Borken. Das Witte Venn war einst ein Schmugglerparadies. Naturführer berichten von teils skurrilen Geschichten an der niederländisch-deutschen Grenze.
Im Plauderton erzählt Naturführer Clemens August Brüggemann von Verbrannten, die in tönernen Urnen mitten im Nirgendwo vergraben wurden. Wie beiläufig zeigt er dabei auf einen verwitterten, dunklen Holzgalgen.
Hoch ragt dieser auf, im Halbrund einiger Bäume. "Der Galgenbülten steht hier am Hessenweg an der Grenze", erklärt Brüggemann. Verbrecher ließ man dort gern eine Weile hängen: "Das war im Mittelalter üblich, als Mahnung für Fremde und Durchreisende."
Einstiges Schmugglerparadies Witte Venn
Hessenweg ist der Begriff für alte Handelsrouten, auf denen Fuhrleute mit schweren Karren Waren transportierten. Diese offiziellen, alten Wege sind heute aber nicht Brüggemanns eigentliches Thema. Vielmehr die inoffiziellen: Das Witte Venn, in dem auch der Galgenbülten steht, war einst ein Schmugglerparadies. Und so erzählt Brüggemann von vierbeinigen Schmugglern, die damals Kaffee auf ihrem Rücken transportierten. "Für den Hund war Kaffee gleich Wurst." Die gab es, sobald der Hund mit der Schmugglerware aus den Niederlanden die Haarmühle auf deutscher Seite erreicht hatte.
Schwimmender Schnaps und schmuggelnde Hunde im Münsterland
Unvermittelt bleibt Brüggemann stehen und zeigt auf zwei langgezogene Wälle mit festgetretenen Pfaden: "Jeder Zöllner hatte seinen eigenen Weg, der deutsche und der niederländische, den er auf und ab patrouillierte." Hatte der Schmuggler, ob vier- oder zweibeinig, den Wall ins jeweils andere Land übersprungen, konnte er nicht verhaftet werden. Erschossen wurde man fürs Schmuggeln eher nicht. "Man kam für ein paar Wochen in die Back", sagt Brüggemann - ins Gefängnis.
Wald und Heidelandschaft mit Hügelgräbern
Weiter geht es durchs Witte Venn. Es riecht nach Grün, dunkle Hochmoorgewässer wechseln ab mit waldigem Gelände und scheinbar unendlichen Heiden. Wacholder, Ginster, Niemandsland. Dazwischen, grüne Wiesen mit schottischen Hochlandrindern. Zottelig, toffeebraun und imposant behörnt werden sie auf niederländischer Seite als Rasenmäher genutzt.
An einer unscheinbaren, grasbewachsenen Erhebung macht Brüggemann Station und berichtet nüchtern: "Ein Hügelgrab. Früher gab es ja die Pest. Man hat deren Opfer so weit wie möglich weg von den Höfen verscharrt." Die nächste Anhöhe rechts, man ahnt es, kann da nicht nur aus Erde entstanden sein. "Viehfriedhof. Pferd, Schwein, Kuh."
Schnapsschmuggel in Richtung Niederlande
Eine Wanderung mit Brüggemann vom Alstätter Landgasthof Haarmühle ist alles andere als langweilig. Tatsächlich hält er bereits die nächste Anekdote parat, vom schwimmenden Schnaps. So habe man die Zöllner zum Kartenkloppen eingeladen. "Die Kunst war es, sie immer gewinnen zu lassen, damit sie weiterspielten", erklärt er augenzwinkernd. In der Zwischenzeit nämlich gingen ab Stauanlage der Ahauser Aa Körbe voll mit Hochprozentigem auf eine nasse Reise Richtung Niederlande.
Wer Lust hat, weiterzugehen, kann direkt eine von drei schönen Wanderstrecken einschlagen. Sie beginnen unweit des Grenzsteins "837 E". Die gelbe Route mit 1,6 Kilometern, die rote mit 2,7 und die blaue mit 8,5 Kilometern Länge. Gemächlich kann man so von der 1619 erbauten Wassermühle über die grüne Grenze nach Holland gehen, die seit Januar 1989 freigegeben ist und deren Verlauf sich zwischen Alstätte und Buurse seit 1331 nicht mehr geändert hat.
Geschmuggelt wird übrigens heute noch, weiß Brüggemann. "Drogen." Kopfschütteln. Kein Kavaliersdelikt, wie die paar Kilo Kaffee anno dazumal. (dpa)