Düsseldorf. Kaum eine Branche hat die Corona-Pandemie so im Griff wie den Tourismus. Wochenlang geschlossene Hotels und Pensionen haben tiefe Spuren hinterlassen. Die Statistiker müssen weit zurückblicken, um in Nordrhein-Westfalen ähnlich niedrige Gästezahlen zu finden.

Die Corona-Pandemie mit Reisebeschränkungen und zeitweisen Übernachtungsverboten hat den Tourismus in Nordrhein-Westfalen mit voller Wucht getroffen. Die Experten des Statistischen Landesamtes mussten weit zurückblättern, um ihre am Dienstag veröffentlichte Jahresbilanz für die Übernachtungsbranche in Nordrhein-Westfalen einordnen zu können. Rund 11 Millionen Gäste zählten Hotels und Pensionen, Campingplätze und Jugendherbergen im vergangenen Jahr - so wenige wie seit nicht 1990 nicht mehr. Die Zahl der Übernachtungen sank mit 28,5 Millionen sogar auf das Niveau von 1985.

„2020 war ein Katastrophenjahr für den Tourismus“, kommentierte Heike Döll-König, Geschäftsführerin von Tourismus NRW, die Zahlen. Ein Vergleich mit dem Bund zeigt, wie schwer Corona den NRW-Tourismus getroffen hat. Während deutschlandweit die Zahl der Übernachtungen von Reisenden aus dem In- und Ausland gegenüber dem Vorjahr um 39,0 Prozent gesunken ist, betrug das Minus in NRW 46,5 Prozent.

Getroffen hat es alle Sparten und Regionen. Selbst in den Sommermonaten Juli und August, als viele Einschränkungen gelockert waren, lag die Zahl der Übernachtungen landesweit um rund ein Drittel unter dem Vorjahreswert. Weil die meisten Messen abgesagt worden waren und der Städtetourismus zum Erliegen gekommen ist, ging die Zahl der Besucher aus dem Ausland besonders stark zurück. Die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland erreichte nicht einmal mehr 10 Prozent des Vorjahreswerts, wie die Statistiker mitteilten.

„Vom abgesagten Karneval bis hin zum Geisterspiel in der Fußball-Bundesliga: Die Corona-Pandemie trifft gerade den für Nordrhein-Westfalen wichtigen Städtetourismus mit voller Härte“, klagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), Mohamed Boudih. Selbst nach sieben Monaten Kurzarbeit und 80-Prozent-Aufstockung komme eine Fachkraft im Gastgewerbe lediglich auf ein dreistelliges Einkommen. Damit werde schon die Zahlung der Miete zum Kraftakt. „Ohne zusätzliche Hilfen drohen enorme Verwerfungen im unteren Einkommenssektor“, warnte Boudih.

Größere Insolvenzen von Hotels sind beim Branchenverband Dehoga NRW noch nicht bekannt. In anderen Sparten des Gastgewerbes sieht das schon anders aus. Nach einer Analyse der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gehörten Diskotheken, Kneipen, Restaurants und Cafés 2020 zu den Branchen mit den durchschnittlich höchsten Insolvenzzahlen in Deutschland.

„Nach diesem desaströsen Jahr sind die Konten leer, die Schulden gestiegen und Zehntausende Existenzen in der Branche gefährdet“, sagte der Präsident des Dehoga-Landesverbandes, Bernd Niemeier. Wegen der Verlängerung des Lockdowns für Hotellerie und Gastronomie tief ins neue Jahr würden die staatlichen Hilfen und deren schnelle Auszahlung immer wichtiger. Zudem sei sie „verlässliche Gesamtstrategie für einen Re-Start des Gastgewerbes„ nötig. „Einzelverlautbarungen, die schon jetzt den Osterurlaub deutschlandweit abblasen wollen, sind das Gegenteil von einem Gesamtplan.“

Aber nicht nur Hoteliers und Gastwirte klagen über immense Einbußen. Auch der Tagestourismus hat enorm gelitten. So zählten etwa die Ausflugsdampfer der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt (KD) nur knapp 250 000 Fahrgäste, 80 Prozent weniger als 2019. „Dementsprechend sehen die Umsatzerlöse aus Ticketverkauf und Gastronomie aus“, sagte Achim Schloemer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Schifffahrtsgesellschaft.

„Alle Hoffnungen liegen darauf, dass zum Frühjahr hin wieder deutlich mehr möglich wird – und dass die Branche endlich eine Perspektive bekommt“, betonte Tourismus-Vertreterin Döll-König. Doch ungeachtet des Ausgangs der aktuellen Debatte um Urlaub in der Osterzeit sind die Erwartungen der Branche auch für 2021 äußerst gedämpft. KD-Manager Schloemer rechnet nur mit einem Umsatz von 60 bis 70 Prozent des Jahres 2019. Bis die alten Zahlen wieder erreicht werden, dauere es wohl noch bis zum Jahr 2024. (dpa)