Schardscha ist zur Hauptstadt der islamischen Kultur gekürt worden: Kultur statt Kommerz, Religion statt Profitgier
Am Hafen von Schardscha kann man spüren, was das kleine Emirat von seinem arabischen Nachbarn Dubai unterscheidet. Dubai, keine 15 Kilometer entfernt, ist eine Stadt wie auf Speed, der größte Flughafen, das teuerste Hotel, das höchste Gebäude, immer auf der Jagd nach neuen Superlativen und mehr Profit.
An der Kaimauer von Schardscha dagegen dümpeln hölzerne, altertümliche Dauhs, jene Schiffe, die mit einem aufgeblähten Segel seit Jahrhunderten zwischen der arabischen Halbinsel, Afrika und Persien verkehren – und im Hintergrund erheben sich keine Wolkenkratzer. Dort stehen Wohnhäuser, eine Moschee – und eine alte Markthalle, die man in Dubai wohl abgerissen hätte. In Schardscha siedelte der Scheich die Händler um, ließ den Souk prächtig restaurieren und machte daraus das Museum für islamische Zivilisation. Kultur statt Kommerz, Religion statt Profitgier, Natur statt Plastik. So versucht man in Schardscha Touristen anzulocken.
Die guten Vorsätze werden belohnt: 57 islamische Länder kürten das bislang unbekannte Emirat Schardscha zur Hauptstadt der islamischen Kultur im Jahre 2014, dem Pendant zu Ruhr2010 sozusagen.
Schardscha ist Mitglied der Föderation „Vereinigte Arabische Emirate” (VAE). Die einzelnen Emirate werden monarchisch von jeweils einer Familie regiert und sind weitgehend autonom. Scheich Mohamed Al-Qassimi, Jahrgang 1939, regiert Schardscha seit 1972. Er hat zwei Doktortitel, in Geografie und Philosophie. Unter seiner Führung wurde das Emirat 1998 Unesco-Kulturhauptstadt der islamischen Welt, Stifter eines Preises für arabische Kultur. Die Kunst-Biennale ist weltbekannt.
„Wir haben hier vor allem Kulturtouristen”, sagt Ulrike Al-Khamis, deutsche Beraterin des Schardscha Museum of Islamic Civilisation. Die promovierte Archäologin führt durch das Museum, das von einer imposanten Kuppel gekrönt wird. „Unser Museum stellt die Errungenschaften der arabischen Welt dar”, sagt sie. Die Anfänge der Astronomie, sie liegen genauso im arabischen Sprachraum wie die der Geografie und der Krankenhausmedizin.
Wenige Minuten vom Museum entfernt führt Ashraf Touristen durch die Stadt. Wie 90 Prozent der Einwohner der Emirate, ist der Guide ein Zuwanderer. Der Ägypter arbeitet seit zehn Jahren hier, des guten Lohnes wegen. „Die meisten Einheimischen sind hohe Beamte, Militärs oder Polizisten, sofern sie arbeiten müssen”, erklärt er.
Ankunft im alten Schardscha. Wer eine Stadt aus Tausendundeiner Nacht erwartet, wird allerdings enttäuscht. Schardscha wurde zwar vor über 5000 Jahren gegründet, die wenigen alten Gebäude stammen aber aus dem 19. Jahrhundert – und sehen viel jünger aus. So zum Beispiel „Bait Al Naboodah”, das zum Museum umfunktionierte Haus einer Perlentaucher-Familie von 1845. Geschnitzte Säulen tragen die Decke über den Arkaden. Über den Innenhof läuft man auf Pflastersteinen wie in einer deutschen Fußgängerzone, ein Mann im weißen Kaftan ist mit dem Lackieren der Türen beschäftigt. Die Wände wirken wie frisch verputzt – so gut meint man es hier mit der Restaurierung.
Insgesamt entwickeln sich die Emirate wie im Zeitraffer. Emiratis rechnen in der Zeit „vor und nach dem Erdöl”. Vorher waren sie Beduinen, seit den 1960er Jahren wird das schwarze Gold gefördert. Ungefähr gleichzeitig entließ Großbritannien die Emirate – vorher britische Protektorate – in die Unabhängigkeit. Heute haben die VAE die sechstgrößte Erdölförderung weltweit. 90 Prozent der Vorkommen befinden sich in Abu Dhabi.
In Schardscha sollen Erdöl und Erdgas in ungefähr zehn Jahren aufgebraucht sein. Zwar wird das Emirat auch danach noch über eine Art Länderfinanzausgleich von den großen Vorkommen in Abu Dhabi profitieren.
