Essen. Backsteingotik, Bädervillen oder Betonschalen: In puncto Architektur schafft die Insel Rügen den Spagat zwischen mondäner Vergangenheit und eleganter Moderne.

Schon die Natur zeigt sich auf Deutschlands größter Insel als überaus innovativer Baumeister. Da waren die Eiszeiten, die Rügens zerklüftetes Gesicht modellierten, mit seinen Buchten, Bodden, Wieken, Halbinseln und Landzungen. Da ist die Meeresbrandung, die unermüdlich an atemberaubenden Steilküsten und weltberühmten Kreidefelsen nagt. Da sind die prächtigen Welterbe-Buchenwälder, die ihre Blätterdächer zu weitläufigen Hallen aufspannen. Da sind Salzwiesen, Sand- und Steinstrände, die bunte Teppiche weben. Und vieles mehr.

Davon offenbar nachhaltig inspiriert, hat auch der Mensch auf diesem gesegneten Boden ein kreatives Potential entfaltet, das in seiner Vielfalt auf so engem Raum seinesgleichen sucht. Reetgedeckte Fischerkaten und reich verzierte Bäderstilvillen, großartige Backsteinkirchen und moderne Hyparschalen, klassizistische Planstadt und Koloss von Prora, elegante Seebrücken und majestätisches Pylonen-Pendant, Schinkels Leuchtturm am Kap Arkona und Fürst Maltes Jagdschloss in der Granitz – all das sind Zeugnisse von Menschen mit gestalterischen Visionen. Und jedes Objekt erzählt seine Geschichte über Raum und Zeit. Immer und überall. Diese facettenreiche Architektur, die ihre eigenen Akzente in die malerische Landschaft setzt, wird von der Tourismuszentrale Rügen 2019 besonders gewürdigt – mit einem Themenjahr zur Inselbaukunst, das sich jeden Monat einem architektonischen Highlight widmet

Klassizistisches Juwel

Das Vergnügen beginnt schon mit der Zufahrt: Was sich wie eine überdimensionale Stimmgabel 127,5 Meter über den Strelasund spreizt, ist ein imposanter Pylon, dessen acht harfenförmig gespannte Stahlseile Deutschlands größte Schrägseilbrücke tragen. Ein Jahrhundertbau von gut vier Kilometer Länge, der die Hansestadt Stralsund mit der Insel verbindet.

Dort geht es Schlag auf Schlag weiter. Ein kurzer Abstecher nach rechts über die Deutsche Alleenstraße und schon landet man im klassizistischen Juwel Putbus. Ein Unikat mit kreisrundem Circus im Zentrum, Obelisk in der Rondellmitte und 15 zwei- bis dreistöckigen Häusern akkurat im Kreis drum herum. Ein Traum in Schneeweiß mit Schloss, Theater und Fasanerie, den sich Kurfürst Malte I. vor 200 Jahren erfüllte – heute sein bedeutendstes Vermächtnis. Und übrigens auch Taufbecken des Rügener Bäderstils: 1833 eröffnete bei Putbus das Warmwasser-Badehaus Goor mit allem seinerzeit nur erdenklichen Luxus und Pomp.

Populäre Strände der Ostsee

Wiederum nur einen Katzensprung weiter gen Osten gelangt man dann an die populären Strände der Ostsee. Zum Beispiel Sellin: Flaniert man etwa durch die Wilhelmstraße, wird einem ganz leicht ums Herz. Strahlend weiß und wie Perlen an einer Kette reiht sich Villa an Villa, eine prächtiger als die andere und allerliebst geschmückt mit Türmchen, Erkern und verzierten Veranden. Hier eröffnete 1896 das erste Hotel seine Pforten, zehn Jahre später kam ein weiteres Prunkstück hinzu: die Seebrücke als Königin und stolzes Wahrzeichen des Ostseebades. Mit toller Bäderarchitektur bezaubert neben Sellin vor allem Binz, aber auch in Sassnitz, Baabe, Göhren und Thiessow finden sich diverse Perlen aus der Geburtszeit des Badetourismus.

In die nähere Vergangenheit entführen elegante Betondächer. Die utopischen Hyparschalen von Rügens Landbaumeister Ulrich Müther (lesen Sie hierzu auch den Artikel unten) sollten Schwung in den Sozialismus bringen. Und das taten sie: Speziell an der Ostseeküste und auf seiner Heimatinsel errichtete der Visionär eine Reihe spektakulärer Bauwerke aus hyperbolischen Paraboloidschalen. Sie wurden Müthers Markenzeichen und das Ufo von Binz zur Ikone der Ost-Moderne. In diesem Jahr wäre der geniale DDR-Ingenieur 85 geworden – auch daran erinnert die Tourismuszentrale mit ihrer Jahreskampagne. Und macht damit auch auf diesem Weg klar, dass Rügen architektonisch weit mehr zu bieten hat als Sandburgen und Luftschlösser.

>>> Veranstaltungen (Auswahl):

5. bis 14. April: 7. Wanderfrühling Rügen.
Ende Mai: 18. Rügenclassics – Inselrallye für Oldtimer.
13. bis16. Juni: Blue Wave Festival.
22. Juni bis 7. September: Störtebeker-Festspiele in Ralswiek.
29. Juni: Drachenbootfest.
23. bis 27. September: Ulrich-Müther-Themenwoche, u. v. a. m.

Kontakt: Weitere Informationen zu Unterkünften und Angeboten bei der Tourismuszentrale Rügen, Tel. 03838/80 77 80, www.ruegen.de

Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern, Tel. 0381/4 03 05 00, www.auf-nach-mv.de