Mit Winzern auf Entdeckungsreise durch Südtirol – entlang der ältesten Weinstraße des Stiefelstaates

Der Anfang war für Willi Stürz in den 1990er Jahren nicht einfach: „Die Bauern fanden es wesentlich lukrativer, Obst auf ihrem Boden anzubauen. Erst wurden die Äpfel geerntet, dann nach den Trauben geschaut”, erzählt Italiens Kellermeister des Jahres 2004. Doch der Kellermeister der Kellerei Tramin überzeugte die 280 Mitglieder der Genossenschaft, sich auf bestimmte Rebsorten zu konzentrieren – wie etwa den lokalen kräftig-trockenen Gewürztraminer oder den fruchtig-frischen Vernatsch. Und sie hatten Erfolg: Die Kellerei Tramin, die direkt an der Südtiroler Weinstraße liegt, produziert jetzt jährlich 1,5 Millionen Flaschen.

Die Weinstraße wurde 2009 zur besten Italiens gekürt. Früher wurde in der Region mit dem Vernatsch auf Masse gesetzt, erklärt Fachmann Stürz. „Noch immer müssen wir mit dem Image Norditaliens als reine Vernatsch-Region kämpfen, doch jetzt geht bei uns die Tendenz hin zu mehr Weißweinen.”

Die Genießer-Stunde bricht an.
Die Genießer-Stunde bricht an. © Sandra Malt

Die Arbeit am Berg sei schwer: Bis in 700 Meter Höhe liegen die Anbaugebiete, jeder Bauer hat ungefähr eineinhalb Hektar Land. „Das ist viel Handarbeit am Rebhang. Die Bauern müssen die Trauben mit viel Sorgfalt behandeln”, erklärt der sympathische Traminer, der in den Weinbergen der sonnenreichen Region Norditaliens aufwuchs. 1800 Sonnenstunden in dem mediterranen Klima tragen dazu bei, dass sich die Weinrebe hier ausgesprochen wohl fühlt.

Südtirol zählt mit zirka 5200 Hektar Rebfläche in 15 Gemeinden zu den kleinsten Weinanbaugebieten Italiens, dennoch liegen die über 20 Sorten auf einem Qualitätsniveau, das in dieser Geschlossenheit selten anzutreffen ist. Das Land mit seinen Palmen, blühenden Apfelbäumen, Weinbergen und dem blaugrünen Kalterer See gehört zu den ältesten Weinanbaugebieten der Welt: Schon die Römer schätzten die edlen Tropfen vom Fuß der Alpen, „vor knapp 900 Jahren führten sie den herb-fruchtigen Lagrein in Südtirol ein”, weiß Stürz.

Ein Winzer, der ebenfalls von der guten Lage profitiert, ist Andreas Nicolussi-Leck: „Wir konzentrieren uns überwiegend auf Blauburgunder und Weißburgunder.” Abends strömen hinter seinem Weingut, dem Stroblhof aus dem 16. Jahrhundert, kühle Winde von den 2000 Meter hohen Gipfeln des Mendelgebirges über die Hänge seiner 4,2 Hektar großen Anbaufläche. Sie erfrischen die Reben nach heißen Sommertagen und fördern in den Trauben die Bildung von Fruchtaromen und den Erhalt der Säure. „Eine ausgewogene Belüftung der Weinberge ist extrem wichtig”, erklärt der Quereinsteiger, während er den Gästen die 220 Liter fassenden Eichenholz-Fässer zeigt, die in einem schick-modernen Keller mit Fußbodenheizung und Lehmplatten an der Wand stehen. „Aber die schöne Reife bekommen die Weine erst durch die Holzfässer, die tertiären Aromen werden erst nach zwei bis drei Jahren frei.” Und der Wein wird hier von Anfang an gehegt und gepflegt, der Rebstock entsteht behutsam – mit zwei Trieben am alten Stock. „So habe ich auch gelernt, die Trauben im Laub zu lassen, sie so vor der Sonne zu schützen”, erzählt der 57-Jährige und schmunzelt. An die Zukunft Südtirols, da glaube er ganz fest dran.

Ebenfalls behutsam geht auch Alois Ochsenreiter mit seinen charaktervollen Rot- und Weißweinen und Sekten um: Am Rande von Salurn, der südlichsten Weinbaugemeinde Südtirols, befindet sich auf einem Felssporn die mittelalterliche Haderburg – Namensgeber seines 11,5 Hektar großen Weinguts. In den Ruinen lässt er die Korken seines 2005 Brut-Sektes knallen und erzählt, dass er seit fünf Jahren keine Herbizide gegen Unkraut mehr spritze. Er benutzt mit Mist angereichertes Wasser, um das Gleichgewicht im Boden zu richten. Und bei Regen oder Hagel? „Wenn es Stress-Situationen gibt, spritzen wir Kamillentee. Die Pflanzen muss man wie Tiere behandeln, sie beruhigen”, erläutert Ochsenreiter. Der Erfolg spricht für sich: Der Brut wurde 2009 vom wichtigsten Weinführer Italiens „Gambero Rosso” zum besten Sekt Italiens gewählt.

Touristen, die gerne die Südtiroler Tropfen kennen lernen möchten, laden die 15 Gemeinden entlang der Südtiroler Weinstraße jedes Jahr im Frühjahr zu den „Südtiroler Weinstraßen Wochen”: Die Winzer bieten Seminare mit Sommeliers, Weinproben und eine „Nacht der offenen Keller” an. Jeden ersten Donnerstag im Monat finden zudem Weinsafaris entlang der Weinstraße statt – mit Kellereibesuchen, Degustations-Menüs und Verkostungen. Seit Ende Mai gibt es den neuen Terlaner Weinweg, ein Themenwanderweg durch die Weinberge oberhalb Terlans.