Aber Schardscha will für die nächste Zeitenwende gerüstet sein und investiert massiv in Bildung und Tourismus. Und so hat es 20 Museen, allesamt gut ausgestattet und mit modernem Konzept. Das Discovery Center und das Science Museum etwa bringen Kindern die Wissenschaft näher. Im Wildlife Center sind ganze Steppenlandschaften nachgebaut, in denen Vögeln fliegen und Leoparden herumstreunen. Am Stadtrand steht das neueste Prunkstück: Ein Aquarium, durch einen Tunnel lässt es sich durch die Unterwasserwelt spazieren. Eine Frau mit kräftig geschminkten Lippen führt eine Touristengruppe herum – in Schardscha haben Frauen prozentual gesehen höhere Bildungsabschlüsse als Männer. Mit dem Aquarium und dem Zoo hat man keine spektakulären Megaprojekte verwirklicht, sondern beschränkt sich auf lokale Arten. Tafeln klären auf, dass Ölbohrungen Ökosysteme gefährden können. Es scheint, als sei das Emirat im Jahrhundert der Nachhaltigkeit angekommen.
Schardscha, das ist aber nicht nur die gleichnamige Hauptstadt, in der 90 Prozent der 900 000 Einwohner leben, sondern auch eine Wüste von der Größe des Saarlandes, darin mehrere Oasen sowie zwei Enklaven an der Ostküste des Landes. Unterwegs ist eine von beiden, Khor Fakkan. Links und rechts der Autobahn sieht man Dünen und Zäune, die die Kamele abhalten sollen.
Schardscha
Lage: Das Emirat Schardscha liegt am Persischen Golf und grenzt an Dubai.
Einreise: Gültiger Reisepass. Visa werden gratis ausgestellt.
Anreise: Emirates
0180/542 56 52
fliegt ab Düsseldorf nach Dubai, dann weiter mit dem Hotel-Shuttle oder Taxi, 10 bis 15 Minuten Fahrtzeit ins Emirat.
Veranstalter: Mit ITS Reisen
02203/421 11
eine Woche Schardscha im Vier-Sterne-Hotel mit Frühstück, inklusive Flug und Rail & Fly ab 742 Euro.
Das vergleichbare Angebot mit Tui
01805/88 42 66
ab 784 Euro.
Besonderheiten: Die Islamic Educational, Scientific and Cultural Organisation ISESCO, in der 57 Staaten vertreten sind, kürt seit 2006 eine Hauptstadt der islamischen Kultur. Im Jahr 2014 wird Schardscha diesen Titel tragen. Der Titel geht an Städte, in denen islamische Kulturgüter vorbildlich gepflegt und anderen Menschen zugänglich gemacht werden. 2010 ist Tarim im Südjemen Hauptstadt der islamischen Kultur.
Kontakt: Tourismus Schardscha
04101/3 70 92 40
Die Luft flirrt. Dann erhebt sich am Horizont das nackte, braune Gestein des Al Hadschar Gebirges. Hier ist kein Grün, keine Pflanze. Dann der Pass und ein wunderbarer Blick: Am Fuße des Gebirges liegen weiße Häuser und leuchtend blau der Indische Ozean.
An der Küste passiert man den Hafen von Fudschaira. Supertanker warten darauf, das emiratische Erdöl in alle Welt zu verschiffen. Khor Fakkan hat einen Containerhafen – und einen kilometerlangen, palmengesäumten Sandstrand. Das ist der Ort für den Badetourismus von Schardscha. Boote bringen Gäste zum Tauchen zu vorgelagerten Korallenriffen, man kann
Jetskis mieten. Doch heute, an einem Mittwoch, ist der Strand ruhig. Am Abend zurück in Schardscha City, Qanat Al Qasba, das Vergnügungsviertel am Vorabend eines arbeitsfreien Tages. Boote fahren zwischen den erleuchteten Restaurant- und Geschäftszeilen umher, Karussells kreisen, Menschen kreischen. Ein paar Halbstarke mit gegelten Haaren lehnen an einer Mauer. Ein Rummelplatz, wie überall auf der Welt, nur permanent installiert, sauber, ein Edel-Jahrmarkt.
Vielleicht liegt es daran, dass es hier wie überall in Schardscha keinen Alkohol gibt. Kinder tollen, man sieht Frauen mit bunten Kopftüchern oder ohne. Vor Starbucks sitzen zwei, die vollkommen verschleiert sind, nur die Augen sind zu sehen. Die beiden brechen kleine Stücke aus ihren Donuts und führen sie mit der Hand unter dem Mundschleier hindurch. Im Hintergrund leuchtet Dubai mit dem höchsten Gebäude der Welt. Im Januar wurde es eröffnet – und gleich von Burj Dubai in Burj Chalifa umbenannt: Nach dem Herrscher von Abu Dhabi, weil der den bankrotten Bauherren mit einem Milliarden-Kredit ausgeholfen hat. Im Vordergrund steht das Wahrzeichen Schardschas: Ein Riesenrad, 60 Meter hoch, solide mit europäischer Technik gebaut – und schon bezahlt.