Sant' Erasmo und Pellestrina: Abseits der touristischen Rennstrecken zeigen zwei fast unbekannte Inseln ein etwas anderes Venedig-Bil

Sie liegt nicht gleich ums Eck, die Gemüseinsel Sant' Erasmo. Eine gute halbe Stunde rauscht man mit dem Vaporetto Linie 13 von Fondamente Novo durch die grünlich-braunen Lagunengewässer. Im Kielwasser verschwinden die Hektik des Massentourismus, lautes Geschrei und schrille Souvenirbuden. Stattdessen taucht ein riesiger, saftig-grüner Bauerngarten aus dem morgendlichen Dunst über dem Meer auf. Ein paar Touristen nur klettern an der Haltestelle „Capannone” von Bord, dazu Einheimische, die in der Stadt etwas zu erledigen hatten. Sofort fallen eine Menge Fahrräder und einige Elektrowägelchen ins Auge – Sant' Erasmo ist grün in jeder Beziehung. Sauber gezogene Reben, wohlbestellte Gemüsebeete, gepflegte Felder, dazwischen immer wieder Kanäle, der Blick geht hinüber nach Venedig. Dessen Türme und Kirchen scheinen hier weit weg zu sein – schon fast eine andere Welt. Auf Sant' Erasmo gackern die Hühner, bellen Hunde, wird Spargel gestochen, Kirschen geerntet, Tomaten und Kräuter gezogen. Besonders gefragt auf dem Markt von Rialto sind die Insel-Artischocken. Sie gelten als Spitzenprodukt der Bauern auf der vier Kilometer langen und bis zu 600 Meter breiten Insel. Besucher erkunden sie am besten mit dem Fahrrad, das gibt es zu leihen, auch als Kombipaket mit einem speziellen Vaporetto-Ticket: „Bicinbarca”. Damit kommt man vom Lido hinüber auf die Insel im Abseits Venedigs.

Die Ruhe ist zu hören, zu spüren und zu sehen: auf Sant' Erasmo verpasst man nichts. Gemächlich strampelt man an den Strand. Vor der urigen Pizzeria „Tedeschi” stehen Liegestühle und Sonnenschirme im braunen Sand, Kleinkinder buddeln vor sich hin, die Großen waten weit hinaus ins seichte Wasser. Familiär ist das passende Wort für die Atmosphäre, Venezianer mit ihren Motorbooten werfen hier gern ihre Anker aus und dösen in der Sonne. Oder sie schauen den riesigen Griechenlandfähren oder den noch riesigeren Kreuzfahrtschiffen zu, wie sie langsam vom Markusplatz kommend am Lido vorbei hinaus in die Adria schleichen – ein spektakuläres Bild!

Die buntbemalten Häuschen der Muschelfischer in Pellestrina: Leuchtende Farben gegen den grauen Arbeitsalltag auf dem Meer.
Die buntbemalten Häuschen der Muschelfischer in Pellestrina: Leuchtende Farben gegen den grauen Arbeitsalltag auf dem Meer. © Foto: TV Venedig

Das „Tedeschi” bietet venezianische Hausmannskost von Mamma Maria, die Preise sind reell, die Gäste sitzen unter schattigen Robinien im Biergarten – Lido- und Lagunenblick inklusive. Bei einer Karaffe schmackhaften Inselweins oder einem „Sprizz” vergeht die Zeit hier ganz langsam, aber wunderschön gelassen! Wer genug davon hat, wandert gemütlich um die Insel, stößt unterwegs auf den Landgasthof „Ca' Vignotto” und die ländliche Herberge „Il Lato azzurro”. Man kann auch die Nacht auf Sant' Erasmo verbringen – zwischen Auberginen, Gurken und Getreidefeldern. Die Anreise nach Pellestrina ist etwas umständlich: Aus der Stadt heraus geht es mit dem Vaporetto zum Lido, dann weiter mit Bus und Schiff bis auf die südlichste Insel der Lagune. Von Süden setzt man per Fähre vom pittoresken Fischereihafen Chioggia nach Pellestrina über und landet in einer ganz speziellen Welt. „Man erzählt sich viele Geschichten über die Männer von Pellestrina”, so beginnt Star-Autorin Donna Leon ihren Bestseller-Krimi über „das Gesetz der Lagune” mit Commisario Brunetti. „Die Pellestroni sollen auf dem nackten Boden schlafen, sie sind gleichgültig gegenüber Schmerzen, ihren Lebensunterhalt holen sie aus der Lagune.” L'isola di Pellestrina ist mit elf Kilometern extrem lang und dabei extrem schmal. Manchmal fürchtet man, sie könnte beim nächsten Sturm auseinanderbrechen. Und deshalb haben die Venezianer „i Murazzi” an den wilden langen Oststrand gestellt – die Mauern. Bis zu 14 Meter breit, haushoch, wuchtiges Bollwerk gegen Wasser und Wind, seit 300 Jahren stehen die Mauern schon. In ihrem Schutz ducken sich die buntbemalten Häuschen der Muschelfischer und Lagunenschiffer. Grün, blau, rot, gelb – leuchtende Farben als Kontrast zum harten grauen Arbeitsalltag auf dem Meer. Oft steht die Mutter Gottes an den Hauswänden, die Arme schützend Richtung Lagune erhoben.

Italien

Anreise: Mit Air Berlin

01805/73 78 00

www.airberlin.com

oder mit Lufthansa

01805/80 58 05

www.lufthansa.com

ab Düsseldorf nach Venedig.

Veranstalter: Mit Neckermann

1803/90 10 45

www.neckermann-reisen.de

eine Woche im Doppelzimmer eines Drei-Sterne-Hotels in Venedig, inklusive Flug und Frühstück ab 543 Euro. Die vergleichbare Reise bei ITS

01805/67 01 30

www.its.de

ab 424 Euro.

Kontakt: Italienische Zentrale für Tourismus

069/23 74 34

www.enit.de

Pellestrina ist eine herbe Schönheit, sie wirkt spröde und hart. Wenig Grün, der Boden ist salzig und sandig, keine Sehenswürdigkeiten. Nur der wilde Strand ist da, voller Treibholz und angeschwemmtem Sperrmüll, keine softe Sonnenliege, etwas für Naturburschen. Man läuft beziehungsweise radelt oben auf der Mauer entlang, schaut hinunter in enge Gässchen, in denen die Wäsche trocknet und dürre Katzen streunen.

Man kann prima entspannen auf Pellestrina. Der Wind rauscht monoton, man liegt irgendwo in der Sonne und verpasst eigentlich nichts – höchstens das exzellente Essen im „Da Celeste”. Ein italienisches Fischrestaurant wie aus dem Bilderbuch: Terrasse direkt über dem Meer, fangfrische Speisen, aufmerksame Kellner. Alles molto bene! Authentisch und einfach schön – im Abseits von Venedig. Das Leben der Leute im Pellestrina Dorf ist pure Normalität, dort einen Kaffee zu trinken verschafft mehr Eindrücke als die Stresstour über den Markusplatz. Auf der Mauer Richtung Süden laufend kommt man schließlich zum Inselfriedhof mit den gleißend weißen Grabsteinen und an der Inselspitze ins Naturschutzgebiet „Ca' Roman”. Dort ist die Welt Venedigs buchstäblich am Ende! Pellestrina und die Gemüseinsel – hinter der Mauer und bei den Artischocken gibt es auch für Venedig-Stammgäste noch viel zu entdecken, und zwar zu jeder Jahreszeit!