Essen. Kann man trotz des Ukraine-Konflikts nach Polen reisen? Auf jeden Fall, sagt Konrad Guldon, Leiter des polnischen Fremdenverkehramts in Berlin.
Die Corona-Pandemie hat die Tourismusindustrie in den Jahren 2020 und 2021 hart getroffen und weltweit zu enormen Einbußen in der Branche geführt. Das Jahr 2022 gab mit vielen Lockerungen, dem Wegfall von Hochrisikogebieten und dadurch steigenden Buchungszahlen Hoffnung, dass die Krise im Tourismus nun endlich überstanden sein könnte.
Doch der Krieg in der Ukraine löst bei vielen Menschen Unsicherheiten aus und könnte Urlauber davon abhalten, Länder in Mittel- und Osteuropa, besonders die Nachbarländer der Ukraine, wie Polen, zu bereisen. Für diese Ängste gibt es aber in der aktuellen Situation keinen Grund, sagt Konrad Guldon, Leiter des polnischen Fremdenverkehrsamt in Deutschland. Wir sprachen mit ihm über den Status quo und die erwartete touristische Entwicklung in Polen in diesem Jahr.
Kommen wegen des Kriegs in der Ukraine aktuell weniger Touristen nach Polen und werden bestehende Reise-Buchungen deswegen storniert?
Konrad Guldon, Leiter des polnischen Fremdenverkehramts in Deutschland: Die ersten Monate des Jahres 2022 standen noch im Zeichen der Pandemie. Doch die Zahl der Neuinfektionen ist in Polen in den vergangenen Wochen deutlich gesunken und mit einer 7-Tage-Inzidenz von 200 stehen wir im europäischen Vergleich sehr gut da. Daher waren wir bis vor einigen Tagen noch sehr zuversichtlich, was das Reisejahr betrifft.
Nachdem Polen Ende Februar endlich von der Liste der Hochrisikogebiete gestrichen wurde, ging bei vielen Hotels die Zahl der Buchungen für das Frühjahr und den Sommer stark nach oben und man freute sich über eine gute Saison. Der Krieg in der Ukraine führt natürlich zu einer Verunsicherung bei Reisenden, auch wenn wir bisher noch kaum Informationen über Stornierungen von Reisen erhalten haben. Diese Verunsicherung ist bisher unbegründet. Daher gibt es auch diesbezüglich natürlich keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Reisen nach Polen sind - Stand jetzt – sicher, so sicher wie Reisen in Deutschland.
Erwarten Sie durch den Ukraine-Konflikt für Ostern oder den Sommerurlaub weniger Touristen?
Konrad Guldon: Wir rechnen im Moment nicht mit Stornierungen in größerem Maße. Wir hoffen alle, dass der Krieg in der Ukraine und damit das Leid der Menschen dort sehr bald beendet wird, denn der Tourismus weltweit lebt vom friedlichen Zusammenleben der Menschen und Austausch der Kulturen. Auch der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hat im Rahmen der Internationalen Tourismus Börse Anfang März gesagt, es sehe im Tourismus eine Möglichkeit zur Völkerverständigung - "es gebe kein besseres Gegenwicht zum Krieg als den Tourismus".
Kann man sicher in Polen Urlaub machen und könnte es Einschränkungen in den bestehenden touristischen Angeboten geben?
Konrad Guldon: Wir können jetzt nur von der aktuellen Situation ausgehen und da können wir sagen, dass die Situation in Polen nicht unsicherer ist als in Deutschland. Der Südosten unseres Landes, der unmittelbar an die Ukraine grenzt, wird bislang nur von einem kleinen Teil der deutschen Gäste besucht. Die meisten Deutschen zieht es an die Ostseeküste, nach Danzig, in Seebäder wie Kolberg oder Swinemünde, sowie in Regionen wie Masuren, dem Riesengebirge und dem Hirschberger Tal, die ähnlich weit entfernt von dem Kriegsgeschehen sind wie beispielsweise Berlin.
