Fliegen wird teurer: Die Bundesregierung hat kürzlich eine sogenannte Luftverkehrssteuer beschlossen. Ab 2011 fällt sie für jeden Flug ab Deutschland an. Sie beträgt acht Euro für Inlandsflüge und Kurzstrecken, 25 Euro für Mittelstrecken und 45 Euro für Langstreckenflüge. Ungerecht, findet Ralf Teckentrup, Geschäftsführer der Fluggesellschaft Condor. Das Reise Journal sprach mit ihm über mögliche Alternativen, gefährdete Arbeitsplätze und die Gewinner der neuen Steuer.

Herr Teckentrup, ist die Luftverkehrssteuer gerecht?


Teckentrup: Nein. Ein sparsamer Normalbezahler, der für 600 Euro nach Los Angeles fliegt, muss genauso viel Steuer zahlen wie ein Passagier der Business Class, der 9000 Euro für das Ticket bezahlt. Der kleine Mann zahlt die Zeche. Außerdem: Wer von Moskau über Frankfurt nach New York reist, kommt um die Steuer herum. Wer aber von Berlin über Frankfurt nach New York fliegt, zahlt. Ein Skandal.

Was stört Sie am meisten an der neuen Steuer?


Teckentrup: Der Bund nimmt auf Kosten der Länder eine Milliarde Euro ein. Länder und Kommunen werden 700 Millionen Euro einbüßen, zum Beispiel wegen wegfallender Gewerbesteuer und höherer Arbeitslosigkeit. Skandalös ist aber auch, wenn das Kabinett etwas beschließt, das seit dem 1. September gültig ist, obwohl der Bundestag erst im November darüber entscheiden kann.

Wer ist der größte Verlierer der Steuer?


Teckentrup: Alle, bis auf Frau Merkel und Herr Schäuble. Die beiden stoßen sich mit einer Milliarde den Bundeshaushalt gesund und alle anderen verlieren: Die Volkswirtschaft verliert an Arbeitsplätzen, an Effizienz und an Wohlstand.

Wird die Luftverkehrssteuer also ein Minusgeschäft?


Teckentrup: Auf jeden Fall. Sie sorgt dafür, dass aus 16 000 Beschäftigten 16 000 Arbeitslose werden. Die Regierung benachteiligt die deutsche Luftverkehrsindustrie willentlich und wissentlich gegenüber den Wettbewerbern. Wir konkurrieren mit Gesellschaften aus dem Ausland. Und die haben diese Steuer nicht.

Aber ausländische Airlines müssen die Steuer für Abflüge in Deutschland doch auch bezahlen?


Teckentrup: Das stimmt, aber für ausländische Fluggesellschaften machen die Abflüge aus Deutschland nur einen kleinen Teil aus. Deutsche Airlines haben hier ihr Drehkreuz, da fällt die Steuer natürlich viel mehr ins Gewicht.

Wird es die Billigfluglinien besonders hart treffen?


Ralf Teckentrup
Ralf Teckentrup © MSG

Teckentrup: Ja. Eine reine Billigairline, die ihre Passagiere im Durchschnitt für 45 Euro befördert, hat bei acht Euro Luftverkehrssteuer eine Preissteigerung von 20 Prozent. Es ist vollkommen klar, dass dann einzelne Flüge nicht mehr profitabel sind. Auch Charterfluggesellschaften, die nach einem Low-Cost-Geschäftsmodell laufen, sind sehr preissensibel.

Gibt es in der Luftfahrtbranche auch Gewinner?


Teckentrup: Eine Fluggesellschaft mit viel Luftfrachtverkehr wird profitieren: Die Lufthansa. Schließlich gib es für die Luftfracht keine Flugsteuer. Die Passagiere bezahlen das, was die Cargo nicht bezahlt.

Experten rechnen mit 2,6 Millionen weniger Passagieren...


Teckentrup: Unabhängige Studien rechnen sogar mit sechs bis sieben Millionen weniger Passagieren in Deutschland. Davon wird ein Teil ins benachbarte Ausland ausweichen. Ob Sie von Düsseldorf aus fliegen oder von Holland, ist ja kein großer Unterschied.

Germanwings hat schon erste Gespräche mit Maastricht geführt. Werden Airlines jetzt tatsächlich abwandern?


Teckentrup: Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass in ein, zwei Jahren von Deutschland aus weniger Flüge ins Ausland durchgeführt werden.

Für die Umwelt ist es doch gut, wenn weniger geflogen wird.


Teckentrup: Dadurch, dass einer oder drei Leute weniger im Flugzeug sitzen, wird das Flugzeug nicht kleiner und verbraucht auch nicht weniger Kerosin. Bei der Autofahrt zum Flughafen nach Holland, Luxemburg oder in die Schweiz wird noch zusätzlich CO2ausgestoßen. Der Umwelt hilft das also gar nicht.

Ursprünglich war die Luftverkehrssteuer als Öko-Abgabe gedacht, warum ist inzwischen das Wort Abgabe vom Tisch?


Teckentrup: Das Ding ist weder öko noch logisch. Und es ist keine Abgabe, es ist eine willkürliche Steuer. Abgaben müssen zielgerichtet verwendet werden und nicht einfach nur die Haushaltslöcher stopfen.

Was wird die Branche unternehmen?


Teckentrup: Wir klären die Öffentlichkeit auf. Die über 500 Menschen im Bundestag, die das Gesetz beschließen sollen, müssen merken, dass das der falsche Weg ist.

Die Energieindustrie hat einen offenen Brief in Tageszeitungen geschaltet. Ist so etwas auch bei den Fluglinien angedacht?


Teckentrup: Davon halte ich nichts. Außerdem: Energie und Strom brauchen alle, fliegen tut nicht jeder. Insofern ist die persönliche Betroffenheit der Bürger weniger ausgeprägt.

Die Umwelt muss entlastet werden. Welche Alternativen zur Flugsteuer sehen Sie?


Teckentrup: Mit der Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionsrechtehandel ab 2012 gibt es bereits eine europaweite Abgabe für Airlines entsprechend ihres CO2-Verbrauchs. Wenn überhaupt müsste man einen internationalen Konsens darüber herstellen, ob Fliegen wirklich teurer werden soll. Man kann die Mobilität einschränken, um der Umwelt zu helfen. Aber dann darf man nicht die eigene Industrie benachteiligen, die doch für Wohlstand in Deutschland sorgt. Alle sollten gleich viel zahlen, welt- oder zumindest europaweit.