Essen. Bei den Kreuzfahrtreedereien scheint ein Wettbewerb entfacht, wer am umweltfreundlichsten fährt. Die Nase vorn hat derzeit Aida Cruises mit der „Aida Nova“. Es ist das erste Kreuzfahrtschiff, das mit Flüssigerdgas LNG (Liquefied Natural Gas) betrieben werden kann – sowohl im Hafen als auch auf See. Marinediesel kommt nur unterstützend zum Einsatz.

Den Tag mit dem Blick aufs Meer beginnen, immer in einem anderen Hafen aufwachen, das jeweilige Land entdecken – und das Hotelzimmer fährt ganz bequem mit: Die Kreuzfahrtbranche boomt. Dabei wird auch immer mehr das Schiff selbst zum Erlebnis, das viele Zielgruppen ansprechen will – Familien, Paare, Aktive, Genießer, Jüngere. Das Angebot muss entsprechend vielfältig sein, daher werden die Schiffe immer größer.

Doch zunehmend fragen die Kunden nach der Nachhaltigkeit ihrer Reise. Die neue Reise-Analyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen zeigt das: Für die Mehrheit der Touristen (57 Prozent) ist Nachhaltigkeit im Urlaub wichtig. Bilder eines, etwa in Venedig einfahrenden Ozeanriesens, werfen zudem kein gutes Licht auf die Branche. Und obwohl Kreuzfahrtschiffe nur etwa 0,6 Prozent der zivilen Schifffahrt ausmachen stehen sie - im Gegensatz zu den Frachtern - in der Kritik wegen des Dieselantriebs.

Die Reedereien geraten also zunehmend unter Druck, umweltfreundlicher zu werden: Beim Antrieb, aber auch in ihrem Hotel- und Gastronomiebetrieb. In puncto Antrieb gehen Aida Cruises und Hurtigruten voran, andere Reedereien wollen beziehungsweise müssen nachziehen. Der Weltverband der Kreuzfahrtindustrie (CLIA) hat sich dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen der Flotte bis 2030 um 40 Prozent zu senken, verglichen mit der CO2-Bilanz 2008. Ein Grund zum Umrüsten: Das beliebte Kreuzfahrtziel Norwegen verbannt ab 2026 alle Kreuzfahrtschiffe, die nicht mit Hybridantrieb oder Gas fahren.

Reedereien rüsten um

Bei Hurtigruten wird noch im Frühling 2019 das erste Hybrid-Kreuzfahrtschiff in See stechen: die „Roald Amundsen“. Sie ist das erste von drei Hybrid Schiffen, die in den kommenden Jahren die Hurtigruten Flotte erweitern soll. Sie besitzt zusätzlich einen Elektromotor, der rein elektrische Fahrten bis zu 30 Minuten Dauer ermöglicht – lautlos und umweltfreundlich. Das Schiff ist speziell für Reisen in polare Gewässer ausgelegt, um Abenteurer aus der ganzen Welt mit der größtmöglichen Nachhaltigkeit zu den spektakulärsten Reisezielen zu bringen. Dabei kommt das Befahren der Meere mit elektrischem Antrieb nicht nur der Umwelt zugute, sondern belohnt auch die Gäste mit einem intensiveren Naturerlebnis.

In Kombination mit einer fortschrittlichen Rumpfkonstruktion und der effizienten Nutzung des Bordstroms, ermöglicht die Hybrid Technologie eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen um 20 Prozent. Zudem will Hurtigruten zukünftig Biogas aus Fischereiabfällen und anderen organischen Resten nutzen.

2020 wird dann die MS Fridtjof Nansen in Betrieb genommen. Das dritte Hurtigruten Hybrid-Expeditionsschiff wird 2021 in Dienst gestellt.

