Reykjavik/Landmannalaugar. Schroff, öde, farbenfroh: Der Laugavegur bietet isländische Natur in all ihren Facetten. Nur Angst vor eisigen Füßen darf hier niemand haben.
Aschewüsten so weit das Auge schauen kann, knietiefe Durchquerungen von eisigen Gletscherflüssen, immer wieder neue Landschaften - und das alles in vier Tagen, abseits der Zivilisation im Süden Islands.
Der Laugavegur ist ein rund 55 Kilometer langer Trail, der regelmäßig in den Listen der weltbesten Wanderwege aufgezählt wird. Nachdem ich ihn gelaufen bis, muss ich sagen: Absolut zurecht! Aber von vorn.
Für die meisten Wanderer startet das Abenteuer in der Hauptstadt Reykjavik. Mit einem geländegängigen Bus geht es für uns mit einer Handvoll weiterer Backpacker zum Startpunkt in Thorsmörk. Die Fahrt dauert rund vier Stunden. Gegen Ende schlängelt sich die Straße am Fuße des Eyjafjallajökull entlang - jener Vulkan, dessen Staubwolke im Jahr 2010 tagelang den europäischen Flugverkehr lahmlegte.
Nach einer frischen Nacht auf dem Zeltplatz in Thorsmörk - die Temperaturen sind selbst im Hochsommer nachts tief einstellig - geht es los. 55 Kilometer sind es von hier bis zum Zielort Landmannalaugar in nördlicher Richtung.
Der Laugavegur lässt sich auch entgegengesetzt laufen, von Norden nach Süden. Die allermeisten Wanderer machen das, weil es etwas mehr bergab geht. Wir haben in der Süd-Nord-Richtung zwar mehr Anstiege zu laufen, dafür sind wir aber den meisten Teil für uns und können die unzähligen Farben, Gerüche, Geräusche allein erleben.
Krüppelbirken und Eiswasser
Vermeintlich untypisch für Island führt der erste Kilometer durch einen kleinen Birkenwald. Aufgrund des Klimas wachsen die Bäume nicht besonders gerade. Kaum haben wir die letzten Bäumchen passiert, wartet ein eiskalter Gletscherfluss. Das Wasser hat selbst im Hochsommer, wenn man davon in Island überhaupt sprechen kann, nur etwas über 0 Grad. Dort müssen wir nun durch, samt 13 Kilo schwerem Rucksack. Die Füße schmerzen wie von tausenden Nadelstichen. Glücklicherweise hört das schnell wieder auf.
Der Weg führt uns danach in eine Vulkanlandschaft, durchzogen von kleinen Flussläufen. Die Lava-Asche knirscht unter den Sohlen, seit Tagen hat es nicht geregnet - ein seltenes Wanderglück auf Island.
Die Asche-Landschaft scheint kein Ende zu nehmen, man geht und geht. Man versteht, warum in solchen Gebieten auf Island für Mondlandungen geübt wurde. Der Eyjafjallajökull, von dem wir eigentlich weg wandern, scheint nicht kleiner zu werden.
Irgendwann sehen wir viele bunte Zelte. Unser Campingplatz. Wer rechtzeitig bucht, kann in Hütten übernachten, ein paar Toiletten und Gletscherwasser fürs Zähneputzen stehen aber auch für Camper bereit.
Spuren der Zivilisation
Sommer auf Island heißt, dass es praktisch nicht dunkel wird. Die Sonne geht zu dieser Jahreszeit bereits um ungefähr 4 Uhr auf. Das schönste Geräusch, wenn man im Zelt aufwacht, ist die Stille. Denn das heißt: Es regnet nicht, perfekte Voraussetzung zum Wandern.
Von der Aschewüste in den Gebirgsfluss
Der zweite Wandertag beginnt wieder mit Asche - in allen denkbaren Grau- und Schwarzschattierungen. Es läuft sich schwer, wie auf einem Sandstrand. Man fühlt sich, als würde man nicht vorankommen, weil es über Kilometer identisch aussieht.
Ich bin gefangen von meinem Blick durch die dunkle Aschewüste, da hören wir ein Plätschern und Gurgeln - ein Gebirgsfluss, mit zehn bis zwölf Metern der breiteste und mächtigste auf dieser Tour. Das Wasser ist knietief, also: Wanderhose aus, Schuhe aus und Zähne zusammenbeißen.
Feuer und Eis in einer surrealen Landschaft
Die nächste Nacht ist stürmisch, es regnet. Doch bald scheint wieder die Sonne. Und der nächste Fluss wartet. Hier brauchen wir knapp 30 Minuten, um die richtige Stelle für die Durchquerung zu finden.
Kurz nach dem Fluss beginnt der steile Anstieg auf etwa 1000 Meter, und in eine andere Welt. Kein Grün mehr. Nun begleiten uns zahllose Schneefelder. Zwischen ihnen immer wieder heiße Quellen, aus denen Rauch aufsteigt. Eis und Feuer nebeneinander, es wirkt surreal.
Wir erreichen die höchst gelegene Hütte des Trails. Normalerweise endet hier, nach knapp zwölf Kilometern, die dritte Etappe. Als wir ankommen, rät uns der Hüttenwirt aber, weiterzulaufen. „Es kommen morgen schwere Unwetter auf!“
Also laufen wir noch die letzten etwa zwölf Kilometer nach Landmannalaugar. Auch, wenn die Füße schon wehtun.
Spuckendes Monster und bunte Berge
Auf dem Weg zum Ziel geht es hinab ins Tal. Plötzlich ist die Landschaft wieder ganz anders als in den vergangenen Tagen. Beim Abstieg sehen wir links farbenfrohe Berge in Grün, Blau, Rot und Gelb. Im Kontrast scheinen die Lavafelsen auf der rechten Seite gerade eintönig.
Zum Ende der Wanderung durchqueren wir nochmal ein altes, mit Moos überzogenes Lavafeld. Der Weg schlängelt sich, bis sich der Blick auf zahllose Zelte öffnet: Landmannalaugar. Als Belohnung am Ziel wartet ein Sprung in den Fluss direkt neben dem Campingplatz. Und diesmal kostet das keine Überwindung: Eine heiße Quelle verwandelt ihn in eine angenehme Badewanne.
Service: Laugavegur
Anreise: Im Sommer von mehreren deutschen Flughäfen Direktflüge verschiedener Airlines nach Reykjavik. Von dort in drei bis vier Stunden nach Landmannalaugar oder Thorsmörk im Süden der Insel.
Weg: Der Laugavegur ist rund 55 Kilometer lang. Es wird empfohlen, ihn auf vier Tage aufzuteilen. Es gibt sechs Hütten und Campingplätze entlang des Wegs, die vom Wanderverein Ferðafélag Íslands betrieben werden. Der listet auf seiner Webiste (in englischer Sprache) auch alle Informationen auf, die für die Wanderplanung nötig sind: https://www.fi.is/en/hiking-trails/trails/laugavegur
Reisezeit: Die Wandersaison auf dem Laugavegur läuft in der Regel vom 25. Juni bis 25. September. Der Autor ist ihn im August gelaufen.
Informationen: Wanderverein Ferðafélag Íslands, Mörkinni 6, 108 Reykjavík (Tel.: 00354 568 2533; Mail: fi@fi.is; Web: www.fi.is/en); Tourismusorganisation Visit Iceland (https://de.visiticeland.com/) (dpa)