Von Trüffeln und Truman: Die Genuss-Region Piemont bietet Sekt, Kirschen und den teuren Edelpilz

Das Messer gleitet durch den Robiola wie durch ein Stück Butter. Antonio Patermino lächelt die Rohmilchkäsekugeln und -blöcke so verzückt an, als wären es seine Kinder.

Wenn glückliche Milch von glücklichen Kühen zu glücklichem Käse werden soll, dann auf dem Servierwagen von Signore Patermino. Dem Wirt des La Braja in Montemagno müsste man das Lächeln schon wegoperieren, wenn man einen anderen Gesichtsausdruck bei ihm aufspüren wollte. Der Mann mit dem kugelrunden Kopf und dem streng gescheitelten schwarzen Haar erfüllt alle Klischees, die ein Hollywoodregisseur sich wünschen könnte, wollte er einen italienischen Gastwirt besetzen. Und die Leidenschaft, mit der er Speisen und Gäste gleichermaßen umschmeichelt, sie scheint so typisch für die Gasthäuser dieser Genuss-Region: die Region um die Stadt Asti im Piemont, nicht weit von Turin.

Info

Anreise: Mit Lufthansa

01805/80 58 05 www.lufthansa.com oder Air Berlin

01805/73 78 00 www.airberlin.com ab Düsseldorf nach Turin.

Veranstalter: Eine organisierte Schlemmerreise mit dem Mietwagen, inklusive Degustations-Menüs und fünf Übernachtungen durch den Piemont bietet Olimar-Reisen

0221/20 59 04 90 www.olimar.de ab 870 Euro.

Mit Ruge-Reise

040/42 93 63 66

www.ruge-reisen.de geht es vom 21.10.09 bis 25.10.09 auf Trüffel- und Weinreise. Stationen: Turin, das herbstliche Piemont, Trüffelmesse in Alba, die Weinbauregion des Barolo und Barbaresco, mit Kulinarik-Menüs und Wein. Preis pro Person mit Übernachtungen 1 380 Euro.

Besonderheiten: Viele Schlösser, Adelsvillen, Klöster und Bauernhöfe zeugen von der Epochenvielfalt des Piemont. Die Region ist nicht nur die Heimat der „Mon-Chéri“-Praline, auch die Haselnusscreme Nutella der Firma Ferrero, die Automarke Fiat und die Designermarke Alessi sind piemontisch.

Kontakt: Italienische Tourismuszentrale

069/23 74 34 www.enit-italia.de

Asti, natürlich, da denkt man, Verzeihung, zuerst an billige Saufgelage aus der eigenen Jugend, kurz nach den ersten Lambrusco-Erfahrungen aus der handlichen Zweiliterflasche. Was folgte, war der süß prickelnde Spumante, der immer noch zu den Exportschlagern der 75 000-Einwohner-Stadt zählt. Und der natürlich auch in einer Qualität in den Gläsern sprudelt, die nicht schon beim ersten Schluck Kopfschmerzen signalisiert.

Zum Piemont fallen einem die schokoladig süßen Sachen von Ferrero ein und die Kirsche, die sich seit Menschengedenken leicht angeschickert im Schokoladenüberzug in „Mon Che´ri” verwandelt. Und wuchtige Barolos, die jedes Weinglas adeln und ihre kleineren Verwandten Barbera und Dolcetto. Aber Asti, umgeben von Haselnusswäldern und Weinbergen, von Burgen und Palazzi auf sanften Hügeln, das ist vor allem auch die Heimat des Luxuspilzes schlechthin. Der ist den meisten Liebhabern als weißer Alba-Trüffel geläufig. Was die Menschen in Asti besonders wurmt. Denn dem Nachbarn Alba sind sie seit dem Mittelalter in herzlicher Abneigung verbunden. Früher gab's schon mal Krieg zwischen den beiden Stadtrepubliken. Heute lädt Asti zur Teilnahme an seinem traditionellen Pferderennen, dem Palio, alle möglichen Nachbargemeinden ein. Nur nicht Alba. Und Alba rächt sich, indem es einen eigenen Palio veranstaltet. Mit Eseln. So ist Italien.

Es gibt Trüffel-Wettbewerbe, bei denen Asti und Alba ihre dicksten Knollen präsentieren. Aber auch wenn Asti die Nase oft genug vorn hat – vom Asti-Trüffel ist weit und breit nichts zu hören. Sagen wir mal, Alba hat sich bisher einfach cleverer vermarktet.

100 Gramm des schwarzen Sommertrüffels kosten je nach Marktlage rund 50 Euro. Ein Schnäppchen, verglichen mit dem weißen, der zwischen September und Januar an den Wurzeln von Weiden, Eichen, Pappeln und Linden Halt sucht – und das nur hier: Er bringt das Zehnfache. „Weil er eine Symphonie der Düfte vereinigt”, schwärmt Natale Romagnolo und spricht von 45 unterschiedlichen Geruchsmolekülen, von denen zwei hervorstechen: Honig und Knoblauch. Wenn Natale über den Trüffel doziert, wird seine Sprache zu Musik, als huldigte er seiner Geliebten.

Giorgio Romagnolo riecht für gute Qualität.
Giorgio Romagnolo riecht für gute Qualität. © foto: preuß

Natale und Giorgio Romagnolo aus dem Vorort Costiglione d'Asti sind Trüffelsucher in der fünften Generation. Zwei von 2000 „Trifulau”, die eigene Areale rund um Asti mit staatlicher Lizenz durchstreifen. Etwa 10 000 sind es im gesamten Piemont. Mit Hund und keineswegs mit Schwein – so erfährt der ahnende Besucher, dass er in Wirklichkeit doch ahnungslos ist. „Mit Schweinen sind sie im Perigord in Frankreich unterwegs”, erzählt Natale und verzieht dabei das Gesicht, als spreche er über eine elende Sauerei. Schweine seien schlechter erziehbar und würden die schwarzen Trüffel, die sie fänden, sofort selber auffressen. Das wäre kein gutes Geschäft. Er und Giorgio bevorzugen einen siebenjährigen englischen Pointer und eine zweijährige französische Bracke. Die fegen durch den kleinen Wald oberhalb des Hauses und schnüffeln nach Trüffeln. Wenn sie plötzlich stoppen und anfangen zu buddeln, müssen die Männer schnell eingreifen, sonst könnte eine 100-Euro-Knolle doch noch zu Hundefutter werden. Dass sie nur nachts oder in den ganz frühen Morgenstunden auf die Suche gehen, hat nicht nur etwas mit den günstigeren Witterungsbedingungen zu tun. Der Trüffelsucher lässt sich nicht gern bei der Arbeit beobachten. Denn wenn die teuren Pilze überhaupt nachwachsen, dann immer wieder an den selben Stellen.

Vier bis fünf Kilo weiße Trüffel sammeln die Romagnolos pro Saison ein, der größte, den Giorgios Hund je aufspürte, wog 800 Gramm. In der Gegend habe ein 15-jähriger Junge 1953 sogar ein 1,25 Kilogramm schweres Exemplar gefunden, erzählt Natale und hält ein zart vergilbtes Schwarzweißfoto vom Jungen, seinem Hund und dem gewaltigen Trüffel hoch. Der Pilz sei dem amerikanischen Präsidenten Harry Truman geschenkt worden.

Wo der ihn zum Einsatz brachte, möchte man gar nicht so genau wissen. Antonio Patermino hätte ihm jedenfalls geraten, ihn blättchenweise über ein Spiegelei zu hobeln. Und diesen Ratschlag hätte er natürlich mit einem Lächeln serviert, das keinen Widerspruch duldet.