Hapag-Lloyd Cruises wird künftig bei allen Expeditionskreuzfahrten weltweit auf Schweröl verzichten. Ab Juli 2020 wird auf allen Routen ausschließlich schadstoffärmeres Marine-Gasöl zum Einsatz kommen, sowohl auf der „Bremen“ als auch auf den drei neuen Expeditionsschiffen: der „Hanseatic nature“ und „Hanseatic inspiration“ (beide 2019) sowie der „Hanseatic spirit“ (2021). Für Anlandungen wurde teilweise bereits in vielen Zielgebieten auf Zodiacs mit Elektroantrieb umgerüstet.

Als nächstes LNG-Schiff wird die „Costa Smeralda“, das neue Flaggschiff von Costa Crociere, im Oktober 2019 in Dienst gestellt. Auf Flüssigerdgas setzen ab 2020 auch Princess Cruises, Carnival Cruise Line, P&O Cruises, ab 2022 Disney Cruise Line, Royal Caribbean International und MSC.

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Die "Neue Mein Schiff 2" in Hafen von Lissabon. Sie fährt zwar weiterhin mit Diesel, wurde aber als Alternative mit Katalysatoren ausgestattet. Dank neuer Technik, soll sie 30 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. © Antonia Kasparek

TUI Cruises will seine ersten beiden LNG-Schiffe 2024 beziehungsweise 2026 in Dienst stellen. Die bisherigen Neubauten, wie die neue „Mein Schiff 1“ und baugleiche „Mein Schiff 2“ wurden als Alternative mit Katalysatoren ausgestattet. Sie fahren zwar weiterhin mit Diesel, sollen aber dank neuer Technik 30 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Eine Entschwefelungsanlage senkt die schädlichen Schwefelemissionen laut Reederei um bis zu 99 Prozent, der Partikelausstoß geht um 60 Prozent zurück.

Weitere Schiffe geplant

Zwei weitere Schiffe mit LNG-Antrieb will Aida 2021 und 2023 in Dienst stellen. Dann sollen schon mehr als die Hälfte der Aida-Gäste auf LNG-Schiffen unterwegs sein. „Der Kraftstoff sei derzeit der beste Weg, um die Kreuzfahrt umweltfreundlicher zu gestalten“, sagt Aida-Präsident Felix Eichhorn. Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hält LNG aus Luftreinhaltungssicht für einen großen Gewinn. Es ist der umweltfreundlichste fossile Treibstoff mit bis zu 90 Prozent weniger Emissionen. Beim Anlegen werden keine giftigen Dieselgase mehr in die Luft gepustet.

„Die Aida Nova wird seit Indienststellung vor knapp drei Monaten zu 100 Prozent mit Flüssigerdgas gefahren, ohne auf Diesel zurückgreifen zu müssen“, erklärt Aida-Präsident Felix Eichhorn Ende Februar. Getankt wird alle zwei Wochen. Zurzeit ist die „Aida Nova" auf siebentägigen Kreuzfahrten rund um die Kanaren und Madeira unterwegs: ab/bis Gran Canaria oder Teneriffa. Im April geht es dann ins westliche Mittelmeer mit den Zielen Mallorca, Barcelona, Marseille, Livorno/Florenz und Civitavechia/Rom.

Im Bauch der Aida Nova lagern drei U-Boot-große Tanks mit zusammen 3650 Kubikmetern LNG, die auf Teneriffa von einem Tankschiff des Aida-Partners Shell aufgefüllt werden.
Im Bauch der Aida Nova lagern drei U-Boot-große Tanks mit zusammen 3650 Kubikmetern LNG, die auf Teneriffa von einem Tankschiff des Aida-Partners Shell aufgefüllt werden. © AIDA Cruises

Noch fehlen allerdings in vielen Häfen Tankanlagen. Im Bauch der Aida Nova lagern drei U-Boot-große Tanks mit zusammen 3650 Kubikmetern LNG, die auf Teneriffa von einem Tankschiff des Aida-Partners Shell aufgefüllt werden. Dieser Tanker, der selbst auch LNG als Treibstoff nutzt, hat in Rotterdam 20 Ladungen für die Aida an Bord genommen und wartet auf den Kanaren, bis der Ozeanriese Nachschub braucht.

