Gestern vor 50 Jahren gaben die Pilzköpfe ihr ersten Konzert in Deutschland. In Hamburg. Zu Ehren der Fab Four legt die Stadt eine extra Bustour auf

Das kann richtig peinlich werden: Eine 31-Jährige erklärt einem Bus voll ergrauter Beatles-Fans die Bandgeschichte und schmettert zwischendurch Hits der Fab Four zur Gitarre – „bitte mitsingen!” Bei so was haben sich schon etliche Cover-Bands im Ton vergriffen. Stefanie Hempel nicht. Nach ihren ersten Akkorden von „Please, please me” ist klar: Die gebürtige Mecklenburgerin hat den Bus mit toller Stimme und Strahle-Charme erobert. Gesundheitsschuhe wippen im Takt, ihre Besitzer singen vom Refrain mindestens das „Oh yeah” mit. Durch diesen Auftakt hat Stefanie Hempel das „Ticket to ride” von ihren Gästen, gespannt erwarten sie ihre Geschichten. Der weiße Reisebus rollt los, über die Reeperbahn am Beatles-Platz vorbei: einer stilisierten Schallplatte mit den fünf Musikern aus Edelstahl drauf.

 Hier kamen sie im Sommer 1960 an: als Milchbubis mit Elvis-Tolle, zum ersten Mal von zu Hause weg und dritte Wahl. Nur weil zwei andere Liverpooler Bands absagten, wurden die Beatles engagiert. „Mit Schlagzeug” stand im Vertrag. Hatten John, Paul, George und der damals zur Band gehörende Stuart Sutcliff aber nicht. Weshalb sie kurzerhand ihren Kumpel Pete Best zum Hamburg-Trip überredeten, der kurz zuvor ein paar Trommeln und Becken geschenkt bekommen hatte. Stefanie Hempel erzählt das weder im Stile einer allwissenden Diplom-Beatologin noch mit Star-Heiligenschein, sondern sympathisch augenzwinkernd, und zeigt dazu Fotos und Filmausschnitte auf dem Bus-Monitor.

 Erster Bus-Stopp: „Große Freiheit”. An dieser Vergnügungsmeile lagen drei der vier Clubs, in denen die Beatles von Beat-Rüpeln zu Pop-Talenten reiften. Ein Ortstermin ist also Pflicht. „Am 17. August 1960 betraten die Beatles die Bühne des ‚Indra'. Es war ihr erstes Deutschland-Engagement und der Beginn einer großen Karriere”, steht mit Pathos auf einer Tafel am roten Backsteinhaus. „Anspruchsvolle Entkleidungsrevue” wurde hier geboten, verrät ein Plakat von damals. „Die war die Rettung der Beatles”, erzählt Stefanie Hempel. „Sie hatten doch damals gerade für eine Stunde eingeübte Titel und waren froh, dass eine Stripperin ihnen bei den ersten Konzerten Verschnaufpausen verschaffte. Die Band musste meist von 19 Uhr bis zum Morgengrauen spielen, angetrieben vom fiesen Clubbesitzer Bruno Koschmider.”

 Die Beatles-Expertin garniert diese Geschichte am Straßenrand mit einer fetzigen Strophe von „Rock`n Roll-Music” auf ihrer Ukulele und führt die Fan-Karawane weiter zum „Kaiserkeller”, der zweiten Beatles-Bühne und dem marmornen „Star-Club”-Erinnerungsstein gegenüber.

 „Und was soll jetzt noch kommen?” raunt ein Beatles-Kenner bei der Rückkehr zum Bus. „Die Jungs haben sich doch nur hier auf dem Kiez rumgetrieben.” Von wegen. Stefanie Hempel gondelt ihre Gäste zum Haus von Fotografin und Pilzkopf-Erfinderin Astrid Kirchherr, wo die Beatles sich mal satt essen und duschen durften. Sie zeigt, wo sie ihre Instrumente kauften und wo sie am Hauptbahnhof ihre ersten, aber verschollenen Studioaufnahmen machten – erstmals mit Ringo Starr am Schlagzeug. Am St. Pauli-Fischmarkt schließlich kauften die Fab Four reichlich angetrunken mal ein Schwein, verpassten ihm ein Halsband und zerrten es – in Gedanken an den verhassten „Indra- und Kaiserkeller-Besitzer” – mit dem Anfeuerungsruf „Come on, Bruno” auf die Reeperbahn.

 Für die Busbesatzung der „Magical History Tour” geht es ins „Beatlemania”-Museum. Wie John, Paul, George & Co stehen die Besucher auf einer liebevoll nachgebauten 60er-Jahre Kiez-Gasse, unter Neonreklamen und vor Schaukästen mit Raritäten: Auftritts-Verträge und private Postkarten mit Rechtschreibfehlern. Und man erfährt, dass die Beatles zu Anfang hinter der Leinwand des Bambi-Kinos ruhen mussten.

 Mehr Erinnerungen erzählen Klaus Voormann, Horst Fascher und andere Hamburger Wegbegleiter in Videoclips, die im Museum in alten Holzfernsehern laufen. Eine Etage tiefer dürfen Fans sich an den ersten Triumphen erfreuen: Durch geschickte Projektionstechnik wähnt man sich mittendrin in der ohrenbetäubend kreischenden Fan-Masse des New Yorker Shea-Stadions. Ein paar Schritte weiter beginnen Vitrinen-Regalmeter voll mit Beatles-Turnschuhen, Beatles-Strumpfhosen, Barbieartigen Modellbaufiguren der Fab Four und der überraschenden Erkenntnis auf der Erklärungstafel, dass die vier damals offensichtlich wenig bis nichts an solchem Kitsch verdient haben, weil das Geschäft damit noch ungeregelt lief. Zusammengetragen wurden diese auf elf Themenräume verteilten Schätze überwiegend von den Beatles-Sammlern und -Experten Uwe Blaschke und Ulf Krüger.

 Und weil Hardcore-Fans weder Beatles-Fahrradwimpel noch Pomade-Dose mitnehmen dürfen, befriedigen die Beatlemania-Macher ihre Sucht gleich zweifach: Im nachgebauten Abbey Road-Studio nehmen Besucher Beatles-Titel als Karaoke-Fassung auf oder lassen sich hinter der XXL-Sperrholz-Version des Sergeant-Pepper-Covers gerne fotografieren.