Quinta-Hotels auf Madeira verbinden Tradition mit modernem Luxus. Ein Gütesiegel hilft, die Kleinode zu bewahren

Die Türknöpfe am Eingang des Landhotels Casa Velha do Palheiro befinden sich auf der Höhe einer Hundeschnauze. Sagen wir, der eines Golden Retrievers. Ganz schön tief und eher unpraktisch für heutige Hausgäste. Nicht so für die ehemaligen Bewohner. Wenn John Ernest Blandy und seine Frau Elinor einst auf die Flügeltür zusteuerten, knickten links und rechts zwei Lakaien zu einer Verbeugung ein. Die endete just auf dem Niveau des messinggoldenen Knaufs in ihrer Hand. Sehr praktisch. Der Bückling immer formvollendet. Aus Traditionsbewusstsein, sagt die Dame an der Rezeption, habe man die Türöffner so belassen – ohne Portiers. Der lauen Lüfte wegen sei ohnehin meist aufgesperrt.

Tradition durchweht das Haus in den Hügeln über Madeiras Inselhauptstadt Funchal. Die gewachsten Dielen, die Bibliothek mit dicken Sesseln, der lichte Speisesaal, wertvolle Gemälde, gediegene Noblesse.

Seit 125 Jahren im Besitz der englischen Familie Blandy, der größten Produzenten und Händler von Madeira-Wein, mutierte die ehemalige Villa portugiesischer Grafen mittels zweimaligen Ausbaus 1997 zu Madeiras erstem Fünf-Sterne-Landhotel.

Sein Golfplatz mit Meerblick rangiert weltweit unter den beliebtesten. Sein nagelneues Spa mit Facelifting per Ultraschall lockt auch die lokale Kundschaft her. Die Hauptattraktion aber sind zweifellos der Park und die unmittelbar angrenzenden Gärten, die schönste private Anlage der Blumeninsel im Atlantik. Das Jahrhundert-Unwetter im Februar haben sie weitgehend unbeschadet überstanden.

Wilder Charme: Madeiras imposante Steilküsten.
Wilder Charme: Madeiras imposante Steilküsten. © MSG

Casa Velha do Palheiro ist eines der anmutigsten Beispiele für die Quinta-Hotels auf Madeira. Herbergen mit Geschichte. Mit der Kraft ihres historischen Erbguts stemmen sie sich seit langem gegen die Normierung der touristischen Moderne, gegen deren Gesichtslosigkeit und Streben nach profitabler Quantität. Dieses Bemühen hat in den letzten Jahren spürbar angezogen und 2005 zum Zusammenschluss „Quintas da Madeira” geführt. Eine Art Gütesiegel, vorrangig ein Marketinginstrument, aber auch eine Instanz mit definierten Kriterien. Ein Herrenhaus mit Vergangenheit ist Voraussetzung für die Aufnahme in den exklusiven Club. Ein gepflegter Garten mit altem Baumbestand überdies. Über die „harmonische Verbindung” von Alt und Neu wird im Einzelfall entschieden.

Daumen hoch für André Diogo, dessen Familie vor zehn Jahren im Fischerdorf Ponta do Sol an der Südwestküste eine alte Verladestation für Zuckerrohr erwarb. Ein Maschinen- und ein Herrenhaus – 50 senkrechte Meter über dem kleinen Hafen. Ein superschickes, zweistöckiges Design-Hotel Quinta da Rochinha mit 54 Zimmern hat Architekt Tiago Oliveira der Steilklippe in die Flanke geschoben. Die Fenster auf der Seeseite zeigen nur den Himmel und das Meer. Auf der Poolbar-Terrasse, wo einst auch die Walfänger nach Beute Ausschau hielten, stehen die Gäste wie an der Bugspitze eines Kreuzfahrtschiffs – und diskutieren garantiert über Design und Geschmack.

Anders als im Mutterland Portugal wird der Begriff Quinta auf Madeira recht großzügig ausgelegt. Nicht immer zum Wohl der „harmonischen Verbindung”. Ihre Reverenz an Tradition und Geschichte hat die Quinta da Casa Branca in Funchal auf ein Knusperhäuschen mit einem kleinen, feinen Restaurant beschränkt. Dahinter reihen sich 43 Fünf-Sterne-Zimmer in einem langgestreckten Flachbau, als habe dem Architekten ein Kollege aus Dessau die Hand geführt.

