Die Vulkane grollen, doch die Ponys gallopieren munter weiter: Ferien auf Island sind weiterhin empfehlenswert
Es ist ein bisschen wie im hollywoodschen Katastrophenfilm. Man weiß nicht, wem man trauen soll. Im Kino behält am Ende meist der mahnende Wissenschaftler Recht, der sich nicht durchsetzen konnte gegen den Bürgermeister, der um das Ausbleiben der Touristen fürchtet. Aber wie ist das gerade in Island? Kann man da im Schatten des Vulkanausbruchs Urlaub machen? Mal sehen.
In Reykjavik ist der Vulkan weit weg. Hier geht's mehr um fehlende Asche. Rechts steht ein gewaltiger Baumarkt völlig leer, links dröppeln viel zu wenige Kunden in ein riesiges Einkaufszentrum, der Banken-Crash vor zwei Jahren hat das Land geschüttelt, gerüttelt und auf links gedreht. Erstmals gibt es mit 8,5 Prozent eine erwähnenswerte Arbeitslosenquote, 20 Prozent Lohneinbußen stehen auch in diesem Jahr wieder an.
Der Wechselkurs der Krone macht das Problem am leichtesten greifbar: Statt 90 Kronen vor der Krise waren es plötzlich 220, die der Isländer für den Euro berappen musste. Wenn die Wirtschaft derart gewürgt wird, gewinnt der Tourismus an Bedeutung. Denn der Grotten-Kurs wird hier zum Segen und Island ein appetitliches Schnäppchen. Der „Lonely Planet”, die Bibel der Individualreisenden, kürte die große Insel im Vorjahr zur Nummer Eins in Sachen „Preis/Leistung”. Da suchten immerhin 500 000 Touristen Erholung oder Abenteuer knapp unterm Polarkreis. Jeder zehnte kam aus Deutschland. Die Ex-Germanen sind aber bei den Ex-Wikingern besonders beliebt, weil sie mehr Sitzfleisch haben als etwa die Amerikaner und gerne etwas länger bei den alten Vettern bleiben.
Doch gerade, als sich die wirtschaftliche Situation wieder zu berappeln scheint, da bricht dieser Vulkan mit dem irren Namen aus. Bei den ersten Aktivitäten im März geht's ja noch, das farbenprächtige Spektakel zieht tatsächlich Geologen, Lava-Lover und Feuerteufelchen aus aller Welt an und auf den Vulkan hinauf. Der Asche-Ausbruch am 14. April aber schneidet mit der finalen Kraft der Streitaxt den Besucherstrom ab. Zwar bleibt der heimische Flughafen von Keflavik geöffnet, aber nur noch Touristen aus den USA schauen vorbei. Jetzt fliegen alle Flieger wieder. Und nun?
Die meisten Isländer verstehen die Welt nicht mehr. Und erst recht nicht deren Massenmedien, die hassen sie wie die schwarze Pest wegen der hysterischen Berichte über die vermeintliche Apokalypse. Sie belegen das mit Zahlen: So sind von den insgesamt 1340 Kilometern Straße, die einen asphaltierten Ring um die Insel bilden, gerade mal 20 Kilometer durch den Vulkan beeinflusst. Ja und? Da lacht der Isländer, der aber zu extremen Launen der Natur eh ein sehr entspanntes Verhältnis hat. Alle vier Jahre spuckt ein Berg hier Feuer. Na und?
Viel lieber verweist ein Isländer auf die wahren Werte. Zunächst also mal auf die Natur. Nirgendwo fällt so viel Wasser so schön über Fälle, nirgendwo mäandern Flüsse so kurvenreich, nirgendwo kann man so viele Ponys mit wehender Mähne über den Hügel galoppieren sehen. Die Wikinger brachten die Tiere vor 1000 Jahren mit, noch immer gibt's 75 000 Exemplare. Die Verehrung zeigt sich in der Sprache: Es gibt 62 Worte für die Farbe des Fells.
Zwei Worte des Isländischen haben es auch ins Deutsche geschafft. Der Geysir natürlich, das Original spuckt im Süden, und die Saga, die Erzählung. Sie spielt eine enorme Rolle bei den Menschen, noch immer. Auch für die derzeitigen Aufstände im Erdkeller gibt's eine sagenhafte Erklärung. Es geht nämlich um Loki, den bösen Riesen, der zur Strafe in einer Höhle angekettet liegt und auf dessen Haupt das Gift einer Schlange tropft. Seine Gattin Sigyn hält mit einem Gefäß das Gift auf. Von Zeit zu Zeit aber muss die Gute die Schale leeren, dann trifft das Gift den armen Loki, der sich vor Schmerzen in den Ketten windet. Wir bekommen das dann als Erdbeben mit. Ganz einfach.
Also: US-Katastrophenfilm gegen nordische Sage. Nee, da hat Hollywood keine Chance.