es noch rund 20 Kilometer bis Lauenburg. Inzwischen sind wir tiefenentspannt und genießen einfach nur noch. Immer wieder kommen wir an Häusern vorbei, bei denen der Wunsch fast übermächtig wird, zu klopfen und zu fragen: „Entschuldigung, darf ich hier wohnen?” Besonders hübsch sind die Dörfer Radegast und Brackede. Das winzige Radegast hat einen historischen Dorfkern mit einer Kirche, deren Grundmauern aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammen. Jetzt noch rund zehn Kilometer, dann ist Lauenburg erreicht. Vorher noch ein Picknick am Deich, zum Abschluss ein Kaffee an der Elbpromenade in der Altstadt von Lauenburg.