Ein paar Straßenzüge weiter westlich im Halbrund der Inselhauptstadt ist Familie Monteiro die Erweiterung der historischen Substanz allemal besser geglückt. Ihr mediterran anmutendes Herrenhaus von 1844 war der Ausgangspunkt für drei Ergänzungsbauten im Stil stattlicher Bürgerhäuser mit hohen Decken und großzügigen Foyers. Eher unauffällig verstecken sie sich hinter mächtigen Bäumen in einem zwei Hektar großen Park, der sich am Pool zur Stadt hin öffnet mit einem prachtvollen Blick. Das Hochwasser des Februarsturms rauschte an diesem Logenplatz zum Glück unterhalb vorbei.

Die Quinta da Bela Vista ist ein Hort der Ruhe – und der antiken Möbel. Mehr als 500 davon finden sich auf den Fluren und in den knapp hundert Zimmern, Kostbarkeiten aus ganz Europa.

Noch heute ist der Hotelchef und Familienspross Goncalo d'Ornellas Monteiro bisweilen dafür auf Reisen, erzählt er beim Dinner im Herrenhaus und der zartesten aller marinierten Lenden des schwarzen Schweins.

Portugal

Anreise: Condor

01805/76 77 57

www.condor.com

fliegt in der Hauptsaison ab Köln/Bonn nach Funchal. Air Berlin

01805/73 78 00

www.airberlin.com

fliegt ab Düsseldorf nach Funchal.

Reisezeit: Madeira lässt sich ganzjährig bereisen. Hauptsaison ist zwischen Mai und Oktober.

Besonderheiten: Auf einer Klippe lockt ein architektonisches Juwel Kunstliebhaber in das Küstendörfchen Calheta. Stararchitekt Paulo David hat das Kulturzentrum Centro das Artes

www.centrodasartes.com

aus miteinander verbundenen Quadern in die Felsen gesetzt.

Veranstalter: Dertour

01805/33 76 66

www.dertour.de

hat Quintas-Hotels im Programm. Die Preise liegen pro Nacht und Haus zwischen 42 und 79 Euro pro Person inklusive Frühstück.

Auch Tui

01805/ 88 42 66

www.tui.com

bietet Urlaube in Quinta-Hotels an.

Kontakt: Portugiesisches Fremdenverkehrsamt

0180/5 00 49 30

www.visitportugal.com

www.quintas-madeira.com

Das Restaurant in den ehemaligen Privatgemächern steht auch externen Feinschmeckern offen – sofern die Villa nicht vermietet ist. An Schwedens Königin Silvia zum Beispiel, die hier samt Kindern und Entourage bereits zweimal weilte. „Die Königin links nach der Treppe, die Kinder rechts.” Bis in die weit im nordwestlichen Faltenwurf des Vulkangebirges gelegene Quinta Estalagem do Vale hat immerhin Portugals berühmte Fado-Sängerin Mariza gefunden. Und den Besitzern Sousa gestattet, eine Suite nach ihr zu benennen. Ende der Neunziger sind Duarte Sousa und seine Schwester in ihr Heimatdorf Sao Vicente zurückgekehrt und haben aus ihrer ehemaligen Schule, früher auch ein Lepra-Hospital, ein Vier-Sterne-Kleinod im örtlichen Dorfhaus-Stil gezaubert. In dessen hüfthohe Oma-Betten legen sich bevorzugt Wanderer. Entspannung für Glieder und Bauch nach einer Höhentour auf den Levadas (Wasserkanälen) und dem köstlichen Schwarzen Degenfisch in Blätterteig. Das Unwetter Mitte Februar hat die Quinta do Vale zumindest mittelbar erwischt. Die Nord-Süd-Straße zwischen Sao Vicente und Ribeira Brava war tagelang unterbrochen, das Hotel schaltete auf Selbstversorgung um. Für die Geschwister Sousa kein Problem. Die Produkte für ihre exzellente Küche stammen ohnedies überwiegend von den Bauern und Fischern des Tals.

Und als neue Arbeitgeber werden sie nach Kräften unterstützt. In der Quinta steht etwa ein Dutzend Dorfbewohner in Lohn und Brot. Den Sousas geht es gut, vor allem dank der deutschen Gäste, die ihnen – anders als die Engländer – in der Wirtschaftskrise die Treue hielten.

André Diogo auf der Klippe an der Südküste hat den Rückgang deutlicher zu spüren bekommen, denkt aber schon wieder an Expansion. Ein zweites Hotel will er in Ponta do Sol bauen, unten im Ort. Keines mit Quinta-Status, eher Low Budget – obwohl auf dem Gelände noch ein geschichtsträchtiges Gemäuer, das alte Gefängnis, steht.