Furth im Wald. Heute kann jeder die Horch- und Spionagetürme auf den Bergen des Bayerischen Waldes besichtigen - eine Reise in die Zeit des Kalten Krieges.

Auf genau 1111 Meter über dem Meer behindert nichts den Blick in den Bayerischen Wald und hinüber nach Tschechien. Den Erbauern des Riesenturms über Neukirchen beim Heiligen Blut ging es allerdings nicht um die Aussicht.

Sie wollten Signale aus dem Osten abhören, den Funkverkehr russischer Migs und feindlicher Kommandozentralen jenseits der Grenze. Deutsche, amerikanische und französische Soldaten hörten 40 Jahre lang mit. Angeblich reichten ihre Ohren fast bis zum Schwarzen Meer.

Spionageposten des Warschauer Pakts

Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, am 1042 Meter hohen Cerchov, nur ein paar Kilometer Luftlinie vom Hohenbogen entfernt, stand praktisch auf Augenhöhe einer der wichtigsten Spionageposten des Warschauer Pakts. Er rühmte sich, Funk- und Richtfunkverbindungen der Nato bis nach Paris abhören zu können.

Nato-Türme im Bayerischen Wald

Früher Spionageort, heute Touristenziel: Die ehemaligen «Nato-Türme» im Bayerischen Wald locken Besucher an.
Früher Spionageort, heute Touristenziel: Die ehemaligen «Nato-Türme» im Bayerischen Wald locken Besucher an. © dpa
 Erinnerung an eine furchtsame Zeit: der Eingang zum Atombunker der ehemaligen Militäranlage
Erinnerung an eine furchtsame Zeit: der Eingang zum Atombunker der ehemaligen Militäranlage © dpa
Lauschangriff: Auf dem Cerchov befindet sich ein ehemaliger Spionageturm, über den die Sowjets in den Westen lauschten.
Lauschangriff: Auf dem Cerchov befindet sich ein ehemaliger Spionageturm, über den die Sowjets in den Westen lauschten. © dpa
Riesenturm mit Wendeltreppe: Vom Hohenbogen aus hörten die westlichen Mächte während des Kalten Krieges den Funkverkehr im Osten ab.
Riesenturm mit Wendeltreppe: Vom Hohenbogen aus hörten die westlichen Mächte während des Kalten Krieges den Funkverkehr im Osten ab.
"Vorsicht Schusswaffengebrauch" - ein Überbleibsel aus der Zeit des Kalten Krieges. © dpa
Michael Schreiner im Kommandozentrum des Atombunkers - er organisiert Besichtigungen des «Sektor.f», der 1967 als Teil einer Kette von fünf Abhörstationen zwischen Ostsee und Bayerischen Wald in Betrieb genommen wurde.
Michael Schreiner im Kommandozentrum des Atombunkers - er organisiert Besichtigungen des «Sektor.f», der 1967 als Teil einer Kette von fünf Abhörstationen zwischen Ostsee und Bayerischen Wald in Betrieb genommen wurde. © dpa
Liegt gleich hinter der deutsch-tschechischen Grenze: Der Cherchov ist heute ein beliebtes Ausflugsziel.
Liegt gleich hinter der deutsch-tschechischen Grenze: Der Cherchov ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. © dpa
Nato-Türme auf dem Hohenbogen: Die Wendeltreppe links führt hinauf zur Aussichtsplattform.
Nato-Türme auf dem Hohenbogen: Die Wendeltreppe links führt hinauf zur Aussichtsplattform. © dpa
 Den Blick vom Cerchov können heute Touristen genießen - in Zeiten des Kalten Krieges war es lebensgefährlich, sich dem Berg zu nähern.
Den Blick vom Cerchov können heute Touristen genießen - in Zeiten des Kalten Krieges war es lebensgefährlich, sich dem Berg zu nähern. © dpa
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Irrwitzige Mengen an Informationen aus dem Militär, der Politik und der Wirtschaft des Westens schöpften die russischen und tschechischen Lauscher ab. Mit dabei war das DDR-Ministerium für Staatssicherheit, dessen Hauptabteilung III den Telefon-, Fax- und Fernschreibverkehr in der Bundesrepublik anzapfen und dabei reiche Beute machen konnte.

Bier und Schnitzel in der Militär-Baracke

Damals war es lebensgefährlich, sich dem Cerchov-Gipfel zu nähern. Heute lassen sich die Anlagen des Warschauer Pakts bei einer etwa zweistündigen Wanderung vom bayerischen Waldmünchen oder bequem per Bus erreichen. Wo einst Soldaten patrouillierten, werden heute in einer zum Bistro umgewandelten Militär-Baracke Pilsner Bier und Schnitzel mit Pommes verkauft. Nachdem der Lauschposten 2004 aufgegeben worden war, wurde er später zu einem symbolischen Preis an den jungen Michael Schreiner verkauft.

Der heute 36-Jährige baute auf den höchsten der verbliebenen zwei Nato-Türme nicht nur eine große Aussichtsplattform, auf die 262 Stufen einer kühnen, stählernen Außentreppe führen. Schreiner organisiert auch Besichtigungen des "Sektor.f". Das war die militärische Bezeichnung der Anlage, die 1967 als Teil einer Kette von fünf Abhörstationen zwischen Ostsee und Bayerwald in Betrieb genommen wurde. Und so heißt auch der Verein, der sich inzwischen mit Schreiner um Erhalt und Entwicklung der Anlage kümmert.

Grandiose Aussicht

"Sektor.f" bot fast 200 amerikanischen und französischen Militärs Platz, nochmal so viele Soldaten von Luftwaffe und Heer sowie Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes kamen hinzu. "Die Türme waren das Nato-Cyber-Center der Siebzigerjahre, das mit immensem Aufwand betrieben wurde", sagt Schreiner. Was immer auch ausspioniert werden sollte, es musste komplett von Menschen abgehört und dokumentiert werden - eine mühsame und zeitraubende Arbeit.

Schreiner und seine Helfer kümmern sich mit großem persönlichen und finanziellen Aufwand um den Erhalt der einst geheimsten Teile des Militärkomplexes. Mittelfristig möchten sie aus dem Militärkomplex ein Symbol des Friedens und der Völkerverständigung, nämlich ein Bildungs- und Begegnungszentrum für junge Leute aus ganz Europa machen. Schon jetzt dient die Anlage friedlichen Zwecken: Amateurfunker aus ganz Deutschland nutzen sie gern für ihr Hobby - und Touristen wie Einheimische freuen sich über die grandiose Aussicht. (dpa)