Rom. Venedig gilt als der Inbegriff des Massentourismus. Für viele Touristenorte in Europa gilt: Nur nicht so werden wie Italiens Schmuckstück erster Klasse. Nun will die Lagunenstadt Eintrittsgeld verlangen. Wird das den Wandel bringen?
Venedig ist längst kein Vorbild mehr. Auf der Rialto-Brücke, vor dem Dogenpalast oder dem Markusdom wimmelt es nur so vor Touristen. Und das umso mehr, je wärmer die Sonnenstrahlen werden.
"Niemand will so wie Venedig sein", betitelte zuletzt das spanische Portal "El Confidencial" einen Artikel zum Problem des Massentourismus. In der beliebten Lagunenstadt wird sich bald etwas ändern: Tagestouristen müssen Eintritt bezahlen.
Kürzlich gab der Kommunalrat grünes Licht für die Pläne der Stadtverwaltung, an diesem Donnerstag (14. März) präsentiert Bürgermeister Luigi Brugnaro Einzelheiten in Rom. So viel ist bereits bekannt: Wer keine Unterkunft in Venedig gebucht hat, soll in diesem Jahr zunächst drei Euro bezahlen. Ab 2020 soll der Betrag dann auf sechs Euro steigen. Je nach Saison und Besucherandrang kann der Beitrag allerdings auch gesenkt oder weiter angehoben werden: In ruhigen Zeiten würden drei Euro fällig, bei stärkerem Andrang acht Euro, in "außergewöhnlichen" Situationen sogar zehn Euro. Ausgenommen von der Zahlung sind Hotelgäste, die ohnehin eine Ortstaxe zahlen.
Für ein paar Euro mehr
Ein paar Euro mehr werden die Touristen wohl nicht davon abhalten, einen Ausflug in die Stadt zu machen. Aber Bürgermeister Brugnaro geht es darum, sie wieder lebenswert zu machen. Und zwar für alle: "Für die Familien und für diejenigen, die (die Stadt) aus aller Welt besuchen wollen." Die neue Gebühr soll in die Instandhaltung und Reinigung Venedigs fließen. Brugnaro habe auch schon Anrufe aus mehreren Städten bekommen, wie das ganze funktionieren soll. Denn wie für Amsterdam, Barcelona oder Dubrovnik ist die Beliebtheit für die Lagunenstadt Segen und Fluch zugleich: Die Touristen lassen Geld in da - sorgen aber auch für Preissteigerungen, Dreck, Stau.
Der Ärger der Bürger wächst seit Jahren. In Barcelona etwa. Das ging soweit, dass 2017 Vermummte einen voll besetzten Reisebus stoppten, die Reifen zerstachen und mit Farbe den Satz "Tourismus tötet die Stadtteile" auf die Windschutzscheibe sprühten. "Der Tourismus ist wie König Midas: Er zerstört das, was er liebt", schrieb die Digitalzeitung " El Confidencial".
Hohe Strafen bei illegalen Ferienwohnungen
Zwar waren die Touristenzahlen in der katalanischen Hauptstadt zeitweise rückläufig. Aber der Ansturm auf Sagrada Familia, Barri Gòtic und Co. ist weiterhin riesig. Die Stadtverwaltung rund um die linke Bürgermeisterin Ada Colau steuert dagegen: Wer zum Beispiel ohne spezielle Lizenz eine Ferienwohnung anbietet, dem drohen hohe Geldstrafen. Auch wurde im vergangenen Jahr die massive Zahl lärmender Kreuzfahrtschiffe begrenzt.
Kreuzfahrttouristen sind für viele Städte das größte Problem, weil sie in Massen ankommen, die Straßen überschwemmen und bei ihrem recht kurzen Aufenthalt wenig Geld zurücklassen. Im kroatischen Dubrovnik dürfen mittlerweile pro Tag nur noch zwei Kreuzfahrtschiffe anlegen und maximal 5000 Touristen an Land gehen lassen. Wegen der "Invasion" der Touristen riskiert die Stadt, ihren Status als Unesco-Weltkulturerbe zu verlieren. Auch Kotor in Montenegro steht unter Druck, die Zahl der Kreuzfahrttouristen zu reduzieren. Die Unesco bangt um die Festung der Stadt wie um die tiefe Bucht, an der sie liegt.
Ansturm auf Amsterdam und Prag
In Amsterdam sind es die Grachten und der "Wallen" - das Rotlichtviertel -, die jährlich Millionen an Besucher anziehen. Für 2025 rechnet die niederländische Hauptstadt mit 30 Millionen Gästen. Schon im vergangenen Jahr kamen um die 25 Touristen auf einen Einwohner. Nun wurde die Touristensteuer erhöht. Auch in Prag steigt die Zahl der Besucher seit Jahren. Überlegungen, ein Eintrittsgeld zum Beispiel für die berühmte Karlsbrücke zu verlangen, gibt es bislang nicht.
Und in der Schweiz, wo vor allem Luzern unter großem Touristenansturm ächzt, wird auf Besucher-Begrenzungen verzichtet, auch wenn es Beschwerden aus der Bevölkerung gibt. Um die alte Holzbrücke am Vierwaldstättersee drängen sich jedes Jahr mehr als neun Millionen Besucher für Fotos und Selfies. Das seien pro Kopf der Bevölkerung mehr als in Venedig, wie die Boulevardzeitung "Blick" 2018 errechnet hat: in Luzern kommen demnach 116 Besucher auf einen Einwohner, in Venedig 96. Die Politiker verweisen immer wieder auf das viele Geld, das die Touristen zurücklassen.
Eine Stadt als Museum
In Venedigs Kassen wird es davon jetzt bald noch mehr geben. Bürgermeister Brugnaro muss sich aber die Frage gefallen lassen, was das Eintrittsgeld wirklich bezwecken kann. Zum Image der Stadt passt die neue Maßnahme allemal. Wenn man die beige- bis terracottafarbenen Hausfassaden mit den typischen Rundbogenfenstern vor dem glitzernden türkisfarbenen Wasser sieht, glaubt man sich schon jetzt im Museum. (dpa)