Ravello war einst Sehnsuchtsort Richard Wagners – nun schlägt ein Konzerthaus hohe Wellen im Dorf an der Amalfiküste

Geht er nun aus wie ein auf den Kopf gefallenes Schwalbennest oder doch eher wie ein gigantisches Auge, das übers Meer blickt? Egal, jedenfalls schlägt der geschwungene weiße Betonblock mit dem schwarzen Eingangsrund kräftige Wellen an der Amalfiküste. Nach zehn Jahren Planungsstreit und Bauzeit wurde das vom greisen Star-Architekten Oscar Niemeyer geschaffene Konzerthaus Ravellos Ende Januar endlich eröffnet. Und ob das überraschend zierliche Auditorium nun Meisterwerk oder Betonfrevel darstellt, kann jeder selbst beurteilen. Die Landschaft, die es umgibt, ist über jeden Zweifel erhaben. Weinterrassen, efeuumrankte Ruinen und der prickelnde Duft von Zitronenblüten an der Amalfiküste südlich von Neapel würden wohl sogar in einem Granitklotz romantische Gefühle wecken. Ihren spektakulären Höhepunkt findet die „göttliche Küste”, wie der Abschnitt auch genannt wird, in Ravello.

„Im Innern Verliese eines nach oben offenen Turmes. Steinstufen führen nach dem Zinnenrande der Turmmauer; Finsternis in der Tiefe.” So lautet Richard Wagners Szenenanweisung im Parsifal. Im Sehnsuchtsort des Komponisten kann der Besucher sich mit dieser Skizze auch heute leicht zurechtfinden. Denn Wagner, der 1880 in Ravello Teile der Oper schrieb, hielt sich exakt an das, was er vor sich sah. Und anders als die schicken Küstendörfer Positano und Amalfi unten am Meer blieb im hoch oben gelegenen Bergdorf viel von der Aura des 19. Jahrhunderts erhalten. Daran ändern auch Niemeyers Auditorium und ein, zwei moderne Designerhotels nichts.

Im Park der Villa Rufolo glaubte Wagner, Klingsors lang gesuchten Zaubergarten gefunden zu haben. Im zweiten Akt des Parsifals machte er das Gemäuer dann unsterblich. Die Gemeindeväter bedankten sich für die unbezahlbare Werbung und reagierten mit kaum 70 Jahren Verzug: Seit 1953 ist der Originalgarten jeden Sommer Festivalbühne und Pilgerstätte für Wagnerianer mit Sehnsucht nach dem Süden. Ab dem kommenden Sommer erklingt die Musik nun auch im neuen Konzertsaal mit einem der prächtigsten Blicke aufs Wasser, den die Welt zu bieten hat. Wagner selbst widmete dem Meer allerdings keinen Gedanken. Dabei ist es vor allem die terrassenförmige Anlage, die heute den Besucher in den Bann zieht.

Die kunstvoll angeordneten Blumenrabatten, die stilsicher dazwischen gesetzten Palmen und Teiche, die Rosenkaskaden: Das alles bildet nur den Rahmen für die beklemmend schöne Aussicht über die geschwungene Küste tief unten und den silbern glänzenden Golf von Salerno.

Richard Wagner ritt noch auf einem Esel sieben Stunden lang von Amalfi hinauf nach Ravello. Heute geht es schneller, doch die Strecke ist weiter ein Erlebnis. Es scheint, als führe der Weg himmelwärts und ende 350 Meter über dem Meer geradewegs in der Oper.

Ravello

Anreise: Mit Air Berlin

01805/73 78 00

www.airberlin.com

ab Köln-Bonn oder Düsseldorf nach Neapel. Mit Lufthansa

01805/80 58 05

www.lufthansa.com

ab Düsseldorf nach Neapel.

Angebot: Dertour

01805/33 76 66

www.dertour.de

bietet eine einwöchige Flugreise zur Amalfiküste mit Frühstück im 3-Sterne-Hotel ab 385 Euro. L'tur bietet eine Woche im April (3-Sterne-Appartement inkl. Frühstück) ab 449 Euro p.P. an.

Kontakt: Italienische Zentrale für Tourismus

069/23 74 34

www.enit-italia.de

Der Komponist ist allgegenwärtig auf der historischen Piazza: Da wetteifert die Pasticceria Klingsor mit dem Hotel Parsifal, das Ristorante Graal schenkt einen Rotwein Giardini di Klingsor DOC aus. Und aus dem Fotogeschäft scheppert der Matrosenchor – welch Fauxpas – aus dem „Fliegenden Holländer”. Wer weiter vorstoßen will in die Altstadt, der ist auf gutes Schuhwerk angewiesen. Denn eine umsichtige Verwaltung hat das Zentrum Ravellos schon vor vielen Jahren für Autos gesperrt.

Die meisten Gäste steuern freilich direkt auf die Villa Rufolo zu und spazieren danach hinüber zum zweiten Höhepunkt Ravellos, der Villa Cimbrone. 1904 von einem spleenigen Engländer gebaut, ist das Haus ein wenig Gralsburg, ein wenig Neuschwanstein, ein wenig Entführung aus dem Serail. Greta Garbo, so weiß es eine marmorne Gedenkplatte, genoss dort „Stunden geheimen Glücks” mit dem amerikanischen Dirigenten Leopold Stokowski.

Die Besucher lassen die mit wildem Wein bewachsene Scheußlichkeit, in der man übrigens immer noch wohnen kann, links liegen und strömen in den Park. Zwischen Hortensien und Drachenbäumen tauchen Figuren, Grotten und Tempelchen auf. Dann öffnet sich der Weg, der Gast tritt aus dem schützenden Grün hinaus zum großen Finale auf die blendend weiße Aussichtsterrasse. Für Leute mit Höhenangst ist der „Belvedere del Infinito”, der Aussichtspunkt der Unendlichkeit, definitiv nichts: Der Höhenzug, auf dem Ravello steht, bricht dort über hundert Meter senkrecht zum Meer hin ab. Wer sich daran nicht stört, findet wohl keinen romantischeren Punkt an Italiens Küsten als diesen unvergleichlichen Zusammenklang von See, Gebirge und Licht.