Viel ist schon berichtet worden über das bittere Los Alleinreisender, die – einem ungeschriebenen Gesetz zufolge – garantiert die Abstellkammer neben der Toilette bekommen. Doch nun haben Veranstalter Alleinstehende als Kunden - und das Kuppeln als Marktlücke entdeckt. Ein Selbstversuch.

"Sie sind auch Single? Das finde ich gut”, teilt mir die nette Dame der Hamburger Single-Agentur „Dating Cafe” mit. Schließlich, so folgert die Expertin für Paarungshilfe messerscharf, könne ein Single viel besser über Liebe und Leiden anderer Singles auf Urlaubsfahrt schreiben. Viel ist ja schon berichtet worden über das bittere Los Alleinreisender, die – einem ungeschriebenen Gesetz zufolge – garantiert die Abstellkammer neben der Toilette bekommen, und im Restaurant den Katzentisch am Ausgang. Ein Urlaubshotel, vollgepackt mit Kleinfamilien, ist für einen erlebnishungrigen Single schlichtweg eine Horrorvision. Einen Traumurlaub unter „Gleichgesinnten” mit hohen Flirtchancen versprechen dagegen Veranstalter von Single-Reisen oder „Urlaubsreisen für Alleinstehende”, wie sich manche der Angebote etwas altbacken nennen.

Ich buche eine Woche an der südspanischen Atlantikküste: Eine Urlaubsanlage im andalusischen Stil nahe dem Surferparadies Tarifa. Der Veranstalter, so wird jedenfalls versprochen, sorgt für ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern im Alter zwischen 25 und 40. Das ist nicht bei jeder Single-Reise so. Es gibt Veranstalter, die die Bereitstellung eines Einzelzimmers für ausreichend halten. Unsere Gruppe wohnt in drei doppelstöckigen Reihenhäuschen mit Swimmingpool und Kinderspielplatz. Sie gehören örtlichen Besitzern und sind individuell eingerichtet. Im Schlafzimmer hängt ein gerahmtes Hochzeitsfoto.

Der erste Abend: Grillen auf der Terrasse. Nach und nach tröpfeln Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein. „Ein Grillabend ohne Musik? Ich mach das mal.” Lockenkopf Carlos, 30, kennt sich aus mit fremdelnden Reisegruppen. Um Partystimmung zu zaubern, holt der Reiseleiter einen Kassettenrekorder und legt Hits aus den Neunzigern auf. 15 Teilnehmer umfasst die Gruppe, das Geschlechterverhältnis ist tatsächlich fast ausgewogen: acht Männer und sieben Frauen. Einem Flirt sind sie nicht abgeneigt, auch wenn's keiner zugibt. Doch am ersten Abend lodert nur die Grillkohle.

Die ersten beiden gruppendynamischen Aktivitäten haben wir zu diesem Zeitpunkt bereits hinter uns: die Aufteilung der Mietwagen am Flughafen – je drei Teilnehmer teilen sich einen Mietwagen – und die Aufteilung der Zimmer. Die Mehrzahl der Zimmer sind nämlich Doppelzimmer, und so stellt sich die Frage: Wer mit wem? Auch hier hilft Carlos: Um peinlichen Diskussionen zuvorzukommen, teilt er die Gruppe nach Männlein und Weiblein getrennt auf. Später kommen zaghafte Gespräche auf, erste Grüppchen bilden sich. Fast alle Frauen arbeiten zufällig in medizinischen Berufen, die Männer sind Ingenieure, Makler oder Angestellte. Silvia aus Greifswald, Schwester auf der Intensivstation, möchte abschalten vom Stress. Thorsten, Makler aus dem Badischen, möchte die Dates, die er beim „Dating Cafe” nur im Internet kennenlernt, mal in Aktion sehen.

