Das Reise Journal sprach mit Tobias Jüngert, Mitglied des Krisenstabs der REWE Touristik, über die Herausforderungen nach dem Flugverbot

Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island brachte den Flugverkehr in Europa vollständig zum Erliegen und stellte damit die gesamte Reisebranche vor enorme wirtschaftliche und organisatorische Herausforderungen. Zehntausende Urlauber strandeten in nahezu allen Winkeln der Welt, ebenso viele konnten ihre Reise nicht antreten. Das Reise Journal zog mit Tobias Jüngert, Leiter Unternehmenskommunikation und Mitglied des Krisenstabs der REWE Touristik, eine erste Bilanz.

Haben Sie so eine Situation schon einmal erlebt?

Jüngert: Nein. Es gab in der Geschichte unseres Unternehmens noch kein Ereignis eines solchen Ausmaßes. Die Folgen dieses Vulkanausbruchs für die Reisebranche haben die des 11. September oder des Tsunamis in Asien 2004 in den Schatten gestellt. Unsere Gäste waren an 200 Airports weltweit betroffen.

Wieviele Gäste der REWE Touristik hingen denn insgesamt fest?

Jüngert: Rund 15 000, von denen wir 90 Prozent innerhalb von zwei Tagen nach Deutschland zurückholen konnten.

Was haben Sie genau unternommen?

Jüngert: Zunächst ging es einmal darum in einer enorm kurzen Zeit Struktur in eine sehr komplexe Situation zu bringen. Es waren dann schließlich 30 außerplanmäßige Flüge, zwei Fähren und 59 Busse nötig, um unsere Gäste so schnell wie möglich nach Hause zu holen. Die Flüge gingen von den Urlaubszielen unter anderem nach Wien, Salzburg oder Zagreb, eben so nah wie möglich an Deutschland heran. Wir haben unsere Mitarbeiter rausgeschickt, um die Weiterreise zu organisieren und die Gäste zu betreuen.

Tobias Jüngert
Tobias Jüngert © Rewe

Viele Kunden haben sich allerdings schlecht beraten gefühlt.

Jüngert: Das ist ein Eindruck, den ich nicht bestätigen, aber in jedem Einzelfall natürlich auch nicht verwerfen kann. Das Problem lag in der Kurzfristigkeit, in der sich Situationen geändert haben und auf die wir dann reagieren mussten. Es mag auch regionale Unterschiede gegeben haben. Die Mitarbeiter standen und stehen unter einem großen Druck. Wenn etwas schief gelaufen ist oder auch mal die falsche Tonart gewählt worden ist, bedauere ich das sehr. Das wird von uns aufgearbeitet. Generell haben wir aber sehr viel positives Feedback bekommen von unseren Kunden, die sehr viel durchgemacht haben. Das wissen wir. Es war für alle Beteiligten eine riesige Herausforderung.

Was gut funktioniert hat, war die Kündigung der Reiseverträge seitens der REWE Touristik. Die kam bereits nach zwei Tagen. Die großen Konkurrenten waren da kulanter.

Jüngert: Das war die Entscheidung des Unternehmens, aufgrund der rechtlichen Situation bei Höherer Gewalt die Verträge nicht aufrecht zu erhalten, weil die sich daraus ergebenden Ansprüche von uns nicht hätten erfüllt werden können. Aber die rechtliche Situation ist nur eine Ebene, die zweite ist das Organisatorische. Wir haben uns darauf konzentriert, unsere Urlauber schnellstmöglich zurückzuholen und die Kosten für die von uns organisierte Rückreise übernehmen wir in vollem Umfang. Der Gast wird daran nicht beteiligt. Rechtlich könnten wir 50 Prozent der Kosten abwälzen, was wir aber nicht tun.

Es gibt Beispiele, wonach ITS-Kunden, die ihre Reise über Internet-Vermittler wie Expedia gebucht haben, allein auf weiter Flur gestanden haben.

Jüngert: Das kann ich mir nicht erklären. Generell ist wichtig, dass das komplette Reisepaket in der Hand eines Veranstalters liegt. Dann ist es egal, ob man im Internet bucht oder ins Reisebüro geht.

Die einen kamen nicht nach Hause, andere nicht in den wohlverdienten Urlaub. Was ist mit ihnen passiert?

Jüngert: Auch hier bestand das Problem der Kurzfristigkeit. Wir konnten ja, wenn überhaupt, erst am Vorabend einschätzen, ob der Luftraum am nächsten Tag geöffnet wird. Wir haben uns dagegen entschieden, Reisen auf unbestimmte Zeit nach hinten zu verschieben. Wo wir die vertragliche Leistung klar nicht erbringen konnten, haben wir die Verträge storniert. Wir haben uns bemüht, alle Gäste noch zu Hause zu erreichen und dazu die Besetzung in unserem Callcenter deutlich aufgestockt. Trotzdem ist es uns natürlich nicht in allen Fällen gelungen. Die anderen Gäste wurden von unseren Mitarbeitern am Flughafen kontaktiert. Die Unannehmlichkeiten, die eine überflüssige Fahrt zum Flughafen so mit sich bringen, bedauern wir. Aber der Reisepreis für von uns stornierte Reisen wurde und wird vollständig erstattet.