Die Kosten für die „Aida Nova“ gibt das Management mit einer Milliarde Euro an. Doch sie können sich schnell amortisierten: Die amerikanische Carnival-Gruppe, zu der Aida Cruises gehört, hat bis 2025 weitere zehn LNG-Schiffe bestellt. „Zudem gibt es noch viel Potenzial auf dem Markt“, sagt Aida-Chef Felix Eichhorn. „Unter den 69,6 Millionen deutschen Urlaubern im Jahr 2017 waren ,nur‘ 2,2 Millionen auf Kreuzfahrtschiffen. Erfolgreiches Wachstum ist aber nur möglich, wenn man nachhaltig ist.“ Man forsche schon jetzt an Brennstoffzellen oder Batterie-Technologie für den nächsten Entwicklungsschritt.

Alle 14 Tage kommt das Tankschiff zur AIDA Nova.
Alle 14 Tage kommt das Tankschiff zur AIDA Nova. © AIDA Cruises

Auch die Passagiere sind gefragt

Die "Aida Nova" ist zurzeit aber nicht nur das „grünste“ Kreuzfahrtschiff, sondern mit einer Auslegung für 6600 Passagiere und 1422 Mitarbeiter auch eines der größten Schiffe der Welt. Diese Kleinstadt auf See hat 23 Bars und 17 Restaurants, darunter sogar eine Hausbrauerei, die täglich 1200 Liter Bier ausgeschenkt. Die Urlauber wünschen sich an Bord ein üppiges Speiseangebot. Doch das birgt Probleme: Jeden Tag landen Dutzende Kilo Lebensmittel im Müll.

Doch die Reedereien arbeiten daran, die Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Das geht aber nicht ohne die Mithilfe der Gäste. Aida hat bereits kleinere Schalen auf den Buffets eingeführt, damit die Passagiere die Teller nicht mit Essen überladen, das dann doch liegen bleibt. Darauf setzt auch Costa mit der Kampagne „Taste don't waste" (probieren, nicht wegwerfen). Die Reederei spendet auch in einigen Zielgebieten übrig gebliebene Lebensmittel an wohltätige Organisationen.

Die Essensrationen auf See möglichst genau zu planen, ist eine große Herausforderung. TUI Cruises optimiert den Verbrauch, indem Lebensmittelabfälle in den Bereichen Lager, Produktion und Buffets sowie von den Tellern gesammelt, gewogen, gemessen und dokumentiert werden. So will man herauszufinden, wo es Einsparpotential gibt.

Auch Plastik verbannt die Reederei so gut es geht vom Schiff. Auf allen Decks gibt es Wasserspender. Hier können die in den Kabinen befindlichen Karaffen kostenlos aufgefüllt werden. Plastikflaschen an Bord werden so reduziert. Bis Ende 2020 will TUI Cruises mit seinem Plastik-Reduktionsprogramm alle Plastikeinwegprodukte von Bord verbannen. Schon jetzt gibt es keine Einwegkosmetikprodukte, Plastikstrohhalme und -cocktailrührer mehr. Schuhlöffel sollen künftig aus Holz sein und der Wäschebeutel aus biobasiertem Kunststoff. Beim Buffet sollen Spender, beispielsweise für Ketchup, Plastikflaschen ablösen. So werden in einem Jahr bis zu sechs Millionen Einzelverpackungen gespart. Kompostierbare Eisbecher und Löffel aus Holz sind jetzt schon Standard.

Der Abfall an Bord der
Der Abfall an Bord der "Mein Schiff 1" von TUI Cruises wird auf den Schiffen nach modernsten Standards getrennt, verdichtet und wo immer möglich recycelt. © Antonia Kasparek

Der Abfall an Bord wird auf den Schiffen nach modernsten Standards getrennt, verdichtet und wo immer möglich recycelt. Ob Strom- oder Wasserverbrauch – die Reedereien versuchen die Gäste zu sensibilisieren: Also bitte beim Verlassen der Kabine das Licht ausschalten und die Balkontür schließen, damit die Klimaanlage, gerade in warmen Kreuzfahrtgebieten, entlastet wird.