Im Gegensatz zu anderen Gruppenreisen sind alle Aktivitäten freigestellt, es gibt Ausflüge nach Sevilla, Cadiz, Ronda, Jerez und Tarifa, abends Treffen in Restaurants oder zum Flamenco-Konzert. Jegliche Anzeichen von Kuppelei sollen dringlichst vermieden werden. Das Nachtleben beschränkt sich auf ein Gläschen Wein auf der Terrasse. „Wir sind hier nicht am Ballermann”, stellt Carlos klar. Rolf aus Ingolstadt ist der einzige, der zwei Wochen gebucht hat und einen Vergleich mit der letzten Gruppe ziehen kann. In der Vorwoche hat es das Geschlechterverhältnis den Damen nicht leicht gemacht: 16 Frauen kamen auf ganze fünf Männer. „Doch die Typen haben dieses Verhältnis überhaupt nicht genutzt, im Gegenteil!” Rolf, täglich mit seinem Surfboard am Strand unterwegs, rollt die Augen: „Das waren echt Härtefälle, denen die Angst, auch im Urlaub allein bleiben zu müssen, ins Gesicht geschrieben stand.” Aus Frust wurde gemosert ohne Unterlass. Singles können anstrengend sein. Rolf hatte eine Berlinerin im Blick, die ihn jedoch fünf Tage lang zappeln ließ. Am Tag sechs wechselte er seine Strategie und hatte umgehend Erfolg – bei einer anderen. In der neuen Gruppe legen alle spätestens am zweiten Tag den Hebel um: Wenn schon kein heißer Flirt, dann eben eine lustige Clique. „Ich sehe es einfach als Gruppenreise”, gibt sich Ingrid, zweifache Mutter aus Mönchengladbach, geschlagen.

Single-Reisen

Veranstalter: Singlereise mit Sunwave Gruppenreisen

040/725 85 70

www.sunwave.de

eine Woche Andalusien vom 2. bis 9. Juni 2010 im Apartment in Zahara de los Atunes inklusive Flug ab 688 Euro.

Mit TUI 01805/88 42 66

www.tui.com

All-inclusive im Vier-Sterne-Single-Club Magic Life in Kemer (Türkei) im März, inklusive Flug ab 850 Euro.

Besonderheiten: Agenturen wie Dating Cafe

040/79 75 56 60

www.datingcafe.de

kooperieren mit Reiseveranstaltern. Vorteil: Sie bemühen sich, dass die Teilnehmer zueinander passen. Eine Erfolgsgarantie wird jedoch nicht gewährleistet.

Schon am ersten Abend geraten die Schwestern Mara und Sophie aus Österreich in die Fänge von Uwe aus dem Hunsrück. Beim Ausflug nach Sevilla teilen sie sich den Wagen, beim Essen sitzt Uwe immer zwischen ihnen. Die übrige Gruppe beäugt das Trio: Ob er sie wohl rumkriegt? „Der macht zu sehr auf Klette”, lautet Rolfs Kommentar. Er ist dabei, die SMS von Tanja, seiner Flamme der Vorwoche, zu beantworten. „Hallo Rolf! Wie geht es dir mit der neuen Gruppe? Deine SMS hat mir den Tag gerettet. Melde dich bald wieder. Küsse!” steht auf dem Display. „Du musst es schaffen, dich mit 'deiner Wahl' im richtigen Moment von der Gruppe abzusetzen”, rät er. In den Apartments seien romantische Techtelmechtel unvorstellbar: keine Privatsphäre. Die Sonnenliegen am Strand: Ebenfalls ungünstig, da von Einheimischen belegt. Andere Teilnehmer haben andere Sorgen. Täglich im Reisepreis eingeschlossene Ausflüge stehen an, die Teilnahme ist freiwillig. Möchte niemand mit, fällt die Fahrt aus. „Einfach unmöglich”, findet es Georg aus dem Rheinland, dass sich das „Trio” Sophie, Mara und Uwe immer aus den Ausflügen ausklinkt.

Am dritten Abend soll der Flamenco-Abend in Jerez de la Frontera für knisternde Erotik sorgen. Im Anschluss geht es in die größte Diskothek des Ortes, die gegen Mitternacht noch fast leer ist. Zwei Großbildschirme dominieren die Tanzflächen, eine deutsche Reisegruppe glotzt bewegungslos auf die Bilder. Gegen drei Uhr, als die Singlegruppe schon wieder aufbricht, bildet sich am Eingang eine Warteschlange. Südspanische Teenies gehen eben später aus als deutsche Singles. Und den frühen Abend nutzen Spanierinnen augenscheinlich, um sich phantasievoll einzuglittern: eine im Flamenco-Kleid mit gewagtem Ausschnitt, eine andere mit rosa Cowboyhut und weißen Schleier.

Am letzten Abend: Paella für alle. Abschiedsstimmung kommt auf. Eine Adressliste für ein Nachtreffen geht herum, Digitalfotos vom Flamencoabend – ein Mann mit dünner Stoffhose saß dermaßen breitbeinig da, dass nichts verborgen blieb – sorgen für ausgelassenes Gelächter. „Ich ärgere mich, dass ich nicht zwei Wochen gebucht habe”, sagt Thorsten, wobei er an die 15 Frauen der nächsten Gruppe denkt. Für ihn steht fest: „Nächstes Jahr auf jeden Fall wieder eine Single-Reise!”