Ruhe, Frieden und ein bisschen Luxus: Rantum ist ein Idyll – ohne den ganz großen Insel-Jetset

Überall auf Sylt ist Party. Immer und immer schriller. Schickis treffen Mickis. Überall auf Sylt? Nein: Ein kleines Dorf im Inselsüden ist anders. Ruhig, beschaulich, manchmal gar verschlafen. Und für dieses Dorf gilt: Totgesagte leben länger...

Denn eigentlich dürfte es Rantum schon gar nicht mehr geben. Warum? Ganz einfach: Weil es der Küsten-Katastrophen-Klassiker „Die große Sturmflut” so will, könnte man böse frotzeln. Tatsächlich liegt das alle Jahre wieder „sterbende Dorf” an der schmalsten Sylt-Stelle! Und wenn jetzt wieder die Herbststürme und der „blanke Hans” der Insel mächtige Landstücke entreißen, dann nimmt das Schreckens-Szenario erneut Gestalt an. Droht Sylt genau hier, am Engpass zwischen Dünen und Watt, auseinander zu brechen? Freilich: Das geschieht hier mit lautstarken Worten seit mehr als 20 Jahren, ernsthaft zerbrochen ist noch nichts.

Gerade mal rund 600 Meter trennen das Wattenmeer von der offenen Nordsee. Dazwischen Dünen, ein feiner, breiter Sandstrand, eine Durchgangsstraße und viele strohbedeckte Häuser. Rantum, auf friesisch Raantem, ist eine Idylle in Reet. Viele treue Stammgäste wissen die Ruhe, den Frieden und ein bisschen Luxus zu schätzen. Eine Handvoll Hotels, Restaurants und ein „königlicher” Sternekoch, viele Ferienhäuser und Appartements, ein kleines Gewerbegebiet, in dem auch die Sylt-Quelle sprudelt, die einzige Reetdachkirche auf Sylt (St. Peter), eine Galerie, eine Handvoll Boutiquen, ein Supermarkt, eine schummrige Kurverwaltung (die kein Mensch braucht) – das ist im Großen und Ganzen Rantum, das sich verwaltungstechnisch vor kurzem mit Westerland und Sylt-Ost zur „Stadt Sylt” zusammengeschlossen hat.

Der Ort punktet aber nicht nur mit der Qualität seiner Ferienunterkünfte, sondern mit der Natur „drumherum”, vor allem auf der Wattseite, wo ein Morgenspaziergang zu jeder Jahreszeit ein Stückchen mehr Seelenfrieden bringt.

Strandläufer: Ein Spaziergang durchs Watt gehört zu jedem Sylturlaub.
Strandläufer: Ein Spaziergang durchs Watt gehört zu jedem Sylturlaub. © foto: TV

Im Sommer präsentiert sich der Ort als blühende Gemeinde mit vielen tausend Gästen, einer Eisdiele und hunderten von bunten Strandkörben. Im Winter aber sind die rund 400 Raantemer weitgehend unter sich, wie Thomas Nissen vom Supermarkt weiß: „Man kennt sich, obwohl es mit der Dorfgemeinschaft von früher vorbei ist. Nur unsere Feuerwehr hält uns Dörfler noch bei Laune.” Und Gastwirtin Elisabeth Hinrichsen ergänzt scherzend: „Es dauert wohl nicht mehr lange, da werden die letzten Ur-Einwohner als Museumsstück ausgestellt.”

Der Ort, in dem der Quadratmeter Bauland bis zu 6000 Euro kostet, was so manchen Häuslebesitzer immer wieder zum Verkauf treibt, ist ruhig und brav. Vor allem das Nachtleben im Herbst und Winter hat seinen Ruf weg – ab 19 Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt. Mit anderen Worten: Rantum ist eine Ruhe-Oase mit hohem Erholungswert und Schicki-Micki freier Zone. Nur im Dorfhotel (gehört zu TUI) und der legendären Sansibar-Location in den Dünen auf halbem Weg nach Hörnum geht schon mal häufiger die Post ab.

Apropos Dorfhotel: Der Bau dieser Ferienanlage ließ vor wenigen Jahren die Gemüter im Dorf hoch kochen. „Die nehmen uns die Gäste weg, die bunten Häuser passen hier nicht hin, die machen uns die Preise kaputt”, hieß es. Jetzt lebt man zwei, drei Jahre nebeneinander, hat eine Art Burgfrieden geschlossen und stellt plötzlich fest: Es geht doch, leben und leben lassen.

Eine ähnliche Devise gilt im gastronomischen Dauerbrenner Rantums, der Sansibar. Mittags treffen sich in der pfiffigen Strandbude Wanderer und Strandläufer zu Riesling und Currywurst, abends fährt Mann/Frau im Cayenne oder Hummer vor. Selbst in der Nebensaison ist das Dinner in der Dünen-Kneipe kaum ohne Reservierung möglich – wer sich für die erste Sitzung um 18 Uhr entscheidet, ist selber schuld: Spätestens ab 19.45 Uhr stehen „die Tisch-Nachfolger” vor selbigem und drücken Sprüche. Näher am Dorf gelegen, nicht ganz so berühmt, aber gemütlich und hochwertig ist das Samoa Seepferdchen – probieren geht über Studieren!

Goethe war nie auf der Insel. Wäre er es gewesen, hätte er wohl geschrieben: „Mein Rantum lob' ich mir!” Und damit das so bleibt, wird jedes Jahr im Frühjahr draußen vor der Küste Sand aufgespült – die Wunden, die Sturm und Wetter gerissen haben, werden ausgebessert. Möge der Patient noch lange leben.