Wir haben in Polen jetzt über eine Million Menschen bei uns aufgenommen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Viele sind bei Freunden oder Bekannten untergekommen und dank einer sehr großen Hilfsbereitschaft der Menschen auch bei vielen polnischen Familien. Zum Teil werden sie auch vorübergehend in Hotels oder Pensionen untergebracht, aber das sind eher Einzelfälle und es betrifft nicht die Ferienanlagen, die üblicherweise von deutschen oder anderen ausländischen Gästen gebucht werden.
Insofern ist nicht davon auszugehen , dass Gäste, die ihren Urlaub in Polen verbringen, Einschränkungen hinnehmen müssen. Aber sie werden überall im Land die Zeichen der Solidarität mit unserem Nachbarland Ukraine sehen.
Wie haben sich die Touristenzahlen vor und seit der Corona-Pandemie entwickelt? Erwarten Sie, dass wegen des Kriegs in der Ukraine in diesem Jahr weniger Touristen kommen?
Konrad Guldon: Seit 2014 ist die Zahl der Touristen aus Deutschland kontinuierlich gestiegen. 2019, im letzten Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, zählten wir mehr als sieben Millionen deutsche Übernachtungsgäste. Ein Grund für das starke Wachstum war der Ausbau der gesamten touristischen Infrastruktur. So hat sich die Zahl der Hotels vom Jahr 2000 bis 2019 etwa verdreifacht.
Corona bescherte auch Polen deutliche Einbrüche. So sank nach Zahlen der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) für das Jahr 2020 die Zahl der deutschen Gäste bei Urlaubsreisen von fünf und mehr Tagen um 17,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Weil aber viele andere Urlaubsländer größere Einbrüche verzeichnete konnte Polen in diesem Segment seinen Marktanteil sogar steigen und belegte Platz sieben der beliebtesten ausländischen Reiseziele der Deutschen – noch vor Ländern wie Frankreich oder Griechenland. Bei den Kurzreisen von zwei bis vier Tagen schaffte es Polen sogar auf Rang vier der beliebtesten Auslandsziele.
Viele Gäste bevorzugten in der Corona-Zeit Reiseziele, die leicht zu erreichen sind, zum Beispiel mit dem Auto, Zug oder Camper, und davon konnte Polen profitieren. Zudem schätzten viele deutsche Gäste die Möglichkeit, dort mit viel Abstand einen Urlaub in der Natur zu verbringen. Für 2021 liegen uns noch keine detaillierten Auswertungen vor, aber wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse ähnlich gut sein werden, wie im Jahr zuvor.
Aus welchen Ländern reisen die meisten Touristen nach Polen und erwarten Sie Änderungen durch den Krieg in der Ukraine?
Konrad Guldon: Deutschland ist traditionell der mit Abstand wichtigste Markt für den polnischen Tourismus. Mehr als ein Drittel aller ausländischen Gäste kommen von dort. Und umgekehrt zählt Polen schon seit Jahren zu den Top-10-Reisezielen für deutsche Gäste im Ausland. Traditionell ist auch unsere Nachbarland Ukraine ein wichtiger Auslandsmarkt für den polnischen Tourismus. Hier werden die Folgen des Krieges sicherlich spürbar sein.
Aus anderen Märkten wie Großbritannien, Italien, Frankreich, den BeNeLux-Staaten oder Spanien kommen zusammengenommen weit weniger Gäste als aus Deutschland. Aber hier erwarten wir wenig Änderungen. Aus China verzeichneten wir vor der Pandemie ein sehr starkes Wachstum; dieser Markt ist leider komplett zusammengebrochen und hier erwarten wir auch erst sehr langsam eine Erholung. Insgesamt hoffen wir auf einen friedlichen Sommer - auch möglichst frei von Corona - in dem die Menschen sich erholen und einander wieder begegnen können.
Inspirationen zu Reisezielen in Polen unter https://www.globista.de/suche/?pm_fulltext=polen
Mehr Infos zum Reiseland Polen unter www.polentravel.de