Über 100 Kilometer radelten Leser und Reporter entlang der Deutschen Weinstraße. Allen voran: Marcel Wüst

Wein und Wade. Zwei Themenbereiche, die nicht so direkt zusammenhängen, über die unsere zehn Gewinner nun aber eine ganze Menge mehr wissen. Reise Journal und Rheinland-Pfalz-Tourismus hatten ein Genuss-Radel-Wochenende in der Südpfalz verlost, an drei Tagen ging es recht gemächlich, aber nicht unsportlich über 100 Kilometer an der Deutschen Weinstraße entlang. Ein Erlebnis mit Lernfaktor. Über Wein und Waden eben.

Zunächst der Wein. Wir steigen im kleinen Ort St. Martin in den Sattel und sind nach 50 Metern mittenmang im Thema. Wingert an Wingert, wie die Weinberge hier heißen. Es ist der Riesling, der dominiert, aber auch Burgunder, Müller-Thurgau, Morio und ein Dutzend andere Sorten kommen mit der Lage, Boden und Klima ganz offensichtlich vorzüglich zurecht. Das Gleiten durch die grüne, so akkurat in Szene gesetzte Welt bietet dem Auge nichts Spektakuläres. Es beruhigt aber ganz wunderbar die Nerven und bringt den Radler schnell in diesen entspannenden Rhythmus, der das Radeln so wertvoll macht. Die Topographie ist überwiegend flach, mitunter fordern die Hügel etwas mehr Power auf die Pedale, selten aber bleibt auch dem Hobbysportler die Spucke weg.

Eine der charmanten Begleiterscheinungen beim Radwandern in der Gruppe und in dieser Gegend ist daher das zwanglose Gespräch. Gerade wenn, wie hier, der Verkehr so dünn ist, kann man Kilometer nebeneinander über die Hügel surfen und quatschen. Dann fährt ein Dritter heran, mischt mit, man wechselt die Themen wie die Gänge, Radsitzungen sozusagen.

Speyer ist Ziel der ersten Etappe. Die Stadt empfängt uns angemessen, indem sie uns durch das Altpörtel, eins der höchsten und prächtigsten Stadttore, direkt auf die Maximilianstraße und in dieses aufregende architektonische Ambiente führt. Wir radeln die „Via triumphalis”, nicht frei von Stolz, direkt auf den Dom zu. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig barock, aber das passt zu Speyer, und es gibt dem Radler ein prima Gefühl. So beunruhigt nur wenig die Information, dass ja von hier 1076 Heinrich IV zu einer sprichwörtlich gewordenen Reise aufbrach, seinem Gang nach Canossa.

So schlimm wird's nicht. Obgleich uns der nächste Morgen schon nach wenigen Kilometern mit einem der natürlichen Feinde des Radlers konfrontiert. Starkregen. Zunächst versuchen wir es mit weißen Capes, in denen wir durchaus ein wenig wie Büßer wirken. Dann aber kommt es dicke, und wir retten uns schnell ins nächste Örtchen, finden in einem Vorhof Schutz. Zum Glück macht die Südpfalz auch an diesem Tag ihrem Ruf alle Ehre, mit 2000 Sonnenstunden eine der freundlicheren Regionen des Landes zu sein. Es klart auf, es kühlt ab. Wir sind wieder im Wein. Inzwischen glauben wir gerne, dass 6,5 Millionen Hektoliter jedes Jahr in der Pfalz abgefüllt werden, zu 60 Prozent Weißwein. Da wird's nichts schaden, wenn wir heute Abend das ein oder andere Viertele bei der Weinprobe in Neustadt gleich am Fuße des Hambacher Schlosses vernichten werden. Zuvor haben wir es in der Altstadt von Neustadt noch mit den Promis von Seinerzeit zu tun bekommen. Das Haus, in dem der Jäger von Kurpfalz für seinen späteren Liedruhm sorgte, dann das kleine Denkmal für Kunigunde Kirchner, die als junges Ding, so erzählt man es sich, einem französischen Offizier schöne Augen machte, unter der Bedingung, ihre Heimatstadt im Erbfolgekrieg 1689 zu verschonen. Histörchen der Historie.

Und was war mit dem Thema Wade? Nun, die gehört Marcel Wüst, dem Radrennfahrer, der bis vor wenigen Jahren nicht nur zu den Großen der Zunft gehörte, Etappensieger wurde bei der Tour de France und beim Giro, sondern der auch an diesem Tag mit in unserem Peloton radelt. Er ist sozusagen der Promi-Partner fürs Radwanderland Rheinland-Pfalz und gehört zu der prima Spezies Mensch, die auf coole und kluge Art ihr Fachwissen unters Volk bringen. Klar erzählt er von seinen Erfolgen, wenn man fragt. Gerne gibt er Auskunft, dass er heute ein kleines Fahrradhotel auf Mallorca betreibt, dass er nicht mehr für das Fernsehen von der Tour berichtet, weil ihm zu wenig Zeit für Analysen zugestanden wurde. Er erzählt auch, ohne Umschweife, von seinem dramatischen Sturz vor zehn Jahren in Frankreich, der ihm ein Auge gekostet hat. Stets verbindet er dies aber mit dem eindringlichen Appell: „Ohne Helm wäre ich tot gewesen. Deshalb fahre ich nie ohne ihn. Es passiert immer wieder, ein Schlagloch, eine plötzlich geöffnete Autotür. Zu jeder Zeit kann es dich erwischen. Deshalb…”

Wir sind wieder in St. Martin. Der Anstieg zum Hotel ist kurz, aber nicht ohne. Marcel Wüst tritt an, wir anderen versuchen zu folgen. Und wir sehen sie. Die Wade des Sprinters. Erstaunlich, welche Muskelgebilde ein Bein haben kann, deren Existenz wir nicht mal erahnt hatten. Wein und Wade, ein lehrreiches Wochenende in der Pfalz.