„Feria del Caballo”: Ein Fest der Sinne – vom 2. bis 9. Mai dreht sich in Jerez alles um die edlen Kartäuser

Auf den Zuschauerplätzen fließen Tränen der Rührung. Auf dem Höhepunkt der einstündigen Show der „Yeguada la Cartuja”, des weltberühmten Zuchtgestüts der andalusischen Kartäuserpferde vor den Toren der Sherry-Metropole Jerez de la Frontera, öffnet sich das Gatter und 60 Fohlen purzeln unbeholfen in die Arena. Was folgt, ist so richtig etwas fürs Herz. Das Gatter öffnet sich erneut und die Mütter der Fohlen preschen herein. In Sekunden hat jede Stute ihr Fohlen gefunden. „Die Milchbar ist geöffnet”, witzelt die Ansagerin der Arena. Die Jungtiere säugen, als hätte es tagelang nichts gegeben. Seite an Seite tappeln Mütter und Fohlen nach draußen.

Eigentlich sollte die „Feria del Caballo” in Jerez die Hauptattraktion sein. Sie geht auf einen Viehmarkt zurück, den König Alfonso „der Weise” 1284 begründet hat. Heute ist die Feria Pferdemesse, Leistungsschau, Kirmes und ein Fest überschäumender Lebensfreude und andalusischen Temperaments. Aber richtig verstehen kann man die Feria eigentlich nur, wenn man zuvor das Kartäuser-Gestüt gesehen und das besondere Verhältnis der Andalusier zu ihren Pferden begriffen hat.

Auf dem Festplatz der Feria stehen über 200 „Casetas” – Büdchen von Vereinen, Firmen, Nachbarschaften, Kirchengemeinden und Gewerkschaften. Der Sherry fließt, überall wird getanzt. Die Frauen tragen bunte Flamenco-Kleider mit dekorativen Rüschen und Stoffblumen im Haar. Es ist eine Orgie aus Farben und Tönen.

Die reichen Familien, voran die Sherry-Barone, paradieren in ihren prächtigen Kutschen, gezogen von geschmückten Kartäuserpferden, durch die Feststraßen. Bedienstete in Uniform begleiten sie. Andalusien zeigt seinen Wohlstand. Schon der Kopfschmuck der Pferde hat ein kleines Vermögen gekostet. Besonders wohlhabende Familien lassen sich vierspännig chauffieren. Aber für ein paar Euro kann sich auch jeder eine Kutsche mieten und für eine Stunde davon träumen, dazu zu gehören. Junge Männer haben die Dame ihres Herzens auf den Damensitz hinter ihrem Sattel geladen. „Stolz wie ein Spanier”, der Spruch könnte in Jerez auf der Feria entstanden sein.

Die Dämmerung bricht an. Lichtbögen mit mehr als einer Millionen Glühbirnen strahlen. Das ist alles so, wie es seit Generationen war. Doch die Tradition hat mittlerweile auch Grenzen. Viele Senoras sitzen nicht mehr im Damensattel, Handys im Sattel sind nicht mehr verpönt und die Jugend hat Sherry und Flamenco gegen Cola mit Rum und Disco-Musik eingetauscht.

„Die Hauptdarsteller sind unsere edlen Pferde. Das bleibt”, sagt Feria-Polizist Xavier. Der sitzt auf einem Ross aus der Yeguada, erkennbar an dem Brandzeichen. „In München fahren die Polizisten doch auch BMW, wir reiten unsere Kartäuser.” Von Xavier stammt der Tipp, „nicht wie die meisten Touristen den Dressur-Zirkus der Hofreitschule” zu besuchen, sondern das Zuchtgestüt der Kartäuser.

Um 1484 hatten Kartäuser-Mönche mit der Zucht begonnen. Trotz aller Kriegswirren blieb die Rasse rein erhalten. Seit 1983 ist „Yeguada” Staatsgestüt. Und so etwas wie das Pferdeparadies auf Erden. Die 270 Pferde können sich in der Nähe des Klosters auf einer riesigen Finca austoben. Vier Ärzte betreuen 60 trächtige Stuten. Die Pferde-Klinik ist besser ausgestattet als manch ein Hospital. Die Sperma-Bank liefert in alle Welt. Auch die Lipizzaner sind mit den Kartäusern verwandt. „Das Gestüt setzt so weit wie möglich auf Natur”, sagt die Direktorin, das gelte auch für die Paarung. Die Besucher dürfen einen Blick ins „Wochenbett” der schwarzen Fohlen werfen (erst in der elften Woche wird ihr Fell weiß): In den „Laufstall”, in dem die putzigen Kleinen lernen, auf den eigenen Beinen zu stehen, und auf die Mutter-und-Kind-Koppel. „Sechs Monate leben die Fohlen bei ihren Müttern.” An jeder Box ein Schild mit dem Namen und einem Auszug aus der Ahnengalerie. Die Fohlen bekommen einen Namen, der denselben Anfangsbuchstaben hat wie der Name der Mutter.

Einmal in der Woche, jeden Samstag um 11 Uhr, ist Besuchstag. Während der Feria del Caballo gibt es zusätzliche Termine. „Die Tiere müssen sich an die Menschen gewöhnen”, erklärt die Direktorin. Die Cartujos sind nicht nur schön, sondern auch gelehrig und gutmütig. Deshalb dürfen Kinder auch jeden Pferdekopf streicheln, der neugierig aus seiner Box herauslugt. Nirgends sonst sieht man so viele glückliche Kinder. Die wichtigsten Tage der „Feria del Caballo” sind Freitag und Samstag. Die Region bietet aber noch mehr Anreize: Die Sherry-Bodegas, die Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert oder den Alcazar-Palast in Sevilla. Zimmer sind zwar in der Zeit des Festes sehr reizvoll, aber auch sehr rar. Und müssen lange im Voraus reserviert werden. Und Achtung: Die Hotels verlangen dann doppelte Zimmerpreise. Wer schlau ist , bucht eine ganze Woche Pauschalurlaub in einem guten Hotel an der Küste, wie in Rota, Chipiona, Sanlucar oder Cadiz. Mit dem Mietwagen ist Jerez in 45 bis 75 Minuten zu erreichen. Ole´.