Binz. Der „Koloss von Rügen“ in Prora ist weltbekannt. Doch der Binzer Ortsteil hat auch spektakuläre grüne Seiten.

Wie viel Kraft muss ein Baum aufbringen, um Wasser von der Wurzel bis in die Baumkrone zu pumpen? Wie kann ich mit einer Hand einen Baum zum Schwingen bringen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet das DBU Naturerbe Zentrum in Binz auf Rügen. Beispielsweise auch die folgende: Was ist eine Spechtschmiede? Allen, die noch dazulernen, wird sie wohl verborgen bleiben. Aber was auf den ersten Blick vielleicht nur wie ein langer Riss in einem abgestorbenen Ast einer Rotbuche aussieht, benutzt der pfiffige Vogel als eine Art Schraubstock, um dort Fichtenzapfen und andere Leckereien zu arretieren. So kommt der Specht bequem und jederzeit an die Samen heran, speziell im Winter, wenn er weniger Nahrung findet.

Baumwipfelpfad ist das Herzstück

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Ein paar Schritte weiter. Wir dürfen die Hand gegen einen Baum drücken und sind überrascht ob der Elastizität, mit der er reagiert. Mit unserem kleinen Schubs versetzen wir ihn in Schwingung, so verhalten sich Bäume üblicherweise im Wind. Eine Erfahrung aber auch, die am Fuße des Stammes ebenso schlicht unmöglich gewesen wie die Spechtschmiede dem Auge verborgen geblieben wäre. Wir aber wandeln fünfzehn Meter über dem Erdboden auf Augenhöhe mit den Kronen urwüchsiger Buchen.

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Auf einem über einen Kilometer langen hölzernen Weg, der folglich besondere Perspektiven auf Flora und Fauna eröffnet. Ein Baumwipfelpfad, der das Herzstück von Proras anderem Superlativ ist – dem DBU Naturerbe Zentrum zwischen Ostsee und Kleinem Jasmunder Bodden.

Fast 20 000 Hektar Naturschutz

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Viele ehemalige Truppenübungsplätze und andere militärisch genutzte Gebiete sowie Bergbauflächen sind in Deutschland heute mehr denn je Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Maßgeblich zum Schutz dieser Gebiete beigetragen hat die Initiative „Nationales Naturerbe“. In ihrem Rahmen überträgt die Bundesregierung schützenswerte Naturflächen an die Bundesländer, Naturschutzverbände sowie die DBU Naturerbe GmbH, eine gemeinnützige Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). In Mecklenburg-Vorpommern wurden so schon fast 20 000 Hektar Natur unter Schutz gestellt.

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Natur erleben und Natur verstehen – diesem hehren Ziel kommt der Besucher in Prora spürbar näher. So kann er mit einem grammophonähnlichen Trichter in einen Erlenbruch hinein lauschen und Geräusche intensiv wahrnehmen. Oder mikroskopisch scharf wie ein Seeadler in die Landschaft starren – mit einem speziell justierten Fernglas.

Flora und Fauna gehören zum Naturerbe

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Architektonisch raffiniert schraubt sich der Weg plötzlich in Kreisen um eine Buche herum zu einem 40 Meter hohen Aussichtspunkt. Dieser wurde einem Adlerhorst nachempfunden und lässt in puncto Ostsee- und Bodden-Panorama keine Wünsche offen. Das ist aber noch nicht alles: Zum Naturerbe Prora gehören auch eine Wasserbüffelweide, Wälder, Feuchtgebiete und Offenland, in denen Spezies wie Rohrdommeln, Seeadler oder wilde Orchideen leben, die auf der Roten Liste stehen. Führungen in diese nahezu unberührten Lebensräume sind ebenso fester Bestandteil des Zentrum-Programms wie die Dauerausstellung – mit gebündeltem Wissen und spielerischen Exponaten. Wer also etwa mal aus Feuersteinen Funken schlagen möchte, ist hier goldrichtig.

Magische Orte sind Feuersteinfelder

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Apropos Feuerstein. Der vielleicht magischste Ort im Prorer Revier sind die Feuersteinfelder von Mukran. Millionen von glatt geschliffenen Steinen, die einst von Sturmfluten ins Hinterland geschwemmt wurden, erstrecken sich hier über mehrere Kilometer, flankiert von spärlichem Bewuchs aus Heidekraut und Wacholderbäumen. Ein Eldorado für kleine und große Schatzsucher: Nirgendwo sonst etwa gibt es mehr Hühnergötter, jene begehrten Steine mit Löchern, die vor bösen Geistern schützen sollen.

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„Für die Menschen der Steinzeit war Feuerstein ein wichtiges Handelsgut“ weiß Dr. Katrin Staude, „denn jeder brauchte Äxte, Beile und Messer.“ Die Stralsunder Archäologin bietet auf Rügen Workshops und Wanderungen zu steinzeitlichen Großgräbern an, von denen es hier besonders viele gibt. Warum sie Hünengräber genannt wurden? „Für viele Menschen war unvorstellbar, wie die riesigen Findlinge vor 5500 Jahren transportiert und aufgetürmt worden waren. Das konnten nur Riesen gewesen sein.“

>>> Info

Binzer Bucht, www.binzer-bucht.de , www.nezr.de , www.archaeo-tour-ruegen.de

Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, 0381/4 03 05 00, www.auf-nach-mv.de